Gesundes Wohnen als Ziel der Weimarer Verfassung

Die Weimarer Reichsverfassung (WRV) vom 11.08.1919 machte – zumindest auf dem Papier – auch den in den Heuerlingsstellen wohnenden Leuten Hoffnung auf Besserung. Nach Art. 155 Abs. 1 S. 1 WRV hatte der Staat die Verteilung und Nutzung des Bodens mit dem Ziele zu überwachen, „jedem Deutschen eine gesunde Wohnung und allen deutschen Familien, besonders den kinderreichen, eine ihren Bedürfnissen entsprechende Wohn- und Wirtschaftsstätte zu sichern.“ Die Intention des Art. 155 WRV war entscheidend durch die sog. „Bodenreformer“ beeinflusst worden und zielte grundsätzlich auf die Ermöglichung des eigenen, kleinen Hausbesitzes. Art. 155 Abs. 1 S. 1 WRV wurde aber lediglich als Programmsatz und als „Richtlinie für den Gesetzgeber“ qualifiziert. Er bestimmte nur die allgemeine Richtung, in die der Gesetzgeber zu gehen hatte. An eine Erreichung der Ziele durch einen entsprechenden Einsatz des Baupolizeirechts wurde nicht gedacht. Um der großen Wohnungsnot nach dem 1. Weltkrieg entgegen zu wirken und um die Eigenversorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln zu fördern, wurden vom Reich die Verordnung zur Behebung der dringendsten Wohnungsnot vom 15.01.1919, das Reichssiedlungsgesetz vom 11.08.1919 und das Reichsheimstättengesetz vom 10.05.1920 erlassen. Der Zugang an Wohnungen betrug im Zeitraum von 1925 bis 1932 im Mittel 248.000. Von diesen Gesetzen haben sicherlich auch Heuerleute profitiert, allerdings nicht in den bestehenden Heuerlingswohnungen, sondern nur, wenn sie es schafften, die Heuer zu verlassen.

Mit dem preußischen Wohnungsgesetz vom 28.03.1918 wurde die Ermächtigung zum Erlass von Bauordnungen geschaffen, die im Sinne einer Wohnungsfürsorge ein gesundes Wohnen mit ausreichender Licht- und Luftzufuhr gewährleisten sollten. Um eine gewisse Einheitlichkeit und Übersichtlichkeit der zahlreichen Baupolizeiverordnungen zu erreichen, erließ Preußen am 25.04.1919 die „Einheitsbauordnung für die Städte und Landgemeinden mit stadtartiger Entwicklung“ und am 23.03.1931 die „Einheitsbauordnung für das platte Land“. Diese dienten als verbindliche Regelungsmuster für die Städte und Gemeindebezirke. Entsprechende Baupolizeiverordnungen sind auch im Regierungsbezirk Osnabrück erst mit Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes 1960 und mit der Niedersächsischen Bauordnung vom 23.07.1973 endgültig außer Kraft getreten.

Baurecht in der NS-Zeit

Während des dritten Reiches wurde durch § 1 des Gesetzes über einstweilige Maßnahmen zur Ordnung des deutschen Siedlungswesens vom 03.07.1934 der Reichsarbeitsminister ermächtigt, „bis zur reichsgesetzlichen Regelung des Planungs-, Siedlungs- und öffentlichen Baurechts diejenigen Maßnahmen zu treffen, die erforderlich sind, um das deutsche Siedlungswesen zu überwachten und zu ordnen.“ Aufgrund dieser Ermächtigung sind u. a. folgende Verordnungen erlassen worden: Die Durchführungsverordnung zu dem Gesetz über einstweilige Maßnahmen zur Ordnung des deutschen Siedlungswesens vom 05.07.1934, die Verordnung über die Regelung der Bebauung vom 15.02.1936, die Verordnung über die Landbeschaffung für Kleinsiedlungen vom 07.10.1936 und die Verordnung über Lehmbauten vom 04.10.1944.

