aus:
Dr. H. Meurer
Hollandsgehen mit besonderer Rücksicht auf die Lage der Heuerleute im Osnabrückischen
Um für unsre Untersuchung eine sichere Grundlage zu erhalten, wollen wir zuvor die Boden- und Einwohnerverhältnisse in den betreffenden Landesteilen, und namentlich im Osnabrückischen, näher feststellen.
- Bodenverhältnisse
Das Fürstentum Osnabrück bildet den fruchtbarsten Teil des Landdrosteibezirks gleichen Namens. Dasselbe zerfällt bezüglich Bodenbeschaffenheit in zwei ungleiche Hälften, die südliche gebirgige und die nördliche flache; jene begreift die Ämter Wittlage, Grönenberg, Iburg und Osnabrück, diese die Ämter Vörden, Bersenbrück und Fürstenau. Das Gebirgsland ist teils durch Zweige des Wesergebirges, teils durch Züge des Teutoburger Waldes gebildet, und wird, soweit es dem Fürstentume angehört, durch die Hase so geschieden, dass das Gebirgsland am linken Ufer dieses Flusses zum Teutoburger Walde, dasjenige aber am rechten Ufer zum Wesergebirge gerechnet wird. Da beide Gebirgszüge innerhalb des Fürstentums in der Hauptrichtung von Südost nach Nordwest streichen, so haben sie demnach ihre Hauptabhänge nach Süden und Südwesten, sowie nach Norden und Nordosten, und ihre zahlreichen Quertäler sind nach Süden geöffnet. Da zu dieser günstigen Lage ein guter Fruchtboden und genügende Bewässerung hinzukommen, so erfreut sich dieser Teil des Fürstentums einer erwünschten Fruchtbarkeit.
Der fruchtbarste Teil ist das Amt Grönenberg, und am meisten bevölkert, da mehr als 6.000 Seelen auf 1 Quadratmeile kommen [1]). Sein zum größten Teile hügeliger, wellenförmiger Boden ist mit dem besten Fruchtboden bedeckt und von Flüsschen und zahlreichen Bächen bewässert. Getreide- und Flachsbau werden mit dem besten Erfolge betrieben, doch hat letzterer bedeutend abgenommen.
Der angrenzende Teil des Amtes Wittlage ist, wenn auch gebirgiger, gleichfalls sehr fruchtbar und in seinen übrigen Verhältnissen dem Amte Grönenberg ähnlich. Die Brüche, welche sich hindurch ziehen, sind in ergiebige Wiesen umgewandelt worden, wodurch die Viehzucht gefördert wird. Auch hier ist die Zahl der Einwohner verhältnismäßig bedeutend. In Hunteburg, dem andern Teile des Amtes dehnen sich weite Moore, als das Venner-, Schweger-, Cappeler-, Welplager-Moor, und große unbebaute Heideflächen aus. Hier ist die Gänsezucht nicht unbedeutend.
Das Amt Iburg, der gebirgigste Teil des Fürstentums, ist fruchtbar in seinem östlichen Teile, während die südwestliche Abdachung nach dem münsterschen Flachlande hin Moore und beträchtliche Heideflächen hat. Die höheren Berggipfel sind kahl, die Abhänge, meistens gut angebaut und bewachsen, von klaren Bächen durchrieselt, sind fruchtbar und zur Wiesenkultur geeignet.
Das Amt Osnabrück ist in der Nähe der Stadt und unterhalb derselben am linken Ufer der Hase ziemlich fruchtbar, hat daneben aber noch viele Sand-, Heide- und ungebaute Bergstriche. In der Stadt und deren Nähe nimmt die Bevölkerung bedeutend zu, weil die Anlage wichtiger Eisenbahnen und zahlreicher industrieller Unternehmungen viele Arbeiter aller Art heranzieht.
In der größeren nördlichen Hälfte des Fürstentums geht das Anfangs noch wellige Hügelland allmählich in das norddeutsche Tiefland über. Der Boden ist leicht und an sich wenig fruchtbar. Eine Ausnahme machen die Niederungen der Hase und ihrer freilich nicht zu zahlreichen Zuflüsse. Hier, wo der Boden fruchtbar und ergiebig, ist auch die Bevölkerung am dichtesten. Das Artland, der fruchtbarste Teil dieser Hälfte in dem von der Hase durchflossenen Amte Bersenbrück, zählt etwa 4.000 Einwohner auf der Quadratmeile, in den übrigen Teilen wird kaum die Durchschnittszahl der Bewohner des Königreiches erreicht. Das sandige, von den Heideflächen und Mooren durchzogene Amt Fürstenau, freilich das unfruchtbarste des Fürstentums, zählt im Durchschnitt kaum 1.700 Seelen auf der Quadratmeile, Bersenbrück 2.350, währen im Landdrosteibezirke Osnabrück überhaupt im Durchschnitt 2.340 Seelen gezählt werden. Der an manchen Stellen noch unbebaute Boden könnte und müsste trotz seiner Unfruchtbarkeit viel besser ausgenutzt werden, als es geschieht. Bei gehöriger Verwertung würde er dem fleißigen Arbeiter für seine Wirtschaft noch mancherlei Vorteile gewähren.
