Heuerlingstochter Theresia Brüning

                                                    Die Heuerlingstochter Theresia Brüning

Als gebürtige Heuerlingstochter und spätere Magd erlebte sie in den ersten drei Jahrzehnten ihres Lebens noch die vorgegebene typische Biographie einer Landlosen in Nordwestdeutschland.

In einem beeindruckenden Aufsatz beschrieb sie in dem Buch

„Uns gab es auch“ das Leben ihrer Mutter als Heuerlingsfrau. 

Dieser Aufsatz ist in Auszügen im Heuerlingsbuch abgedruckt.                                                                                                                                                                                                                                                                                                       

 

 

 

 

 

Theresia Brüning – geb. Brinker – als junges Mädchen im Kreise ihrer Familie.

 

An verschiedenen Stellen im Buch kommt sie zu Wort.

Ein weiterer Aufsatz von ihr über die Magd Mina, die in ihrer Jugend einen Hüftschaden erlitt und unverheiratet blieb, folgt hier in einer überarbeiten Form

                                                                                        Die Magd Mina

Das Schicksal einer Heuerlingstochter mit einer körperlichen Behinderung: Sie blieb unverheiratet und diente als Magd auf einem Gutshof

Theresia Brüning erzählt.

                                                                                   Herkunft:

Wilhelmina wurde 1894 als zweitjüngstes Kind eines Heuermanns von Gut Spyck geboren. Sie wohnte mit ihrer Familie sehr weit ab außerhalb des Dorfes, auf der so genannten “Staggenburg”.

                                                                                     Schulweg:

So musste sie als Kind den Schulweg von zwei bis drei Kilometern täglich  machen. Mina hatte in ihrem Leben nie das Fahrradfahren gelernt.

Berufswunsch:

Als ihre älteste Schwester in das Kloster eintrat, fasste sie schon in jungen Jahren den Entschluss, auch Nonne zu werden. Da sie aber noch zu jung war, musste sie warten und kam als Gehilfin in das damalige Krankenhaus nach Lengerich bei Lingen.

                                                                                          Widrigkeiten:

Dort arbeitete sie in der Küche und im Stall. Eine schwere Krankheit, von der sie sich nur langsam erholte, brachte ihrem lebenslangen Hüftbeschwerden ein. Und so war auch der Traum vom frommen Klosterleben ausgeträumt. Man war der Meinung, kranke Mädchen würden das strenge Klosterleben nicht durchhalten, und so legte man ihr nahe, ihren Wunsch ins Kloster einzutreten, aufzugeben.

                                                                                      Endgültige Arbeitstelle:

So kam sie, als sie wieder genesen war, als Magd zum Gut Spyck.

Trotz des Leidens, dass sie lebenslang quälte, machte sie ihre Arbeit gut wie andere Mägde.

In diesem Haushalt war Mina die Magd und außerdem Mädchen für alles. Wenn auch andere junge Mädchen aus Heimen auf dem Hof oder in der Küche mithalfen, so lag doch die Hausarbeit auf ihren Schultern

 

                         Tageslauf:

                                                                                                              Vor dem Frühstück:

Morgens stand sie als erste auf, um das Feuer im Herd in der Küche anzuzünden. Am Abend vorher hatte sie sich schon alles zu Recht gelegt. Es musste dünnes, trockenes Holz sein, sonst brannte es nicht schnell genug an. Ein Korb mit dickerem Holz stand neben dem Herd. Wenn das Feuer gut brannte, legte sie dickes Holz nach. Diese Arbeit rechnete sie sich zu. Auf anderen Höfen war es die Arbeit der Hausfrau, aber auf diesem Gutshof gab es keine Hausfrau in dem Sinne.

Nachdem sie am Morgen das Feuer angezündet hatte, stellte sie noch auf dem Herd alles zurecht und ging dann in das Viehhaus. Die Kühe wollten gemolken werden. Man musste schon zeitig damit fertig sein, damit Wilhelm, ein Waisenjunge, die Milchkannen rechtzeitig zur Straße bringen konnte. Bis zur Straße war es ein Weg von ungefähr 500 m. Nach dem Melken wurden die Ställe eingestreut. Die Kühe standen noch in einem „Tiefstall“. Man brauchte viel Stroh als Einstreu.