Besondere Bedeutung hat die Bauregelungsverordnung erlangt, die ebenfalls erst 1960 durch das Bundesbaugesetz aufgehoben worden ist. § 3 der Bauregelungsverordnung enthält

Bestimmungen, die heute § 35 BauGB trifft. Danach war die baupolizeiliche Genehmigung für die baulichen Anlagen zu versagen, „die außerhalb von Baugebieten“ oder „außerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils“ ausgeführt werden sollten, wenn ihre Ausführung „der geordneten Entwicklung des Gemeindegebietes oder einer geordneten Bebauung zuwiderliefen.“

Nach dem 2. Weltkrieg: Bauplanungsrecht des Bundes – Bauordnungen der Länder

Nach Erlass des Grundgesetzes im Jahre 1949 kam es zwischen Bund und Ländern zum Kompetenzstreit über die Zuständigkeit für den Erlass eines Baugesetzes für die Bundesrepublik Deutschland. Das Baurechtsgutachten des Bundesverfassungsgerichts vom 16.06.1954 wies dem Bund die Zuständigkeit für das Bodenrecht und somit für das Bauplanungsrecht zu und den Ländern die Kompetenz für das „Baupolizeirecht im bisherigen Sinne“. Dies führte im Ergebnis zum Erlass des Bundesbaugesetzes in der Fassung vom 23.06.1960 und der inzwischen 17 Bauordnungen der Länder.

Für die große Zahl der in unserem Raum noch vorhandenen Heuerhäuser erlangte § 35 Bundesbaugesetz besondere Bedeutung. § 35 BBauGB bestimmte:

(1)    „Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es

  1. einem landwirtschaftlichen (…) Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt (…),
  2. einer Landarbeiterstelle dient.

(2)    Sonstige Vorhaben können im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt.“

Nach Absatz 3 dieser Vorschrift liegt eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange insbesondere vor, wenn „das Ortsbild verunstaltet oder die natürliche Art der Landschaft beeinträchtigt oder wenn die Entstehung einer Splittersiedlung zu befürchten ist.“

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Heuerlingswohnungen als Vorhaben im Außenbereich nach Maßgabe des § 35 Abs. 1 BauGB privilegiert zulässig. Wie bei der Wohnung oder dem Wohnhaus des Betriebsinhabers müssen die allgemeinen Voraussetzungen der Privilegierung erfüllt sein. Dazu gehört vor allem die dauerhaft dienende, funktionale Zuordnung der Heuerlingswohnung zum Betrieb. Wichtige Merkmale sind die räumliche Nähe zur Hofstelle sowie das Eigentum des Betriebs an der Wohnung. Kennzeichnend für die Heuerlingsstelle ist im Gegensatz zur bloßen Landarbeiterwohnung, dass der Heuerling auf von dem Betriebsinhaber überlassenem Grund und Boden eine eigene Bodenertragsnutzung im Sinne der Landwirtschaft betreibt.

Von der Wohnung für Landarbeiter zu unterscheiden ist die Landarbeiterstelle. Darunter ist ein im Eigentum eines Landarbeiters stehendes Grundstück mit einem von ihm selbst genutzten Wohnhaus zu verstehen. Sie ist daher nicht wie die Wohnung für Heuerleute und Landarbeiter Teil eines landwirtschaftlichen Betriebes. Mangels eigener landwirtschaftlicher Betätigung stellt sie auch keinen landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb dar. Die Landarbeiterstelle war bis zum Ablauf des 31.12.1997 privilegiert zulässig. Diese privilegierte Zulässigkeit wurde aufgrund des Bau- und Raumordnungsgesetzes 1998 unter Hinweis auf die geringe praktische Relevanz und festgestellte Missbrauchsmöglichkeiten aufgehoben.

Aus der Gesetzeslage folgt, dass, so lange die Heuerlingsfamilie das Heuerhaus bewohnt und der Heuerling für den Bauern als Arbeitgeber tätig ist, es sich bei dem Heuerlingshaus um ein im Außenbereich privilegiert zulässiges Vorhaben handelt, das der Landwirtschaft des Hauptbetriebes dient.

Folgen des Strukturwandels: Heuerhäuser ohne Heuerlinge

Der Strukturwandel nach dem 2. Weltkrieg führte spätestens in den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts zum Ende des Heuerlingswesens. Die Heuerleute suchten sich Arbeitsplätze außerhalb der Landwirtschaft und zogen häufig heimatsnah in neu entstandene Wohnsiedlungen.

