Gewährsleute als Zeitzeugen

 Die Wichtigkeit der Gewährsleute

 Eine Bereicherung der Geschichtsschreibung

 Während der letzten 20 Jahre haben die Recherchen rund um das Heuerlingswesen es immer wieder erfordert, ältere Zeitzeugen aus allen Lagern der Bevölkerung in Nordwestdeutschland zu den von ihnen selbst erlebten und von Gewährsleuten erfahrenen historischen Fakten zu befragen.

 Diese individuell entstandenen Dokumente in Verbindung zu bringen mit vorhandenen – wissenschaftlich abgesicherten – fachspezifischen Unterlagen entwickelte sich als sehr zielführend und erbrachte auch neue Erkenntnisse.

 Das ist nun auch übertragbar auf die Untersuchungen außerhalb des Verbreitungsgebietes des Heuerlingswesens und kann an folgendem Spezialthema nachgezeichnet werden:

 Die Informationskraft der aufgezeichneten Gespräche von unehelich geborenen Kindern und ledigen Müttern kann sich ohne Zweifel mit den historischen Fakten messen, die die Geschichtswissenschaftler historischen Dokumenten entnehmen können. Sicherlich  können  Kirchenbucheintragungen und sonstige Auflistungen genaue Angaben ergeben etwa über die jeweiligen Zahlen der unehelichen Geburten in den untersuchten Regionen.

Was aber eine uneheliche Geburt für die jeweilig betroffene Magd im grauen Alltag ausmachte, dass die Bauernmagd in ihrer Situation als ledige Mutter auch bei schweren Arbeiten keine Schonung erfuhr und dass sie mit einem Strohkranz auf dem Kopf am Sonntag vor der Kirchentür jedem Kirchenbesucher ihren „Fehltritt“ deutlich zeigen musste, das wird erst durch das persönliche Zeitzeugnis eines Interviews in aller Breite deutlich. Hierbei kommt auch die volle Tragweite ans Tageslicht, dass sie dabei ebenfalls hinnehmen musste, dass ihr Kind bei fremden Leuten aufwuchs und sie damit zumeist ihr ganzes Einkommen dort hinzugeben hatte, ohne die geringste Gewähr auf gute Lebensbedingungen für ihren Nachwuchs. Damit waren nicht selten die Chancen dieser außerehelichen Kinder auf ihrem weiteren Lebensweg vergleichsweise stark eingeengt.

Die Aussagekraft der Interviews von ledigen Müttern und unehelich geborenen Kindern übersteigt deutlich die historischen Fakten, die die Historiker schriftlichen Quellen entnehmen können. Zwar können amtliche Statistiken und Taufverzeichnisse genaue Angaben vermitteln über die jeweiligen Zahlen der unehelichen Geburten in den untersuchten Orten und Regionen.

Dabei erfährt man allerdings  aus solchen Quellen nicht, was eine uneheliche Geburt für die Betroffenen in der Realität bedeutete, etwa dass die ledige Mutter als Bauernmagd nicht im geringsten geschont wurde, dass sie bis 20. Jahrhundert hinein mit dem Schandzeichen der Strohkranzes am Sonntag vor der Kirchentür zu stehen hatte. Heute kaum noch vorstellbar ist, dass es als unangemessen galt, wenn die Tauffeier des unehelichen Kindes genauso feierlich gestaltet wurde wie die eines ehelichen geborenen Säuglings. So wuchs dieses  Kind häufig unter sehr schlechten Bedingungen als „Ziehkind“ bei fremden Leuten auf, für das die ledige Mutter ihr schwer verdientes minimales Geld in der Regel komplett musste und damit jegliche Chance auf ein besseres Leben verpassen musste.