Elend in Heuerhäusern 1929

                              Im Jahre 1929 ging ein Knall durch die deutsche Presse!

Die unvorstellbar grauenhaften Lebensverhältnisse in den Heuerhäusern wurden vorgestellt.

Auf Initiative des Regierungspräsidenten Dr. Sonnenschein waren Pressevertreter aus dem Deutschen Reich in das nördliche Emsland eingeladen zu einer Besichtigungstour.

So konnten die unhaltbaren Zustände auch in Regierungskreisen in Berlin bekannt gemacht werden, um auf diesem Wege Fördergelder für die Erschließung zu erhalten. Auf diese Weise berichteten nun auch  überregionale Zeitungen fast deckungsgleich über die unmenschlichen damaligen Verhältnisse im deutschen Nordwesten.

Hier sollen in einer kurzen ausgewählten Presseschau die Kernaussagen vorgestellt werden:

Tatsächlich haben wohl nur die wenigsten Teilnehmer dieser Fahrt in dieser äußersten Nordwestecke des Reiches Zustände vermutet, wie man sie jenseits unserer Ostgrenze in verluderten polnischen Dörfern findet. Die Wohnungsverhältnisse der Kleinbauern und Heuerlinge spotten vielfach selbst den primitivsten hygienischen Anforderungen und können ohne Übertreibung nur als menschenunwürdig bezeichnet werden. Wie die Berichte der Ortspolizeibehörden melden, sind etliche Familien unzureichend untergebracht. Dieses „unzureichend“ ist ein sehr milde gewählter Ausdruck für diese jämmerlichen Hütten, deren besonders hervorstechendes Merkmal die so genannten Butzen sind,eingebaute niedrige Schlafschränke ohne Zugangsmöglichkeit für Luft und Licht, die gegebene Brutstätten sind für die im Emsland stark verbreitete Tuberkulose.

In einem Heuerhause, das besichtigt wurde, schlafen in zwei solchen Butzen die Eltern, zwei Söhne und Töchter im Alter von 21 Jahren bis herab zu einem drei Monate alten Säugling. Im Kreise Aschendorfzählt man noch heute 747 Häuser mit 1500 solcher Butzen, im Kreise Bentheim noch über 800.

von Franz Kunzendorf in Deutsche Allgemeine Zeitung, Berliner Ausgabe, Nr. 206 vom 05.05.1929

Eine Familie ist seit 200 Jahren Heuerling bei demselben Bauern. Pacht: Naturalien und Arbeit, viel Arbeit! Aber all diese Heuerlingsverhältnisse wären nicht so drückend, wenn die Wohnverhältnisse anders wären. Kein Mensch legt Hand an, der Bauer nicht, der Heuerling nicht, sie sitzen in ihren Katen  und warten, daß ein Wunder geschieht, warten und sehen, wie der Bruder an der Tuberkulose stirbt, wie die Kinder daran zu Grunde gehen, wie der Nachbar daran zu Grunde geht. Sie krauchen in ihre Butzen, die Kinder schlafen, beide Geschlechter, in einer Butze….

Als der Kreis Lingen erreicht war, hielten wir in Wettrup. Ein Heuerlingshaus an der Straße: Eine Küche, in die der Regen sickert, fünf Kinder… Sind hier noch Butzen? Zwei quadratische Löcher in der Wand, kein Licht, keine Luft, Stroh und ein buntes Leinen darüber. Plötzlich streckt sich eine Hand aus dem Halbdunkeln und da lag eine alte 80 jährige Großmutter. Sie kann nicht gehen, krank liegt sie Tag für Tag in diesem finsteren Loch, schläft dort, vegetiert, und man hat nicht viel Zeit, um sich um sie zu kümmern. Ein Grab über der Erde, ein Sarg auf Stroh….

Weitere Zeitungstitel:

 

 

Aus dem Archiv von Elly von der Ahe aus Lähden