Die Gründung der Kolonie Firrel

10. Oktober 2016                                                                                                   Seite 591

Von Johann Wilken

 Wie auch andernorts hatten die Bauern im Geestdorf Bagband im 18. Jahrhundert ihre nicht unbedingt selbst benötigten Räume verheuert.

Bei den in diesen Kammern wohneneden Heuerleuten und Heuerfamilien handelte es sich vorwiegend um Tagelöhner und Handwerker, die keinen eigenen Grundbesitz hatten.

Selbstlos war für die Bauern das Verheuern nicht, denn neben einer zu zahlenden Vergütung waren die Heuerleute mit ihren Familien zur Mithilfe in deren Landwirtschaft verpflichtet.

 Dies galt insbesondere für die Saisonarbeiten, also für die Mäh- und Erntezeiten. Dies mußte zwangsläufig zu Konflikten führen, denn gerade in diesen Zeiten gab es auch für die Tagelöhner mehr Möglichkeiten woanders Einkünfte zu erzielen. Als Hollandgänger bei der Grasmad in den Niederlanden wäre ihnen ein verhältnismäßig hoher Tageslohn sicher gewesen. (…)

 Die Abhängigkeit des Heuerlebens war sehr bedrückend und so verspürten sie immer mehr den Wunsch sich auf dem Firrel anzusiedeln und dort bei ihren Buchweizenäckern eigene Häuser zu bauen.

Auf dem Firrel, damit war der schmale Sandrücken gemeint, der sich vom Barther Klostergelände aus einige Kilometer in den Firreler Morast erstreckte. Unmittelbar an diesem Sandland angrenzend hatten sie ihre Buchweizenfelder angelegt.

 Mit diesem Anliegen wandten sie sich in Bagband an Pastor Melle, der sich Anfang September 1762 als alleruntertänigster Fürbitter für die Interessenten stark machte und bei der Kammer in Aurich einen entsprechenden Antrag einreichte. Da einige, an der Zahl zehn Personen (…), welche hier zu Bagband zur Heuer wohnen und wegen der engen Behausung allhier keine solchen Plätze mehr bekommen können, gesonnen sind sich im sogenannten Firreler Morast anzusetzen… Häuser zu bauen und sich mit ihren Familien daselbst niederzulassen, teilt Pastor Melle der Behörde mit. Die Häuser sollten auf dem Sandland vor den Buchweizenäckern gebaut werden. Das typische Kennzeichen einer Geestmoorrandsiedlung.
Die Kammer stand dem Antrag der Bagbander wohlwollend gegenüber und bestellte alle Interessenten für den 13. September 1762 zu einer mündlichen Verhandlung.(…)

 Das Gespräch verlief produktiv und für den 13. Oktober 1762 wurde ein Ortstermin zur Vermessung der ersten Firreler Erbpachtgrundstücke vereinbart. Das wichtigste Ergebnis für die neuen Anbauer war ein Weiderecht für die Kloster Barther Weide. Danach durfte jeder Kolonist vier Stück Vieh auf die Weide treiben. Denn ohne Vieh war eine Düngung der neu kultivierten Grundstücke nicht möglich. Während der einmonatigen Frist sollten sich noch weiteren Interessenten für ein Erbpachtsgrundstück melden können, die dann allerdings nachweisen mußten, dass sie seit mindestens vier Jahren im Firreler Morast einen Buchweizenacker hatten.

 Bald darauf zogen die ersten Kolonistenfamilien ins Firreler Moor und 1764 waren bereits vier Häuser errichtet. Als 1769 für die Abgabenerhebung eine Aufnahme erstellt wurde, gab es in Firrel 13 Häuser und eine Hütte. Die Kolonisten waren mit Eltern und Kinder umgesiedelt, so daß die Kolonie von Anfang an sehr volkreich war. Der Schrecken des abhängigen Heuerlebens muß bleibenden Eindruck hinterlassen haben.

 Denn die jüngere Generation wurde von den Eltern stets ermahnt:

 “Paß blot up, dat du nich in`t Heurkammer kummst. Wenn du erst in`t Heurkammer sitzt, dor kummst du noit wer ut!”

 Der Bagbander Kirchengemeinde mit Pastor Melle und seinem Nachfolger Johann Conrad Janssen hatten die Firreler viel zu verdanken. Durch deren Fürsprache und der persönlichen Verantwortung der Bagbander Armenvorsteher war die Anlage der jungen Kolonie im Firreler Moor wahrscheinlich erst möglich geworden. Deshalb war es für die Kolonisten auch selbstverständlich, daß sie der Kirchengemeinde Bagband angehörten. Umso erstaunter waren sie, als 1766 der Pastor und der Schulmeister der Kirchengemeinde Hesel bei den Kolonisten Johann Hinrichs und Gerd Gerdes versuchten “per Mandatum” durch Stickhauser Beamten die Michaelisgefälle(*) eintreiben zu lassen. Die Firreler wandten sich umgehend an die Kammer und beriefen sich darauf, daß ihnen bereits im Gespräch am 13.09.1762 die Zugehörigkeit zur Kirchengemeinde Bagband zugesagt worden sei. Außerdem seien sie alle, bis auf einen, aus Bagband gebürtig.

 Des Handels und der Armen wegen hätten sie mehr von Bagband als von Hesel zu erwarten. Von der Kammer wurde ihnen dann allerdings mitgeteilt, daß eine solche Zusage nicht protokolliert worden sei. Auch könne dies vonseiten der Kammer nicht zugesagt worden sein, denn für die Zugegörigkeit zu einer Kirchengemeinde sei ausschließlich das Konsistorium zuständig. Danach blieb es dann dabei, dass die Kolonie Firrel, obwohl sie eine fast ausschließlich Bagbander Gründung ist, zum Kirchspiel Hesel gehörte.

Wenn alteingesessene Firreler nun aus den genannten Namen nicht gleich ihre Vorfahren entdecken können, so liegt das daran, dass die Interessenten noch patronymisch benannt waren. Der zweite Name ist also kein Familienname, sondern jeweils der Vorname des Vaters. Nur Wemken und Arkeboer sind Familiennamen, was bei beiden auf eine Tätigkeit für das Amt Stickhausen hindeuten könnte. Denn erst die französischen und hannoverschen Gesetze verpflichteten auch die einfachen Ostfriesen zum Führen von Familiennamen. Deshalb besann sich die Familie von Johann Hinrichs wieder auf ihren alten Familiennamen, den sie schon als Hugenotten geführt hatten und nannten sich ab folgender Generation wieder Kayser. Als bei seinem Schwager Gerd Gerdes der Sohn eines Bagbander Kupers einheiratete, führten seine Nachfahren die Berufsbezeichnung Kuper (Faßmacher) als Familienname. Für die anderen Firreler Familien lassen sich solche Zusammenhänge in ähnlicher Weise nachweisen.

Veröffentlich in OZ Heimatbeilage “Unser Ostfriesland” Nr. 11 vom 08.06.2000
Quellen und Literatur: Staatsarchiv Aurich, Rep. 6, Nr. 2747;

http://www.firrel.com/index.php?option=com_content&view=article&id=52&Itemid=81