Warum nicht in die Stadt?

Dazu findet sich eine mögliche Antwort auf einer Schautafel im Kreismuseum Bersenbrück:

Durch den Wandel zum Industriestaat und das damit verbundene Riesenwachstum der Städte entstand ein ungeheurer Bauboom. Benötigt wurden vor allem Wohnungen für Arbeiter. Die innerhalb kürzester Zeit errichteten Mietskasernen enthielten ungesunde Kleinstwohnungen, davon rund 10 % als Kellerwohnungen. Berlin (826.341 Einwohner 1871) wurde zum größten Mietskasernenstadt der Welt. Zwei Drittel der Bewohner aus den kleinen Wohnungen mit höchstens zwei beheizbaren Stuben. 162.000 von ihnen hausten in kleinen Wohnungen, bestehend aus Stube und Küche, durchschnittlich mit sieben Personen belegt. Geringer Lohn ohne soziale Absicherung verschärfte das soziale Klima. Vom 17. Juni bis 28. Juli 1872 streikten im Ruhrgebiet 20.000 Arbeiter für höheren Lohn und Achtstundenschicht. Aus Aktionen gegen das Wohnungselend entwickelten sich vom 26. bis 28. Juli 1872 in Berlin Straßenschlachten mit der Polizei. Spontanes Aufbegehren gegen die Notlage führte in Nürnberg und Braunschweig (1871) zu „Brotkrawallen“, zum „Butterkrawall“ (1872) in Halberstadt und zum „Bierkrawall“ (1872/1873) in Würzburg und Frankfurt am Main.

Die Erfolge der Arbeitnehmerbewegung beunruhigte die Reichsregierung zunehmend. Der Stimmenanteil der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands betrug bei den Reichstagswahlen 1877 bereits 9,2%. Gegen die „rote Gefahr“ trat 1818 das „Sozialistengesetz“ (“Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“) in Kraft. Durch dieses Gesetz wurden die Partei – und Gewerkschaftsorganisationen sowie deren Zeitungen und Druckschriften verboten, die polizeilichen Vollmachten wesentlich erweitert. Unmittelbar danach brachte Bismarck, um die Arbeiterschaft auf seine Seite zu ziehen, die Sozialgesetzgebung auf den Weg. Das wurde ihm jedoch als „kollektive Massenbestechung“ ausgelegt.

1890 war mit über 1000 Streiks das Jahr mit den größten Streikaktivitäten in Deutschland. Vom 4. Mai bis 6. Juni streiken im Ruhrgebiet 150.000 Bergarbeiter. Nach Beschwichtigungsversuchen der preußischen Regierung wurde Militär eingesetzt. Der starke politische Druck führte dazu, dass der Reichstag eine Verlängerung der „Sozialistengesetze“ am 25. Januar 1890 mit 169 gegen 98 Stimmen ablehnte.

Der Moloch Staat zerstörte die Sehnsucht nach bürgerlicher Harmonie. Die Stadt wurde zum Kriegsschauplatz, in der die Gegensätze zwischen Bürgertum und Proletariat mit Gewalt aufeinanderprallten. Die Großstadt wurde zum Feind bürgerlicher Großstädter.

Verfasser: unbekannt