Kindheitserinnerungen meiner Mutter an das Leben im Heuerhaus

Unvergessen sind mir die Schilderungen meiner Mutter über das Leben in einem Heuerhaus. Sie wurde als eines von sieben Kindern einer Heuerlingsfamilie im Jahre 1908 in einer Heuerlingsstelle in Wettrup geboren. Zur Familie gehörten auch noch ihre Großeltern. Neben der räumlichen Enge, dem Schlafen mit einem oder mehreren Geschwistern in den sogenannten „Butzen“ beschreibt sie die empfindliche Kälte im Winter, die heute unvorstellbare Dunkelheit, die miserablen hygienischen Verhältnisse, die Nähe zum eigenen Vieh, aber auch die Nähe zu Mäusen und Ratten, die in den Lehmgefachen des Fachwerkhauses und im Stroh hausten. Sie erzählt von den weiten Wegen von der am Rande der Hofstelle des Bauern gelegenen Heuerstelle zur Schule und Kirche, die zu Fuß bei jedem Wind und Wetter zurückzulegen waren. Die Angst, im unwegsamen Gelände in tiefe Wasserschlote zu fallen, war allgegenwärtig. Frühes Aufstehen war ständig angesagt. Dies war nur ein freudiges Ereignis, wenn es am 1. Weihnachtsfeiertag bereits um 5.00 Uhr oder 6.00 Uhr zur Christmette ging. Neben der realen Armut – die die heutige Armutsdiskussion völlig aus den Augen verloren hat – war es die abgelegene und vereinzelte Lage der Heuerhäuser und ihre beengte und primitive Ausstattung, die dort das Leben so schwer machte. Als die Heuerhäuser in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts gerade wegen ihrer abseitigen Lage und Naturnähe eine ungeahnte Konjunktur zum Zwecke der Freizeitnutzung inklusive Partyfeiern, aber auch als Hauptwohnsitz erlebten, stieß dies bei meiner Mutter auf unverständliches Kopfschütteln. „In sonne Kabache woll ick nich weer hausen“ war ihr Kommentar.