Was haben Tödden mit Heuerleuten gemein?

Vortrag in Mettingen im Hotel Telsemeyer über die Heuerleute (2017)

Ein wichtiges Thema vor Ort wird sein: Was haben Tödden mit Heuerleuten gemein?

Dazu schreibt Bettina Weiguny in ihrem 2005 in Frankfurt erschienenen Buch auf Seite 10 f  u. a. nach diesem kurzen Vorspann:

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Mettingen ist die Wiege des europäischen Textilhandels. Nicht Berlin, nicht Paris, London oder eine der anderen Mode-Metropolen, wie zu erwarten wäre. Seine große Vergangenheit merkt man dem Ort allerdings nicht mehr an. Heute hat das 12000-Seelen-Dorf mit Textilhandel oder gar Mode nichts mehr zu tun. Weder C&A noch eine der anderen Bekleidungsketten hat hier ihre Zentrale. Sie haben hier keine Geschäftshäuser und auch keine Textilfabriken. Der Ortskern mit seinen kleinen Läden unterscheidet sich in nichts von jeder x-beliebigen Dorfmitte. Nur das Museum erinnert an die großen Söhne der Stadt, die Europa erobert, Reichtümer angehäuft…

Ab Seite 12 geht sie ausführlich auf diese Kausalzusammenhänge ein:

Die Vorfahren von Johann Gerhard Brenninkmeyer waren über Genera­tionen hinweg Heuerlinge gewesen.

Sie hatten sich auf den Feldern abge­müht, ohne je gute Ernten einzufahren, denn die Böden im nördlichen Münsterland sind karg und unfruchtbar. Die Erträge von Bauer Brenninkmeyer reichten kaum aus, um sich und seine Familie zu ernähren. Spätabends, wenn die Arbeit erledigt war, saßen er und seine Frau zusammen und such­ten nach Auswegen. Die ständige Furcht vor der nächsten Missernte, die ihren Ruin bedeuten könnte, bescherte ihnen viele schlaflose Nächte. Und ihren Nachbarn ging es nicht besser.

Die Schicht der Heuerlinge war arm, stets vom Hunger bedroht. Und sie wurde im 17. Jahrhundert immer größer. Zehn, zwölf Kinder waren bei den Kleinbauern nach dem Ende des Dreißigjährigen Kriegs keine Seltenheit. Der Westfälische Frieden, der im Jahre 1648 in Münster und Osnabrück ge­schlossen wurde, beendete zwar die Kriegshandlungen. Die Lebensqualität aber — insbesondere auf dem Land — besserte sich lange Zeit nicht. Die zahl­reichen Kinder waren die Altersvorsorge der Bauern.

Aber anstatt den Bauern diese nötige Sicherheit im Alter zu bescheren, steigerte die plötzliche Bevölkerungszunahme in den folgenden Jahrzehnten das Elend noch. Immer mehr Heuerlinge mussten sich immer kleinere Par­zellen teilen. In Mettingen mit seinen sandigen Böden waren die Zeiten be­sonders trostlos. Egal, was die Mini-Pächter hier anbauten: Was sie ernteten, reichte kaum zum Überleben. Zumal sie jedes Jahr ihren »Heuer« an den Landbesitzer zu entrichten hatten.

Ab Seite 15 ist zu lesen:

Die Westfalen hatten eine Marktlücke entdeckt. Kaufleute mit Geschäften gab es aufgrund der Zunftordnung damals ausschließlich in den Städten. Für die Landbevölkerung war eine Reise in die nächste Stadt aber meist unmög­lich. Die Entfernung war zu groß, sie hatten kein Geld, sich in der Stadt ein­/ uquartieren, sie hatten zu viel Arbeit und konnten die Landwirtschaft nicht verlassen. Nun kamen die Wanderhändler zu ihnen an die Haustür. Das war ein neuer Service, den die Landbewohner sehr begrüßten. Innerhalb weniger Jahre expandierte die neue Dienstleistungsbranche. Bald gab es Hunderte von Wanderhändlern im nördlichen Münsterland.

Schnell sprach sich herum, dass die Leinenstoffe der Tödden eine gute Qualität hatten. Und auch die Preise waren in Ordnung. Die Bauern gaben bei den Tödden gleich Bestellungen für neue Ware auf, die sie ihnen auf ihrer nächsten Tour mitbringen sollten.

Bettina Weiguny:  Die geheimnisvollen Herren von C&A: Der Aufstieg der Brenninkmeyers,Frankfurt
 2005.Seite 10 ff