Historische Eingebundenheit

Die Entstehung und die verschiedenen Ausprägungen des Heuerlingswesens waren abhängig von vielen Faktoren, die nicht nur in der Region Nordwestdeutschland lagen. 

Nordwestdeutschland

1600 – 1700

Viele Bauern verließen wegen Plünderung und Morde ihre Höfe, die wurden “wüst”. Der Adel brauchte jedoch dringend Geld, das er vornehmlich nur über “seine ” Bauern erhalten konnte. Die Bevölkerung wuchs nun und das Heuerlingswesen entstand.

Deutschland

1600 – 1700

Nach dem 30jährigen Krieg zogen marodierende Söldnerbanden durch die Lande.

Europa/Welt

1600 – 1700

Die europäischen Kolonialstaaten teilten die übrige Welt unter sich auf. Für die Niederländer begann das “Goldene Zeitalter”, sie wurden zur stärksten Handelsmacht. Entsprechend orderten sie Arbeitskräfte, das waren vornehmlich Heuerleute aus Nordwestdeutschland.

1700 – 1800

Die Hollangängerei entwickelte sich immer mehr
unter den Heuerleuten und wurde zu einer wichtigen Einnahmequelle.
Außerdem bauten sie vertärkt Flachs an und verarbeiteten ihn zu Leinen.
Die Kartoffel ergänzte zunehmend das Nahrungsangebot.
Die Bevölkerung wuchs weiter an.

1700 – 1800

Deutschland bestand in diesem Jahrhundert noch aus mehr als 300 Kleinstaaten. Es wurden insgesamt 21 Kriege geführt. Der Adel hatte weiterhin die Macht und betrachtete die Untergebenen, die zu einem Großteil in und von der Landwirtschaft lebten, als „Eigenhörige“. Die Bewohner der Städte waren dagegen frei. Dort allerdings hatten die Zünfte Einfluss und begrenzten den .Zuzug vom Lande. Es ist aber auch die Zeit von Mozart und Beethoven in der Musik.
Goethe und Schiller prägen dieses Jahrhundert in der Dichtkunst.

1700 – 1800

Die Niederlländer entwickelten mit der Ostindienkompanie (VOC) den ersten Weltmulti und beherrschten die Weltmeere mit ihrer Handelsflotte. So konnten sie die personalintensiven Schiffsbesatzungen weder für den Asienverkehr noch für die aufkommende Walfangflotte aus ihrer eigenen Bevölkerung rekrutieren

1800 – 1900

Insbesondere durch den Machteinfluss Napoleons (Kontinentalsperre) verloren die Niederländer ihre wirtschaftliche Vormachstellung.
– Der Hollangang lohnte sich nicht mehr so
– Die Preise für Leinen fielen drastisch durch die Einfuhr von billiger Baumwolle
– Durch die mechanischen Westühle zahlte sich Arbeit an den Handwebstühlen nicht mehr aus.
– Die Markenteilung nahm den Heuerleuten eine wichtige Futtergrundlage
– Weiteres Bevölkerungswachstum bedingte, dass mehrere Heuerlingsfamilien in einem Heuerhaus untergracht werden mussten.
– Mehrere Hungersnöte verschlechterte die Lage zusätzlich
– Viele Heuerleute wanderten nach Nordamerika aus.
Auf der anderen Seite entwickelten sich die sog. Industrieheuerlinge.

1800 – 1900

In Deutschland setzte die Industrialisierung etwa ab 1850 in zunehmendem Maße ein. Vorher kannte man schon die sog. Protoindustrie. Das war auf ein Verlagssystem angewiesenes Heimgewerbe vor allem im Bereich der Tuchherstellung. Durch die zunehmend eingeführte billige Baumwolle aus Übersee und die entstandenen Fabriken mit mechanischen Webstühle verfielen die Preise fast völlig und die besitzlose ländliche Bevölkerung geriet in Armut (Weberaufstände in Schlesien). Industriezentren, wie insbesondere das Ruhrgebiet, entstanden und immer mehr Menschen fanden dort Arbeit und zogen vom Lande in die Stadt.

1800 – 1900

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts begann insbesondere in England die Industrielle Revolution.
Erfindungen auf dem Gebiet der Antriebstechniken (Dampfmaschine) und der Arbeitsmaschinen (z. B. mechanischer Webstuhl) veränderten die Lebensbedingungen vieler Menschen erheblich.
Im Kohlebergbau und in der Eisen – und Stahlherstellung fanden besitzlose Landarbeiter eine neue Beschäftigung.
Allerdings waren die Lebensbedingungen dieser Proletarier alles andere als gut. So wanderten nicht nur Heuerleute nach Nordamerika aus. Großbritanien baute seine enorme Kolonialmacht weiter aus zum britischen Empire und Commonwealth, zu dem zeitweise ein Viertel sowohl der Erdbevölkerung und als auch der Landoberfläche unseres Globus gehörte.

1900 bis etwa 1960

Eine enorme Veränderung in der gesellschaftlichen Stellung der Heuerleute trat ein, als sie bei den Wahlen nach dem 1. Weltkrieg ihr volles Stimmrecht erhielten und alle Frauen nun auch wählen durften.
Da die Heurleute in vielen Bauerschaften die Mehrheit der Bevölkerung ausmachte, kam es zu politischen Verschiebungen.
Heuerlingsverbände gründeten sich und stellten Forderungen an die Bauern auf.
Mit der Machtergreifung der Nazis wurde jegliches Aufbegehren der Heuerleute unterbunden.
In den Jahren des Wirtschaftswunders verschwand das Heuerlingswesen total. Die bisher landlosen Abhängigen fanden außerhalb der Landwirtschaft Lohn und Brot.