Dies führte in vielen Fällen zum Leerstand der Heuerlingshäuser und zum stetigen Verfall und zur Ruinenbildung im Außenbereich. So verwundert es nicht, dass in die Niedersächsische Bauordnung als eine der ersten im Bundesgebiet eine Rechtsgrundlage zum Abbruch verfallender baulicher Anlagen aufgenommen wurde (§ 79 Abs. 3 NBauO). Teilweise erfolgte auch eine Umnutzung der Heuerhäuser in Stallungen und Scheunen für den landwirtschaftlichen Betrieb.

Selbst, wenn die Heuerleute weiterhin in den Heuerhäusern wohnten, aber nicht mehr für den Bauern arbeiteten, wurde dadurch die privilegierte Nutzung beendet. Genau genommen war bereits für eine solche Nutzungsänderung des Heuerlingshauses in ein Mietshaus eine Baugenehmigung erforderlich. Eine solche schleichende Nutzungsänderung im Bestand blieb den Bauaufsichtsbehörden häufig zwar verborgen.

Wurden die abseits gelegenen Heuerhäuser aber zu Wohn- und Freizeitzwecken  an Städter vermietet, rief dies nicht selten die Bauaufsicht auf den Plan. Insbesondere wenn es dem Landwirt gelang, eine ausparzellierte Heuerlingsstelle – trotz der grundsätzlich erforderlichen Bodenverkehrsgenehmigung – für gutes Geld als Ferien- oder gar als Hauptwohnsitz zu veräußern, war der Konflikt mit den (Bau-)Behörden oder benachbarten Landwirten vorprogrammiert. Gerne wurden nämlich die Heuerstellen veräußert, die – aus welchen Gründen auch immer – nicht am eigenen Hof, sondern an der Hofstelle eines benachbarten Landwirtes lagen. Häufig konnten sich die neuen Landbewohner nicht mit den – in der Stadt unbekannten – landwirtschaftlichen Tierhaltungs-, Silage- und Güllegerüchen und dem frühen beginnenden Arbeitstag des Landwirts anfreunden. Beschwerden und Immissionsabwehransprüche wurden erhoben. Die ehemaligen Heuerstellen waren Anlass für unzählige Verwaltungs- und Gerichtsverfahren, wenn die Bauaufsicht mit Nutzungsuntersagungs- oder Abrissverfügungen sowie im Rahmen von Nachbarbeschwerden einschritt oder ein Einschreiten verweigerte.

 

 

Der Versuch einer baurechtlichen Bewältigung: Verfassungsunmittelbarer Bestandsschutz

Die Befugnis der Bauaufsichtsbehörde zum Einschreiten mittels bauaufsichtlicher Verfügungen hängt davon ab, ob ein Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften vorliegt. Dabei wird zwischen formeller und materieller Illegalität unterschieden. Die Frage nach der formellen Legalität zielt darauf, ob ein baugenehmigungsbedürftiges Vorhaben genehmigt worden ist oder jedenfalls die Voraussetzungen für einen Bestandsschutz gegeben sind. Die Beweislast hierfür trägt herkömmlich derjenige, der sich auf die Existenz einer Baugenehmigung oder die Voraussetzungen eines Bestandsschutzes beruft. In der Rechtsprechung ist insbesondere auch mit Blick auf Gebäude im Außenbereich anerkannt, dass eine Vermutung dafür spricht, dass bauliche Anlagen, die seit unvordenklichen Zeiten unter den Augen der Baupolizei bestanden haben und von diesen fortdauernd als zu Recht bestehend behandelt worden sind, seinerzeit auch ordnungsgemäß und in Übereinstimmung mit den bestehenden Gesetzen zustande gekommen sind.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegt ein durch Art. 14 Abs. 1 GG bewirkter Bestandsschutz nur dann vor, wenn der Bestand zu irgendeinem Zeitpunkt genehmigt worden oder jedenfalls genehmigungsfähig gewesen ist. Hieraus folgt, dass jedenfalls bei der überwiegenden Anzahl der nach dem 2. Weltkrieg verbliebenen Heuerhäuser von einem Bestandsschutz auszugehen war. Der baurechtliche Bestandsschutz gewährt das Recht, eine rechtmäßig errichtete bauliche Anlage in ihrem Bestand zu erhalten und sie wie bisher zu nutzen, auch wenn neue Vorschriften dem entgegenstehen; der Bestandsschutz erweist sich seinem Wesen nach einmal als ein Schutz gegenüber einem behördlichen Beseitigungsverlangen (sog. passiver Bestandsschutz) und berechtigt dazu, die zur Erhaltung und zeitgemäßen Nutzung der baulichen Anlagen notwendigen Maßnahmen durchzuführen. Darüber hinaus hat das Bundesverwaltungsgericht bis Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts im Rahmen eines sog. aktiven Bestandsschutzes auch einen Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung für gewisse begrenzte Änderungen anerkannt.