Als Futter bekamen die Kühe nach dem Melken Runkelrüben oder Steckrüben. Man musste sie mit dem Spaten in Stücke stecken, damit die Kühe sie fressen konnten. Nun waren die Schweine zu füttern. Der Schweinestall lag etwas abseits vom Viehhaus. So musste Mina das Futter mit Eimern ein ganzes Stück schleppen. Es war bestimmt keine leichte Arbeit, vier oder fünf Mal die vollen Eimer zum Stall zu tragen und das noch mit einem Leiden.

 

                                                                                                            Das Frühstück

Danach war es höchste Zeit für das Frühstück. Zum Waschen gab es nur kaltes Wasser. Die Haarflechten wurden straff gezogen und ordentlich hochgesteckt. Das war die  „Morgentoilette“. Danach ging es an den Frühstückstisch. Mina hatte schon in der Zwischenzeit Milch gekocht. Zu der kochend heißen Milch gab es Schwarzbrot oder „Knabbeln“, das war alt und trocken gewordener Stuten, der in Würfel geschnitten im Backofen geröstet und in großen Blechdosen aufbewahrt wurde. Für die Herrschaft brauchte sie nicht zu sorgen. Die Herrschaft versorgte sich selbst und aß im Herrenhaus. Die Kochküche, in der auch das Gesinde die Mahlzeiten einnahm, stand abseits vom Herrenhaus.

 

                                                                                                        Arbeiten im Stall

Nach dem Frühstück ging es wieder zurück zum Viehhaus. Die Kühe hatten ihre Runkel mit Genuss gefressen und den Lehmboden auf der Diele abgeleckt, soweit sie reichen konnten. Jetzt gab es zum „Nachtisch“ Heu und Stroh, damit sie noch lange zu kauen hatten. Aber sie hatten ja auch Durst. Es gab noch keinen Strom und kein fließendes Wasser und erst recht keine Selbsttränke. Das Wasser musste mit Eimern aus dem Brunnen zu den Tieren getragen werden. Eine Erleichterung für Minna war später die Pumpe in der Futterküche, so brauchte sie die Wassereimer nicht mehr so weit zu schleppen.

                                                                                              

                                                                                                Hilfestellung in der Küche.

Tante Paula, dem “ Küchenchef“, musste Mina auch noch zur Hand gehen, wenn kein jüngeres Mädchen im Hause war. Für Mina blieb alles Schwere und Grobe. Sie trug die Sorge für Stall und Vieh. Damit kannte sie sich aus. Sie nahm ihre Arbeit ernst und sorgte sich. als wenn es für eigens wäre.

 

                                                                                         Anerkennung durch die Herrschaften

Tante Mimi sagte auch:  „Wenn wir unsere Mina nicht hätten, was würden wir dann bloß machen?“

 

                                                                               Das Mittagessen mit anschließender Ruhepause

 

 

                                                                                                    Arbeiten im Winter

 

Im Winter gab es für Mina viel Arbeit im Stall und beim Vieh. Jeden Tag musste sie den Kessel kochen und dazu die Kartoffeln aus dem Keller oder aus der Miete holen. Wer selbst einmal die Kartoffelkörbe getragen hat, kann nachfühlen, wie schwer das für sie gewesen sein muss. Die Kartoffeln lagen ja nicht fertig auf einer Betondiele, in den Mieten waren sie manchmal angewachsen und voller Keime und im Winter eingefroren. Da musste man hacken und klopfen, damit die Erde brüchig wurde, dass man sie entfernen konnte. Es dauerte schon eine Zeit, bis man einen großen Kessel voll Kartoffeln mit der Hand aufgesammelt hatte. Außerdem wurden zum Füttern nur die kleinen und minderwertigen Kartoffeln gebraucht. Sie wurden zusammen mit den gesäuberten Runkel und Stoppelrüben gekocht. Zum Feuern nahm man Buschken, dünnes, gebundenes Reiserholz. Wenn die Männer ein großes Fuder Runkeln aus der Miete geholt hatten, mussten diese mit einem großen Messer gesäubert werden.

