“Wohnungselend auf dem Lande” – Ostlähden im Kreise Hümmling Bericht 3 von 7 aus dem Jahre 1929

Osnabrücker Tageblatt 12. April 1929

 

Durch  einige Zeitungen wurde die Notiz gebracht, dass Oberpräsident Roschke in Begleitung des Regierungspräsidenten von Osnabrück am 24. Januar 1929 das Dorf Ostlähden im Hümmling besichtigt hat als ein besonders krasses Beispiel des Wohnungselendes in den westlichen Bezirken der Provinz. Wir sind heute in der Lage von berufener Seite einiges über dieses Kapitel zu bringen.

Von der Wohnungsnot in den Städten weiß fast jeder. Es ist viel hierüber geschrieben und verbreitet worden. Bilder von schlechten Behausungen sind fast jedem bekannt. In seiner eigenen Stadt lehrt die Anschauung von engen Hinterhöfen und alten, kaum bewohnbaren Behausung, welches Elend der Städte in ihren Altvierteln bieten.

Den meisten unbekannt ist jedoch, dass unser plattes Land in ähnlicher Weise die Frage der Wohnungsnot kennt. Häufig wachsen sich die Wohnungsverhältnisse hier gar noch viel schwerer Form aus, weil überhaupt kein Wohnraum in der Umgebung bereitgestellt werden kann oder die vorhandenen Behausungen sich in einem erschreckenden Zustand befinden.

So malerisch die alten Häuser mit ihren schiefen Wänden und den zerfallenden bewussten Strohdach bei flüchtiger Betrachtung und beim durch einen der Dörfer mit Kraftwagen auf dem Beschauer wirken, so erschreckend ist das Bild, dass sich uns bietet.

Wenn wir einige dieser Wohnungen betreten und mit den Bewohnern in Fühlung geraten, da hören wir dann, das häufig fünf oder noch mehr Familien sich ein kleines Häuschen teilen, dass die Wände so dünn sind, dass die Stuben im Winter nicht warm werden und der alte gebeugte Vater zeigt uns einen winzigen Raum, wo er erwähnt, dass ihm in dieser Butze bereits vier oder gar mehr seiner Kinder gestorben sind an der Tuberkulose.

Die Gründe hierfür erkennen wir bald: Die dünne Wand ist bei jedem Regen durchfeuchtet, der Lehmschlag des Bodens liegt etwas tiefer als das umgebende Terrain, alles was sich in dem Raum befindet, ist fast dauernd feucht und kalt.

Solche Wohnungen gibt es in großer Anzahl in diesem Gebiet des Emslandes und des Kreises Hümmling. Aber ein ganzes Dorf nur aus derartigen sich in sich zerfallenen Altwohnungen, die Umgebung der Wohnung ohne genügendes Abwässerungsmöglichkeiten und daher der ganze Ort bei Regenwasser ein Bild des Schmutzes und des Elends – in dieser ausgeprägten Form dürfte das kürzlich durch den Oberpräsidenten besichtigten Dorfes Ostlähden (Kreis Hümmling) wohl das traurigste Bild diese Art darstellen.

Foto. Böckenhoff Greving

Einige Bauernhöfe und ein Dutzend Heuerlingswohnungen wild und planlos wie zufällig

zwischen den zwischen einige Eichenbäume gesetzt, in der Mitte ein winziges Kirchlein, der Backsteinturm mit einer Bedeckung aus Stülpschalung so wie man es sonst wohl von provisorischen Buden kennt. Der anschließende Kirche Raum aus Fachwerk mit Lehmstakungen, eigentlich wie ein Stallgebäude primitiv dürftig, ärmlich und zerfallen ist ein großer Misthaufen mit einer Jauchegruppe direkt neben dem Gotteshaus. Die ringsum liegenden Hütten sind etwa 150 Jahre alt und zerfallen langsam in sich, beschleunigt durch die Einflüsse der Witterung. Die Bewohner – Bauern sowohl wie Heuterleute – sind arm,der Verdienst ist gering und kärglich. Die Bevölkerung macht einen primitiven Eindruck. Man ist erstaunt, im Westen Deutschlands derartige Verhältnisse anzutreffen.

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