So verwundert es nicht, dass alte und neue Eigentümer von Heuerhäusern den Begriff des Bestandsschutzes für ein Allheilmittel ihrer Probleme mit den Bauämtern und den darüber bei der Bezirksregierung angesiedelten Aufsichtsbehörden hielten. Dies erwies sich jedoch häufig als Trugschluss. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erstreckt sich der Bestandsschutz für bauliche Anlagen gegenüber Änderungen der Baurechtsordnung aus der verfassungsrechtlichen Sicht des Artikel 14 Abs. 1 S. 1 GG nämlich nur auf ihren genehmigten oder genehmigungsfähigen Bestand und ihre genehmigte oder genehmigungsfähige Funktion. Er erfasst grundsätzlich nicht Bestands- oder Funktionsänderungen, weil diese über den genehmigten Zustand hinausgreifen würden und ein solches Hinausgreifen von der die Eigentümerstellung regelnden Bauvorschriften nicht gedeckt wäre. Von der Variationsbreite der als Heuerlingswohnung genehmigten oder genehmigungsfähigen Funktion mit der Bindung an die Hofstelle des Bauern war – bei genauem Hinsehen – bereits eine bloße Vermietung und schon gar nicht eine entprivilegierte Nutzung nach dem Verkauf des Heuerhauses gedeckt. Eine Genehmigung konnte nur über § 35 Abs. 2 Bundesbaugesetz/BBauGB erfolgen mit der nur schwer zu überwindbaren Hürde der Nichtbeeinträchtigung öffentlicher Belange.

Gesetzliche Teilprivilegierung von Bestandsgebäuden im Außenbereich

Erstmals mit der BauGB-Novelle 1976 verließ der Gesetzgeber im Bauplanungsrecht den Boden des Bestandsschutzes, in dem es für genau bestimmte Vorhaben die Beeinträchtigung einiger öffentlicher Belange – nämlich dem Widerspruch zu Darstellungen des Flächennutzungsplanes oder eines Landschaftsplanes, die Befürchtung der Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der Landschaft oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung – als gegenstandslos erklärten (sog. Teilprivilegierung). Anlass dazu waren die als unbefriedigend empfundenen engen Grenzen des Bestandsschutzes, der etwa die Umwandlung einer Scheune zu einer Schleiferei ebenso wenig zulässt wie den Wiederaufbau eines durch Blitzschlag zerstörten Wohn- oder Heuerhauses. Sollte die neue Vorschrift zum einen den Strukturwandel der Landwirtschaft erleichtern, so wurde andererseits das Aufbrauchen vorhandener Bausubstanz im Außenbereich gegenüber unvorhersehbaren Einwirkungen gesichert.

In der z. Z. geltenden Fassung des § 35 Abs. 4 BauGB sind die Teilprivilegierungstatbestände in 6 Nummern zusammengefasst: Die Nutzungsänderung land- oder forstwirtschaftlicher Gebäude (Nr. 1), die Neuerrichtung von Wohngebäuden (Nr. 2), der Wiederaufbau zerstörter Gebäude (Nr. 3), die Änderung erhaltenswerter Gebäude (Nr. 4), die Erweiterung von Wohngebäuden (Nr. 5) und die bauliche Erweiterung von Gewerbebetrieben (Nr. 6). Weiterhin die Neuerrichtung von Gebäuden im Rahmen von Nutzungsänderungen nach Nr. 1 (Abs. 4 Satz 2).

