Der frühere Schulleiter des Gymnasiums Georginanum in Lingen, Oberstudiendirektor i. R. Heinz Buss, stellte „seine“ Schulbibliothek vor, die er seit seiner Pensionierung intensiv betreut.
Auf die Frage, ob es in dieser aus der ehemaligen Universität in Lingen hervorgegangenen wissenschaftlichen Bibliothek auch Hinweise auf das Heuerlingswesen gebe, zeigte Heinz Buss den nachfolgenden Text aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg, der zumindest etwas aussagt über damaligen Umweltbedingungen der ländlichen Bevölkerung in diesem Raum:
Ich bin in einer als ganz reizlos verschrieenen Gegend geboren und aufgewachsen, im sogenannten „Muffrika“ – das ist ein den meisten Lesern wohl unbekannter geographischer Begriff. Dieser Landstrich liegt an der mittleren Ems und erstreckt sich im Westen bis an die holländische Grenze. Meppen, in dessen Nähe Krupp einen großen Schießplatz eingerichtet hat, und Lingen an der Ems, mein lieber Heimatort, sind seine beiden Städte. Der Dortmund-Ems-Kanal führt jetzt, mancherlei Segen spendend, hindurch. Weitausgedehnte Heiden und Moore wechseln dort mit magerem Sandboden und dürftigen Kieferbeständen ab. […]
Ich bin meinem lieben Vater, einem echten Wandersmann, aus tiefstem Herzensgrunde dankbar, daß er uns, seine vier Söhne, schon als Knaben immer mit hinaus nahm auf die täglichen Spaziergänge und größeren Wanderfahrten und uns die Reize der unendlichen Heide, die unheimliche Schönheit des unter den Schritten bebenden Moores und den winterlichen Zauber des schneebedeckten Tannenwaldes erkennen lehrte. Wie belebten sich im Sommer die weiten Flächen, wenn sie mit den rosa schimmerden Blütenrispen der Heide (Calluna vulgaris) bedeckt waren, wie freuten uns die tausend und abertausend Glöckchen der schöneren Glockenheide (Erica tetralix), und wie wimmelte es unter und in ihnen, wenn man nur genauer hinschaute, von schimmernden, raschen Cincidelen und anderen Laufkäfern, von schlängelnden Eidechsen und summenden Bienen! Wie labte sich der Blick an der Unendlichkeit der Ebene, die nur einzeln von einer Schar magerer Heidschnucken oder der einsamen Hütte eines Imkers unterbrochen wurde!
Über den Autor:
Hermann Raydt (*1851-1914* ) war u.a. Gründungsmitglied des deutschen Fußballbundes , der Enkel des Juraprofessors an der Lingener Universität Theodor Christian Friederich Raydt (*1767-1833*) und Sohn des Konrektors am Gymnasium Johann Carl Wilhelm Raydt (*1806-1877*)
Seinem Bruder Dr. Wilhelm Raydt ist es zu verdanken, dass das Bier in den Gaststätten mittels CO² aus dem Zapfhahn kommt: Er erfand 1880 das „Verfahren und Apparate um mittels tropfbarer flüssiger Kohlensäure Wasser zu imprägnieren, zu heben und zu werfen“. Seit 1881 befasste er sich in Hannover auch mit Erfolg der Konstruktion von CO²-Maschinen.
Foto: Archiv Bernd Robben