Dabei wurde die Wurzel und der Sand entfernt, der Unrat mit der Schiebkarre auf den Mist gefahren. Das war bestimmt keine leichte Arbeit und wenn ein ganzes Fuder Rüben sauber war, schmerzte der Rücken ganz schön.

                   

                                                                                                     Freizeit im Winter

Ab und zu hatten sie im Winter nachmittags wohl ein paar Stunden freie Zeit bis zum Füttern am Abend. Ihre Schwester, die im Nachbardorf wohnte, kam ab und zu mit einem ihrer Kinder bei ihr vorbei. Mina konnte diese dann in der Küche bewirten. Es gab Kaffee und „dicke Beschüte“. Für die Nichten und Neffen fiel dann auch wohl noch etwas Leckeres ab. Mal war es eine Hand voll Obst oder selbst gemachter Honig aus der hauseigenen Imkerei. Sehr begehrt waren auch dicke Walnüsse oder Esskastanien.

 

                                                                                                   Arbeit im Frühjahr

Wenn die Sonne im Frühjahr höher stieg, gab es wieder mehr Arbeit im Garten. Es musste gegraben und gepflanzt werden. Im Sommer war außerdem noch die Arbeit auf dem Feld. Die Heuerleute hatte dann auch mitzuhelfen. Die Männer luden den Mist aus den Ställen auf den Wagen und brachten ihn auf den Acker. Aber das Miststreuen war die Arbeit der Mädchen. Beim Hacken oder in der Ernte wurden viele Hände gebraucht. Urlaub wie heute kannte man auf den Bauernhöfen lange nicht. Vielleicht hatte man in der Woche mal einen freien Nachmittag. Aber meistens musste man abends zum Füttern wieder da sein.

   

                                                                                             Fröhliches Beisammensein

Wo viele junge Leute zusammenkamen, gab es meistens viel Spaß, und das Scherzen und Lachen schalte dann in weit über den Esch. Dabei lebte man richtig auf und vergaß die schwere Arbeit.

Die Zeit ging dahin und Mina machte ihre Arbeit Tag für Tag. Da sie schon als junges Mädchen den Wunsch gehabt hatte, ins Kloster zu gehen, dachte sie auch nicht ans Heiraten. Wenn andere zum Tanz gingen, blieb sie zuhause und versorgte Haus, Stall und Vieh.

 

                                                                                                      Schwierige Zeit

Da auf dem Gut keine leiblichen Erben waren, sollte der Hof in der Zeit des Nationalsozialismus enteignet werden. Deshalb kam eine Nichte der Tanten auf den Hof als Erbin. Diese heiratete kurz vor dem Zweiten Weltkrieg.

Anstelle der jungen Mädchen, die meistens aus der Stadt waren, kam jetzt ein Mädchen aus dem Dorf als Magd auf den Hof.

 

                                                                                                           Alterung

Mina war ja auch älter geworden. Durch ihr Hüftleiden ging sie ganz krumm und schief. Sie hatte jetzt nur noch die Schweine und Kühe zu versorgen. Von jeder Kuh wusste sie, wann sie kalben musste. Wenn der junge Bauer sich mal nicht auskannte, brauchte er nur Mina zu fragen. Sie wusste genau Bescheid. Bekam eine Sau zum Ferkeln, durfte man sie nicht allein lassen.

                                                                                 

                                                                                    Die Gutsherren waren Damen

Seit dem die Herren vom Gut 1923 gestorben waren, waren ihre Töchter Alma, Mimi und Paula die Besitzerinnen des Gutes. Sie waren eigenwillige Frauen. Tante Alma war Förster und ging im langen Lodenrock und Stiefeln zur Jagd. Ohne Gewehr  ging sie nie in den Wald. Sie rauchte gerne Zigarren. Sie war eine selbstbewusste Partnerin für die Holzhändler mit einem guten Herzen für arme Leute.

Mimi war der „Bauer“. Sie hatte im Stall mit dem Vieh zu tun und auf dem Acker das Kommando.

Tante Paula war der „Küchenchef“. Sie hatte das Sagen im Haus und in der Küche.