“Moffen, Pupen, Speckfreeter”

Ausstellung „Tödden & Hollandgänger“ in Lingen eröffnet

Artikel der Lingener Tagespost vom 24. Oktober 2018

Die Ausstellung besitzt augenscheinlich große Anziehungskraft. Willi Brundiers, Vorsitzender des Museumsvereins im Emslandmuseum in Lingen, konnte bei der Eröffnung ein volles Haus begrüßen. Eng verknüpft mit der hiesigen Regionalgeschichte, ranken sich viele Überlieferungen und Mythen um diese frühen Saisonarbeiter und ihr kümmerliches Dasein. Trotzdem brachte es auch einigen wenigen außergewöhnlichen Reichtum. Ein aktuelles Thema, denn es handelte sich schon im vorletzten und letzten Jahrhundert um etwas, was wir heute als „Arbeitsmigration“ bezeichnen. Menschen überschreiten Grenzen, um ihr Dasein und das Überleben ihrer Familien zu sichern.

Brundiers wies darauf hin, dass bereits zur Eröffnung des Emslandmuseums 1993 dieses Thema im Mittelpunkt stand. Das Thema „Hollandgänger“ betreffe nicht nur das Emsland, sondern auch angrenzende Gebiete im Norden und Süden sowie die niederländischen Provinzen Drenthe, Groningen und Friesland. „Hochschulen, Archive und Museen bilden einen starken deutsch-niederländischen Forschungsverbund, ein „Geschichtsnetzwerk“, um das Thema zu beforschen.“

Zurzeit stehe das Thema „Migration“ zwischen Deutschland und den Niederlanden im Mittelpunkt, ein Forschungsband sei herausgegeben und Tagungen wurden durchgeführt. Die Ergebnisse stehen nun im Emslandmuseum auf Tafeln in schriftlicher Form zur Verfügung, ergänzt durch eine Vielzahl von Bildern, Fotografien, Dokumenten und einem Film.

Dr. Andreas Eiynck vom Emslandmuseum erklärte das Vorgehen zur Erstellung des Ausstellungskonzeptes gemeinsam mit Museumsleiter Henk Dijkstra vom Fries Landbaumuseum in Leeuwarden: „Wir haben uns an Originaldokumente und wissenschaftlich abgesicherte Forschungsstände zur Geschichte der ,Hollandgängerei‘ gehalten.“ So seien die Prozessakten zum Mordfall des bei der Rückreise aus Holland heimtückisch getöteten Hermann Langeborg aus Andervenne durch den sogenannten „Knapp Gerd“, eigentlich Gerhard Kruis, eine sehr verlässliche Darstellung der sozialen Situation der Hollandgänger.

„Habenichtse“

„Es waren die „Habenichtse“ einer großen Familie, denn der älteste Sohn erbte den ungeteilten Hof, und seine Geschwister wurden in der Regel arme Heuerleute, die zum Geldverdienen als Saisonarbeiter zum Gras- und Roggenmähen ins benachbarte reiche Holland gingen“.

Auf Wanderschaft seien auch die Kaufleute der Region gegangen, die „Tödden“. „Wir haben uns als Beispiel an die Familie Brenninckmeijer aus Mettingen gehalten, heute weltweit bekannt als Textilkonzern C&A. Ihr Nachlass bietet einen wahren Schatz zur Geschichte des grenzüberschreitenden Bauchwarenhandels mit Billigware, die in Holland teurer verkauft wurden.“

Kein Zweifel ließ Eiynck am Schicksal der Wirtschaftsflüchtlinge von damals und der Situation von heute. „Die Ursachen waren damals und heute der Überlebenskampf durch Arbeit in reichen Ländern.“ Ein Blick in die Vergangenheit könne sehr nützlich sein, merkte er an, die Zusammenhänge von Armut und Reichtum in der Welt sowie von Heimat und Fremde machen deutlich, dass einst die Verachtung in den Niederlanden in Ausdrücken wie „Moffen, Pupen und Speckfreeter“ lag und heute bei uns in dem Terminus „Wirtschaftsflüchtlinge“. Die Erfahrung solle uns Besseres lehren.

Bis zum 3. Februar 2019

Die zum Nachdenken anregende Ausstellung ist noch bis zum 3. Februar 2019 im Emslandmuseum zu sehen, anschließend im Fries Landbau Museum in Leeuwarden, der Kulturhauptstadt Europas in diesem Jahr.