Lehrer in den Nebenschulen: häufig Heuerleute

Das „arme Dorfschulmeisterlein“ war häufig ein Heuermann…

… der im Sommer Hollandgänger war und im Winter „Schule hielt“. Sehr genaue Auskunft über die Verhältnisse am Ende des 18. Jahrhunderts in Teilen Nordwestdeutschlands erhalten wir aus den Visitationsberichten des „Lehrers der Lehrer“,  Bernhard Overberg aus Münster.

https://de.wikipedia.org/wiki/Bernhard_Heinrich_Overberg

Man unterschied damals die Hauptschulen in den Kirchdörfern von den Nebenschulen in den Bauerschaften. In den fortschrittlichen Leistungsgesellschaften heutiger Ausprägung weiß man, welchen enormen Stellenwert die Bildung des Nachwuchses hat. Damals war die Situation insbesondere der kleinen Nebenschulen mehr schlecht als recht.

Erst mit dem Ende des Heuerlingswesens wurde es der ländlichen Bevölkerung zunehmend möglich, auch weiterführende Schulen zu besuchen.

Theo Mönch – Tegeder, bis zu seinem Tode im Sommer 2018 Leiter der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA) in Bonn, erzählte dazu:

Ich als Bauernsohn erinnere mich auch, dass Heuerlingskinder es in der Schule oftmals besonders schwer hatten. Sie galten per se als dumm und unkultiviert. Als es in den frühen 60er Jahren darum ging, die örtliche achtklassige Volksschule in ein mehrgliedriges Schulsystem zu integrieren aus Grundschule, Hauptschule, Realschule und Gymnasium, brach dieser Umstand noch einmal wieder auf.

Konkret ging es um die Entscheidung, in Emsbüren eine Realschule zu errichten.

Vehement plädierte ein hoch anerkannter Lehrer damals dagegen. Seine Begründung: Die wenigen klugen Schüler würden ihren Weg ins Gymnasium schon finden. Wichtig sei aber, für die vielen dummen Schüler Sonderschulen bereit zu stellen.

Wie sehr hat er sich doch geirrt!

Daran muss ich denken, wenn ich heute schulpolitische und familienpolitische Debatten verfolge. Unsere Gesellschaft verdumme, weil nur die Dummen noch Kinder bekämen, ist da zu hören. Ein Teil der Kinder, insbesondere jene aus schwierigen sozialen Verhältnissen, sei nicht mehr bildungsfähig. Vom abgehängten Prekariat ist die Rede. Meine Erfahrung ist eine andere. Intelligenz ist keine soziale Kategorie!

Niemand ist dumm, nur weil er aus schwierigen Verhältnissen kommt!

Das Emsland hätte sich nicht so entwickeln können, wenn nicht das große Potenzial sehr tüchtiger, gut ausgebildeter junger Leute gerade aus der Unterschicht der Heuerlings – Familien hätte aktiviert werden können. Es profitiert heute davon, dass sich Schule und Politik vor einem halben Jahrhundert eben nicht irgendwelchen Vorurteilen aufgesessen sind, sich nicht damit abgefunden haben, dass diese verarmte Landbevölkerung ja ohnehin als abgehängtes Prekariat zu bewerten sei. Die Erfahrung lehrt also: Das Emsland tut gut daran, der kommunalen Schul- und Familien- sowie der befähigenden Sozialpolitik höchste, ja strategische Bedeutung beizumessen.

Theo Mönch – Tegeder (Mitte) im Gespräch mit Pfarrer i. R. J. Underbrink und Architekt B. Botterschulte bei der Buchvorstellung Die letzten 80 Jahre im Emsland von Bernd Robben (Emsbüren 2012)

Foto: Archiv Robben