So sahen sich die Bauern selbst

 

Es wurde von älteren Zeitzeugen immer wieder darüber berichtet, dass etliche Bauern sich im Bereich ihres Hofes nach  der Ablösung aus der Eigenhörigkeit im Laufe des 19. Jahrhunderts selbst wie  „kleine Fürsten“ vorgekommen seien. Und so sprachen sie auch sehr selbstbewusst mittlerweile bei ihren Knechten und Mägden und selbst bei ihren Heuerleuten von „use Lüe“, von „unseren Leuten“. Das ging in einigen Gegenden so weit, dass eine Magd oder ein Knecht bei der Anstellung auf einem Bauernhof den eigenen Familiennamen verlor: Wenn also Gertrud Müller auf dem Hof Meyer eine Arbeitsstelle annahm, so hieß sie fortan etwa Meyers  Gertrud. Gab es in der Familie Meyer selbst schon eine Gertrud, dann wurde auch der Vorname der Magd noch geändert. So konnte aus Gertrud Müller Meyers Katharina werden.

Gegenüber der Bevölkerung im benachbarten Kirchdorf war der besitzende Bauer in aller Regel in einer besseren gesellschaftlichen Position. Er konnte aus seiner landwirtschaftlichen Produktion zunehmend in das Dorf und darüber hinaus seine Erzeugnisse verkaufen. Damit war er für verschiedene dörfliche Berufszweige (wie z. B. Schmied, Kutsch- und Wagenbauer, Landmaschinenhersteller) der wichtigste Kundenkreis. Während der Großteil der Bewohner der Kirchdörfer als Handwerker und Kaufleute bis nach dem Zweiten Weltkrieg noch Ackerbürger waren und auf ihren im Vergleich zu den umliegenden Bauern kleinen landwirtschaftlichen Flächen sich  in weiten Teilen noch selbst versorgen mussten, leiteten die Ackerbauern ihr besonderes Selbstbewusstsein allein schon über ihren größeren Besitz ab. Auch gegenüber der städtischen Bevölkerung sahen sich viele Bauern in einer gesellschaftlich besseren Position, so sprach man eher abfällig von den „Städtkern“.

Mehrere ältere Bauern antworteten auf die Frage, warum denn nichterbende Söhne von Landwirten lieber das Los eines unverheirateten Onkels auf dem elterlichen Hof annahmen als in einen Handwerksberuf zu treten: „Datt was to minn!“ In der deutschen Fassung ausgedrückt heißt das, dass eine solche Lebensform unter dem gesellschaftlichen Niveau der bäuerlichen Abstammung lag. Dann übernahm der abgehende Bauernsohn doch lieber eine Heuerstelle als letzten Ausweg zu einer Familiengründung.