Die überschriftsmäßig zusammengefassten insgesamt 7 Regelungstatbestände der Teilprivilegierung können den falschen Eindruck erwecken, der Gesetzgeber habe nunmehr großzügig den Außenbereich zur beliebigen Nutzung vorhandenen Baubestands freigegeben. Das Gegenteil ist der Fall. Die Teilprivilegierungstatbestände sind überwiegend an eine Vielzahl von Voraussetzungen gebunden, die der Bestandsschutzrechtsprechung entnommen sind. Anknüpfungspunkt ist häufig eine zweckmäßige Verwendung erhaltenswerter Bausubstanz, die zulässigerweise Errichtung des Gebäudebestandes und die teilweise langjährige Eigennutzung durch den Eigentümer. Den bisherigen Bestandsschutz i. S. eines überwirkenden Bestandsschutzes überschreitet die Regelung der Nr. 3, wonach zulässig ist, „die alsbaldige Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten, gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle“. Dasselbe gilt für die Regelung der Nr. 4 „wonach die Änderung oder Nutzungsänderung von erhaltenswerten, das Bild der Kulturlandschaft prägenden Gebäuden, auch, wenn sie aufgegeben sind, wenn das Vorhaben einer zweckmäßigen Verwendung der Gebäude und Erhaltung des Gestaltswerts dient“, erlaubt ist. Letztere Teilprivilegierung setzt nicht einen Denkmalschutz voraus.

Größtmögliche Schonung des Außenbereichs, Ruin(en)-Gefahr

Auch diese sog. Teilprivilegierungen  ändern nichts daran, dass Gesetzzweck des § 35 BauGB die strikte Schonung des Außenbereichs ist. Es bleibt dabei, dass der Außenbereich kein Baugebiet ist und die Härte des Gesetzes in Form von Baustilllegungs- und Abrissverfügungen jeden treffen kann, der den schmalen Korridor der Privilegierungen und Teilprivilegierungen verlässt. Dies gilt für den klassischen „Schwarzbauer“ und den Bauherrn, der sein bestandsgeschütztes Altgebäude in großzügiger Auslegung der genehmigungsfreien Änderungstatbestände der Bauordnungen eigenmächtig oder in Verkennung der Rechtslage in einen Neubau umwandelt. Die zahlreichen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen hierzu vermitteln die Erkenntnis, dass Außenbereichsvorhaben ständig wachsen und bestandsgeschützte Mauern besonders einsturzgefährdet sind.

Die Ruin(en)-Gefahr droht aber auch dem gesetzestreuen Bauherrn, der mit Baugenehmigung ein Bestandsgebäude umbaut. Dies verdeutlicht der prägnante Beschluss des Nds. OVG vom 02.03.2015 (– 1 LA 151/14 –): „Genehmigt die Bauaufsichtsbehörde eine sehr weitgehende Sanierung und Erweiterung eines Bestandsgebäudes, können schon für sich betrachtet geringe, über die Genehmigung hinausgehende Eingriffe in den Bestand den Qualitätssprung bewirken der eine erneute rechtliche Überprüfung des Bauvorhabens in einem selbständigen Baugenehmigungsverfahren nach den für einen Neubau geltenden Maßstäben erfordert.“  Um die Identität des Gebäudes nicht zu gefährden, waren die Ost– und Nordwand sowie das Dach zu erhalten. Der Kläger riss das Bestandsgebäude bis auf die Nordwand und Teile des Ständerwerkes der Ostwand vollständig ab, so dass es sich bei dem Vorhaben um einen Neubau unter Verwendung einzelner alter Bauteile handelte. Die Erteilung einer Nachtragsbaugenehmigung lehnte das Gericht mit der Begründung ab, die Legalisierungswirkung der ursprünglichen Baugenehmigung erfasse nicht das errichtete Gebäude. Als „aliud“ sei es einem neuen Genehmigungsverfahren zu unterziehen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen eines derartigen Bauvorhabens seien „denkbar eng“. Schon die Ursprungsgenehmigung habe den Anwendungsbereich einer Sanierungs- und Erweiterungsgenehmigung für ein Vorhaben im Außenbereich (§ 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BauGB) zugunsten des Klägers „bis an die äußerste Grenze des Vertretbaren ausgedehnt.“

