Steuerung durch Planung: Ansiedlung anstatt Zersiedlung

Das liberale Eigentumsverständnis, mangelnde Planungs- und Bodenordnungsvorschriften, gepaart mit örtlicher Rechtszersplitterung der Bauvorschriften führten im Zeitalter der Industrialisierung, des Bevölkerungswachstums und der Zusammenballung der Menschen in den Großstädten zu Bodenspekulation, zu planlosem Ausufern der Städte sowie teilweise zu unhygienischen und engen Wohnverhältnissen. Das heute noch durch die Darstellungen von Zille bekannte Berliner Milieu hat zur Forderung nach Licht und Luft und die Schaffung gesunder Wohnverhältnisse geführt. Dies hat, soweit ersichtlich, keine Entsprechung für das Milieu der Heuerleute gefunden.

Mit dem Fluchtliniengesetz von 1875 versuchte der preußische Gesetzgeber, durch die Festsetzungen von Straßen- und Baufluchtlinien Ordnung in die Bautätigkeit zu bringen. Durch das Preußische Ansiedlungsgesetz von 1876 sollte der Zersiedlung der Landschaft Einhalt geboten werden.  § 13 Abs. 1 des Preußischen Ansiedlungsgesetzes bestimmt, dass derjenige, der „außerhalb einer im Zusammenhang gebauten Ortschaft ein Wohnhaus errichten oder ein schon vorhandenes Gebäude zum Wohnhaus einrichten will (…)“, einer von der Ortspolizei zu erteilenden Ansiedlungsgenehmigung“ bedarf. „Vor deren Aushändigung darf nach § 13 Satz 2 dieses Gesetzes die polizeiliche Bauerlaubnis nicht erteilt werden.“ Das Gesetz war zum Schutz der Gemeinden vor unwirtschaftlichen Aufwendungen und infolge dessen zur Ergänzung des Fluchtliniengesetzes erlassen worden; es diente dazu, die Wohnbebauung im Wesentlichen außerhalb der Siedlungskerne der Städte und der ländlichen Ortschaften soweit zu beschränken, als dies zur Wahrung berechtigter privater und öffentlicher Interessen erforderlich war.

Anders als Preußen gelang es in anderen deutschen Bundesstaaten moderne Baugesetze zu schaffen. Insbesondere das Allgemeine Baugesetz für das Königreich Sachsen vom 01.07.1900 gilt als Bespiel einer modernen Baurechtskodifikation. Bauplanungs- und Bauordnungsrecht wurden mustergültig in einem Gesetz vereinigt. Erstaunlich hoch waren die Anforderungen an den Wohnungsstandard. Aufenthaltsräume sollten eine lichte Höhe von 2,85 m haben. In ländlichen Verhältnissen waren 2,25 m vorgeschrieben. Auch Wasch- und andere Nebenanlagen gehörten zur Mindestausstattung. Die Sicherheit und Gesundheit der Bewohner durfte nicht gefährdet werden. Wohnungen und Arbeitsräume mussten in ausreichendem Maße Trockenheit, Licht, Luft, Raum und Zugängigkeit haben.