Erfolglose deutsche Siedler ziehen um 1814 in die Niederlande

Bewohner des deutschen Grenzortes Twist gründeten 1814 „Booendorf“ in den  benachbarten Niederlanden

Ein Bericht von Horst Heinrich Bechtluft vom 13. Mai 2014 in der Lingener Tagespost

 

TWIST. „Dem Ersten der Tod, dem Zweiten die Not, dem Dritten das Brot” lautet ein alter Spruch über Neusiedler im Moor. Auch wenn der nicht für alle Twister galt, litten doch viele Nachfahren der Gründerfamilien von 1784/88 große Not.

Es war der Hunger, der sie über die Grenze nach Westen in die benachbarte Landschaft Drenthe trieb. Das geschah um 1814 – ein Anlass für das niederländische Nachbardorf Nieuw-Schoonebeek, in diesem Jahr 2014 das zweihundertjährige Bestehen zu feiern.

Tatsächlich kommen die meisten der Siedler, die sich als Erste dort niederließen, aus den direkt angrenzenden Moorkolonien im Raum Twist. Das ist noch heute daran festzustellen, dass die meisten Neu-Schoonebeeker katholischer Konfession sind – in der Provinz Drenthe eher die Ausnahme. Die immer mehr anwachsenden Familien ihrer Vorfahren fanden kein Auskommen „auf dem Twist”. Die Buchweizenäcker waren im Hochmoor nach drei Jahrzehnten „ausgebrannt”.

Anders war die Lage auf der anderen Seite der Grenze. Hier gab es noch ungenutzte Weide- und Moorflächen am Fluss Aa (Schoonebeeker Diep). Zwar hatten die Alt-Schoonebeeker das Nieder-moor seit Jahrhunderten mal mehr, mal weniger als Weide für ihre Rinderherden genutzt. Nicht gerade fette, aber immerhin kernige Mastochsen wurden bei Wind und Wetter weit draußen am Rande des Hochmoors in „Booen” (Vieh-Buden) gehalten. Doch nun kamen die landhungrigen Emsländer, pachteten die Booen mit anliegenden Ländereien, lebten dort und wurden zu Neu-Schoonebeekern. Die Staatsgrenze spielte so gut wie keine Rolle.

Das heißt, als der Twister Pastor Hake im August 1814 die ersteTrauung eines Paares von jenseits der Grenze in sein Kirchenbuch eintrug, nannte er die neue Siedlung westlich von Twist noch „Booendorr. Der Name lag wegen der typischen Viehbuden in der Landschaft nahe. Erst später taucht der Ortsname Nieuw-Schoonebeek auf.

Verquere Zustände

Überhaupt bewirkte die Neuansiedlung an der Aa politisch verquere Zustände über die Grenze hinweg: Im deutschen Königreich Hannover (ab 1815) führte wie bisher der Pastor die amtlichen Personenstandsbücher. Er trug darin auch die Gläubigen seiner Gemeinde ein, welche auf dem benachbarten Staatsgebiet des Königreichs der Niederlande lebten. Eigentliche mussten diese jede Änderung des Personenstandes bei der Verwaltung der niederländischen Gemeinde Dalen anzeigen. Doch war diese 20 Kilometer über sumpfige Pfade entfernt Den mühsamen Weg sparte sich mancher Neu-Schoonebeeker, weil ja der Twister Pastor die Taufe, Heirat oder Beerdigung sowieso in die Bücher eintrug. Das brachte später durchaus Probleme mit sich. Erst 1849 erhielt das Nachbardorf eine eigene Kirche.

Der Eintrag des Pastors Hake vom 20. August 1814 ist der erste urkundliche Nachweis zu Neiuw-Schoonebeek. Die Einwohner des Dorfes nehmen das 200-jährige Bestehen zum Anlass einer Reihe von Aktivitäten.