Ein neues wissenschaftliches Handbuch beschäftigt sich mit den Heuerleuten in der Weimarer Republik

Dr. Christian Westerhoff berichtet darüber in

https://www.om-online.de/om/ein-blick-zuruck-ins-jahr-1902-die-vergessenen-landarbeiter-98021

https://www.wlb-stuttgart.de/sammlungen/bibliothek-fuer-zeitgeschichte/kontakt/dr-christian-westerhoff/

Auszüge daraus:

Das Heuerlingswesen prägte über 3 Jahrhunderte weite Teile Nordwestdeutschlands. Heuerleute pachteten von einem Bauern ein Haus und ein Stück Land und mussten im Gegenzug auf dessen Hof arbeiten.

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Im Fokus der Wissenschaft stehen Heuerleute kaum

Dennoch ist ihre Geschichte von Historikern bisher eher stiefmütterlich behandelt worden. Während das Heuerlingswesen in Ortschroniken und regionalgeschichtlichen Darstellungen immer wieder Erwähnung findet, blieb insbesondere seine Entwicklung im 20. Jahrhundert von der universitären Geschichtswissenschaft bisher weitgehend unbeachtet.

Dies dürfte zum einen damit zu tun haben, dass das Heuerlingswesen nur in Nordwestdeutschland existierte. In anderen Regionen Deutschlands bestimmten entweder Kleinbauern vor oder es gab wie in Ostelbien Landarbeiter ohne eigenen landwirtschaftlichen Betrieb. Zum anderen standen Landarbeiter wesentlich weniger im Fokus der Wissenschaft als Industriearbeiter, die sich mittels der Arbeiterbewegung zu einem nicht unwichtigen Akteur auf der politischen Bühne entwickelten.

Neues Handbuch widmet sich oft übersehenen Aspekten der Geschichte

Nun aber geht ein neues wissenschaftliches Handbuch der Weimarer Republik zumindest kurz auf das Heuerlingswesen ein. Das von Professor Dr. Benjamin Ziemann (Universität Sheffield) und Dr. Nadine Rossol (Universität Essex) herausgegebene Buch erscheint sowohl auf Deutsch als auch in englischer Sprache. Die englische Version erscheint beim renommierten Verlag Oxford University Press.

Das Buch nimmt oft übersehene Aspekte der deutschen Geschichte in der Zeit von 1918 bis 1933 in den Blick. Dazu gehören auch das Schicksal und das politische Verhalten der Landarbeiter, die in dieser Zeit noch immer einen nicht unbedeutenden Teil der Bevölkerung ausmachten. Denn die Weimarer Republik war eben nicht nur das rauschende Nachtleben der Großstadt Berlin, das wir aus der Fernsehserie „Babylon Berlin“ kennen, sondern viele Menschen lebten nach wie vor in der Provinz.

Benjamin Ziemann beschreibt in seinem Beitrag zu Landwirtschaft und ländlicher Gesellschaft die zunehmende Enttäuschung vieler Landarbeiter über ausbleibende Verbesserungen ihrer Lage und die daraus resultierende Radikalisierung, die viele zu Feinden der ersten deutschen Demokratie werden ließ. „Die sozialpolitischen Errungenschaften der Republik blieben für die Landarbeiter im ostelbischen Preußen begrenzt, denn auch die SPD stellte die Interessen der städtischen Arbeiter, die Konsumenten von Lebensmitteln waren, in das Zentrum ihrer Politik“ erläutert Ziemann im Gespräch.

Heuerleute nutzen die Möglichkeiten der Demokratie

Ganz anders verhielt sich die Situation bei den Heuerleuten – eine Ausnahme, die laut Ziemann eine Erwähnung verdient. Die Heuerleute hatten die neuen Möglichkeiten der Demokratie schnell genutzt und nach der Novemberrevolution Interessenvertretungen gebildet, die sich für ihre Belange einsetzen.

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Standhafte Befürworter und Verteidiger der Republik

Etwa 2000 Heuerleute sollen damals vor dem Nichts gestanden haben. Die Verbände der Heuerleute dankten es der Weimarer Republik und blieben bis 1933 „standhafte Befürworter und Verteidiger des republikanischen Staates“, wie Benjamin Ziemann es in seinem Buch formuliert. Der Reichslandbund, der die Interessen der Verpächter vertrat, fand sich hingegen schon früh im Lager der Demokratiefeinde wieder. Insofern handelt es sich bei der Heuerlingsbewegung um eine „Ausnahme und eine Erfolgsgeschichte, die nicht vergessen werden sollte“, so Ziemann.

Autor Ziemann stellt sein Werk am 17. Januar online vor

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  • Info: Die Würdigung der Heuerlingsbewegung findet sich im Buch „Aufbruch und Abgründe. Das Handbuch der Weimarer Republik“, herausgegeben von Nadine Rossol und Benjamin Ziemann (Verlag: wbg). Die englische Version „The Oxford Handbook of the Weimar Republic“ ist bei Oxford University Press erschienen.

    • Professor Benjamin Ziemann stellt am 17. Januar (Montag) um 18 Uhr sein Buch im Rahmen der Vortragsreihe der Bibliothek für Zeitgeschichte in der Württembergischen Landesbibliothek vor. An der Veranstaltung kann ohne Anmeldung online teilgenommen werden über den Zugangslink: https://wlbstuttgart.my.webex.com/meet/wlb-stuttgart