Das Gericht umschreibt so zutreffend eine weit verbreitete Genehmigungspraxis,  die deutlich über den herkömmlichen Bestandsschutz hinausgreift. Bei dem genehmigten Teilabriss führt einerseits mangelnde Sorgfalt zum Verlust unbedingt zu erhaltender Bausubstanz. Ist erst einmal die Baugenehmigung erteilt, drängen andererseits die Bauherren häufig auf eine Beseitigung der alten Bauteile, weil es Ihnen wirtschaftlicher erscheint, insgesamt einen Neubau zu errichten, als altes Gemäuer aufwendig zu erhalten und zu sanieren. Mit dem Abbruch oder einem zu weit gehenden Abbruch der Bestandsgebäude auf dem Baugrundstück hat sich die Genehmigung auf andere Weise erledigt, weil ihr Regelungsgegenstand entfallen ist. Die Erteilung einer Baugenehmigung für den Neubau scheitert regelmäßig an § 35 Abs. 2 BauGB. Der Außenbereich ist um eine Ruine reicher, das Baurecht ist erloschen und der Bauherr wirtschaftlich geschädigt oder sogar ruiniert.

Heuerhäuser noch heute vor Gericht

Heuerhäuser sind auch gegenwärtig mitunter noch Gegenstand baurechtlicher Verwaltungs- und Gerichtsverfahren. Dies belegt der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.01.2015 (– 4 BN 11.15 –). Damit wurde die Nichtzulassungsbeschwerde des Eigentümers eines denkmalgeschützten Heuerhauses gegen ein Urteil des OVG Lüneburg zurückgewiesen. Der Kläger hatte in einem Normenkontrollverfahren versucht, einen Bebauungsplan zu Fall zu bringen, mit dem die Gemeinde das Heranrücken einer gewerblichen Nutzung an seine ehemalige Heuerstelle zugelassen hatte. Dabei hatte er sich auf die Eigenschaft seines Heuerhauses als Kulturdenkmal berufen und – vergebens – einen Abwehranspruch gegen die Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes seines Baudenkmals geltend gemacht.

(Dr.Schulte – Seite

Die Erinnerung bleibt: Auch das ehemalige Heuerhaus der Mutter steht noch

Auch wenn es schon lange keine Heuerleute mehr gibt, erinnern die in der freien Landschaft noch verbliebenen Heuerhäuser – von der Bauruine bis zum Baudenkmal – an die Geschichte und das karge Leben ihrer Bewohner in den vergangenen Zeitläuften.

Auch das Heuerhaus, in dem meine Mutter aufwuchs, steht noch. Während das 1988 von meiner Cousine gemalte Bild noch das ursprüngliche Erscheinungsbild zeigt, wurde es zwischenzeitlich renoviert und erweitert. Auch hier diente der vorhandene Bestand der baurechtlichen Rechtfertigung für einen modernen Anbau. Von „Kabache“ kann keine Rede mehr sein.

Auch, wenn die Geschichte der Heuerhäuser weiter geht, bedarf es immer seltener einer Entscheidung darüber, ob der Wandel der Heuerhäuser im Einklang oder gar im Widerspruch zum jeweils geltenden Baurecht steht oder erfolgt ist.

Dr. Bernhard Schulte

Das Heuerlingswesen aus baurechtlicher Sicht

Bernd_H_Schulte (1)

Dr. Bernd H. Schulte ist im Verbreitungsgebiet des Heuerlingswesens nicht nur in Fachkreisen des öffentlichen Baurechts als ehemaliger Richter am Verwaltungsgericht Osnabrück, Oberverwaltungsgericht Lüneburg und am Oberverwaltungsgericht Münster bekannt. Durch eine Fülle an Fachveröffentlichungen hat er sich bundesweit einen Namen gemacht.

Heute wirkt er in seinem Fachgebiet als gefragter Anwalt in einer überregionalen Kanzlei in Bielefeld und Lingen (Ems).

Er ist in Laxten als Sohn eines Eisenbahners aufgewachsen. Auch mütterlicherseits hat er Heuerleute als Vorfahren.

Sein besonderes Interesse im Privatbereich gilt der regionalen Geschichtsforschung. So initiierte er einen geschichtlichen Arbeitskreis Menger Hof. (Siehe auch unter Kooperationen – Gewährsleute)

Hier ordnet Dr. Schulte in einem fachwissenschaftlichen Aufsatz – in dieser Form und Thematik wohl erstmalig – das Heuerlingswesen in das jeweilig geltende Baurecht ein.