Gab es auch Heuerleute in unserem Nachbarland?

Scholten /Schulze in den Niederlanden

oder

   Gab es auch Heuerleute in unserem Nachbarland? 

                                                

 

Dazu schickte Dr. Franz Josef Tinnefeld aus Bocholt folgenden Brief:

Vor einigen Jahren habe ich bei einem Besuch jenseits der Grenze im Raum Bocholt- Barlo/Winterswijk in der Bauerschaft Woold beim heutigen Roerdink – Hof eine Infotafel entdeckt, auf der die Scholten – Geschichte im Winterswijker Raum in einem kurzen Abriss dargestellt wird. Ich habe seinerzeit die Infotafel fotografiert und übersende Ihnen als Anlage den holländischen Text zu ihrer Kenntnisnahme.

Die Schulze/Schuldheiße waren früher eine Gesellschaftsklasse von reichen, hörigen Bauern die zwischen 1600 und 1900 die Rechte der früheren adligen Großgrundbesitzer (Gutshofbesitzer)übernommen haben. Sie maßen sich einen großzügigen Lebensstil an.

Gebunden an den Hof

Im Mittelalter waren alle Winterswijker Bauern hörig. Sie konnten ihre Wohnstätten nicht verlassen, konnten aber auch nicht aus ihren Häusern vertrieben werden. Hörige Bauern gehörten zu einem Gutshof, z.B. zu dem Gutshof Lohn oder zu den Abtissen von Vreden.

Echte Schulzen und Tegederschulzen

Jeder Hof stand unter der Obhut von einem Schulten, einem Adligen,  der den Hofherrn vertrat. An den Hoftagen, wenn der gesamte Hof im Freien tagte, mussten die wichtigsten hörigen Bauern dem Schulzen mit Rat und Tat zur Seite stehen. Diese „Ratsherren“ oder Beisitzer werden Tegederschulzen genannt.

Eine gelungene Machtergreifung

Als ca. 1600 Winterwijk zu den Niederlanden kam, konnten die alten deutschen Gutshofbesitzer ihre Rechte nicht mehr richtig handhaben. Dadurch haben die Tegederschulzen sich zu einer neuen Führung in Winterwijk entwickelt. Schon um 1650 ließen sie sich nicht mehr als Tegederschulzen sondern als Schulzen ansprechen, ein essentieller Unterschied.

Eine gekonnte Heiratspolitik

Die neuen Schulzen heirateten nach 1700 nur noch Standesgleiche, im Klartext mit anderen Schulzen-Familien. Das Erbe wird nicht mehr geteilt zwischen den Kindern, sondern bleibt in einer Hand erhalten. Der älteste Sohn erbte somit alles, während den Geschwistern eine Existenz auf dem Hof geboten wurde.

Die Tatsachen vollendet

Die Schulzenfamilien entwickelten sich so zum reichen Bauernadel, der sich als rechtmäßiger Besitzer sämtlicher Bauernhöfe betrachtete, die zum früheren Gutshof gehörten. Die Bewohner der Bauernhöfe behielten die gleichen Hörigenpflichten, insbesondere um an den Hilfetagen auf dem Schulzehof zur Arbeit zu kommen. Die Schulzen kauften am Ende sogar die alten adligen Gutshöfe von Winterswijk. In einem Prozess in 1821 wurde die bereits seit 15o Jahre bestehende Situation juristisch festgeschrieben.

Halbe Schulze

Das Bürgerliche Gesetzbuch, das 1838 eingeführt wurde, zwang die Schulzen ihre Besitztümer anteilsgleich auf die Kindern zu teilen. Ab diesem Zeitpunkt bekamen jüngere Söhne einen der früheren Leihbauernhöfe überschrieben. Diese wurden dann als halbe Schulze betrachtet. Meistens wurden diese jedoch stark aufgewertet. Und so wurde die sichtbare Existenz der Schulz-Familien in Winterwijk immer deutlicher.

Der Schulzbauernhof

Im 1900 Jahrhundert entstehen die typischen Schulzehäuser. Das Haus hat das Ansehen eines Herrenhauses, welches quer vor dem alten Hof erstellt wurde. Bei diversen Schulzehöfen wurde die Bebauung umgedreht, das bedeutete, dass bei einem Umbau Wirtschaftsteil und Wohnungsteil zur Straße hin getauscht wurden. Der alte Hofzugangsweg wurde somit eine baumumsäumte Allee, wodurch das Schulze-Anwesen vom Bauernhof zu einem Landgut gewandelt wurde.

 Wenn die Gräuelglocke läutet

Ein echter Schulze lebte zum größten Teil von den Pachteinnahmen und beschäftigte sich meistens bevorzugt mit Waldanbau und dem Züchten und Ausbilden von Pferden. Wenn der Schulze seine Pächter für einen Arbeitseinsatz brauchte, läutete er die Glocke, die oben am Haus befestigt war. Dann musste man seine eigene Arbeit ruhen lassen, um umgehend anzutreten. Dieser Gegenstand –  die Glocke –  wurde dann auch umgangssprachlich Gräuelglocke genannt. (Frage Bernd Robben: Waren diese Pächter womöglich Heuerleute?)

 

Im Jahre 1468 verlieh Herr Hendrik van Gemen dem Herrn Henrick Roerdinck und Egbert Meerdynck „myne hofluede“ das Recht, auf den Hoftagen beim Rosenboom um als Tegeder zu erscheinen. Ihre wichtigste Aufgabe war es, aller Öffentlichkeit zu zeigen, was Recht ist, – anders gesagt – zu erklären, was Hofrecht bedeutet sowie Vorgehensweisen zu bestimmten Situation vorzuschreiben. Man nannte das tuugen oder Zeugen, hierher stammt der Begriff Tegeder.

übersetzt von Ben Collet