Die Niedergrafschaft Lingen befindet sich nicht in günstigeren Verhältnissen. Amt und Stadt Lingen, zusammen 9.394 Q.-M. groß, zählten im Jahre 1867 zusammen 16.713 Einwohner, das Amt Freren auf 5.060 Q.-M. deren 11.346. Die ganze Grafschaft zählte auf einer Bodenfläche von 304.981 Morgen 185.027 Morgen unkultivierte Gemeinheiten. Eben, – nur im Süden sind unbedeutende Hügel – im Westen, Nordosten und auch im Süden von ansehnlichen Mooren durchzogen, während im übrigen Sandboden vorherrscht, sind Roggen, Hafer und Buchweizen die wichtigsten Erzeugnisse des Bodens. Der belebende Wald fehlt; nur Tannen und niedrige Buchen kommen hier fort. Freilich wird von Süden nach Norden die Grafschaft von der Ems durchflossen, welche hier einige Neben- und Beiflüsse aufnimmt, dennoch ist die Bewässerung durchaus unzureichend. Darum fehlen gute Wiesen und ist die Viehzucht unbeträchtlich. Einzelne Strecken, wie Lengerich, Freren, Schapen etc. bilden eine Ausnahme und erfreuen sich daher größerer Fruchtbarkeit. Immerhin würde für gehörige Ausnutzung des vorhandenen Wassers mehr zu sorgen sein. Emsbüren, am linken Emsufer, hat im Westen eine Hügelreihe aus Tonschiefer, an der Ems eine aus nicht fettem Lehm bestehende Niederung, sonst ist auch dieser Teil magere, flache Heide. Eie Einwohnerzahl erreicht den Durchschnitt längst nicht, wiewohl durch die Ems und dem Emskanal Handel und Gewerbefleiß der Bewohner gefördert werden.
Die Grafschaft Bentheim endlich ist durch Moore von den benachbarten Gebieten der Landdrostei Osnabrück geschieden. Die Vechte, welche die Grafschaft ihrer ganzen Länge nach durchfließt, und von Nordhorn an mit Schiffen befahren wird, bildet dagegen mit der in dieselbe sich ergießenden Dinkel eine natürliche Verbindung derselben mit den benachbarten Niederlanden, mit welchen sie daher auch in der Lebensweise der Bewohner, im Betriebe der Landwirtschaft, und zum Teile auch in der Natur des Landes Ähnlichkeit hat, wenngleich der holländische Reichtum fehlt. Der Überfluss an Torf entschädigt für den Mangel an Wäldern, welcher im größten Teile der Grafschaft herrscht. Nur im Süden, am Fuße der Ysterberge (Bentheimer Berge), welche den kostbaren „Bentheimer Sandstein“ liefern, dehnt sich zwischen Bentheim und Gildehaus der Bentheimer Wald aus, sich in nördlicher Richtung forterstreckend.
An den Ufern der Flüsse und zahlreicher Bäche, welche in dieselben fließen, ziehen sich gut bewässerte Wiesen hin, gute Weiden fördern die Rindviehzucht, der bessere Boden trägt Getreide, Rübsamen, Hanf, Flachs und Kartoffeln, und liefert davon in guten Jahren noch einen Überfluss, welcher leicht nach Holland abgesetzt wird. Brüche und Moore bedecken große Strecken Landes, daher die geringe Zahl der Bewohner. Das Amt Bentheim zählte im Jahre 1867 auf 4.796 Q.-M. nur 10.361, das Amt Neuenhaus auf 11.963 Q.-M. nur 20.131 Bewohner. Von 351.961 Morgen der gesamten Bodenfläche waren 125.702 Morgen unkultivierte Gemeinheiten.
Das ist das Land, woher die Osnabrückischen Hollandsgänger kommen; betrachten wir nun die maßgebenden Verhältnisse seiner Bewohner!
[1] Durchschnittlich kommen in Deutschland 3.600, in Hannover 2.750 Seelen auf 1 Q.-M.