Diese Grundrisszeichnungen sagen auch etwas aus über den jeweiligen wirtschaftlichen und sozialen Status der Hausbewohner.
Bedrückende Enge
Die Häuser, in denen die Heuerlinge lebten, waren im Vergleich zu denen der besitzenden Bauern klein. Die Grundfläche betrug in der Regel 1/5 zur Größe des Hofgebäudes. Wenn man dann bedenkt, dass über etliche Jahrzehnte etwa bis zur Auswanderung Mitte des 19. Jahrhunderts etliche Heuerhäuser angesichts der starken Bevölkerungswachstums mit zwei Familien belegt waren, dann kann man nur von überaus beengten Wohnverhältnissen sprechen. Aber auch bei Familien mit 5 bis 10 Kindern und mehr, zwei bis drei Kühen und mehreren Schweinen war auf diesem kleinen Raum kein Platz mehr frei.
Alte Frau in einem Wandschrank als Bett Foto: Kreisheimatmuseum Bersenbrück (Robben)
Dennoch: Die ersten Heuerhäuser waren Ein – Raum –Bauten, bevor ein Kammerfach angebaut wurde. So fehlte der Keller, der später unter der Upkammer angelegt wurde. So mussten viele Lebensmittel, welche leicht einfroren, in der Durk (Butze) unterhalb des Bettes oder unter den Kissen, in den provisorischen Schränken und in den Ecken aufbewahrt werden. Alles, was die Familie während des Winters an Nahrungsbedarf hatte, musste so auf einem kleinen Raum zusammengedrängt gelagert werden.
Lieber im Mief ersticken als erfrieren
Der Dunst davon musste oft monatelang ertragen werden. Dazu kam noch der Staub der Spinnräder, die Ausdünstung der Menschen und der Tiere bei Tage und bei Nacht. Man muss sich heute wundern, wenn die Bewohner in einem solchen Raum noch gesund blieben. So ist es nicht verwunderlich, dass die Sterblichkeit unter diesen misslichen Umständen sehr hoch war. So musste damals durch eine Verordnung durchgesetzt werden, dass in jedem Zimmer wenigstens ein Fenster sein musste, welches geöffnet werden konnte.
Außentemperatur – fast gleich Innentemperatur
Die dünnen Lehmwände boten keinen ausreichenden Schutz gegen die eindringende Kälte im Winter. Zwar gab am Kopfende der Diele im Winter das Feuer der offenen Herdstelle eine gewisse Strahlungswärme ab, aber dafür zog es auch überall im Haus.
Hermann Kaiser beschreibt in seinem Buch Herdfeuer und Herz Gerät im Rauchhaus wohnen damals (Cloppenburg 1980), dass nach einer wissenschaftlichen Untersuchung in einem landwirtschaftlichen Gebäude in Visbek 1974 unter Originalumständen nachgewiesen werden konnte, dass trotz der Feuerung und der Abwärme der Tiere die Außentemperatur dadurch lediglich um vier bis sechs Grad Celsius angehoben werden konnte. Das bedeutete dann, dass bei -10 Grad Celsius außen lediglich eine Raumtemperatur von -4 Grad im Inneren herrschte. Wie sollten dort Neugeborene und kleine Kinder, aber auch alte Menschen den Winter überstehen?
Leben im Qualm – Rauchhaus
Für uns heute unvorstellbar ist es auch, dass diese Katen über keinen Schornstein verfügten. Der Rauch musste sich seinen Weg selbst suchen und so zog er dann über die lose Dielendecke irgendwo zum Dach hinaus (Jacobi/Ledeburg S. 8). Das bedeutete aber gleichzeitig, dass über den umgekehrten Weg der Wind ins Haus blasen konnte. Bei widrigem Wetter zog es also kräftig im Heuerlingshaus.
Erste schornsteinähnliche Rauchabzüge wurden aus einem Lehmgeflecht hergestellt. Als dann später die Schornsteine richtig gemauert wurden, entstand der Bosen. Das war ein zusätzlicher Rauchfang, der unter der Decke angebracht war. In diesem Bereich konnten Würste und Schinken zum Räuchern aufgehängt werden.
Über der Feuerstelle lag ein dicker Eichenbaum. Er wurde Hohlboom oder Hahl genannt. Hieran war eine Kette mit einer Klinke befestigt, die man hoch und niedrig stellen konnte. Daran hing der kupferne Wasserkessel oder ein Kochtopf aus Gusseisen mit Henkel. Neben dem Feuer befand sich auch ein dickes eisernes Gestänge, dass man nach allen Richtungen drehen konnte. Diese Kochmöglichkeit ließ natürlich nur Eintopfgerichte zu.
Warum hat sich das für den Menschen so ungesunde Rauchhaus teilweise bis zum Beginn 20. Jahrhunderts gehalten?
Denn einen Schornstein konnte man längst bauen.
Das hatte offensichtlich mehrere Gründe:
- So konnte das Fleisch aus der Tierschlachtung durch den Rauch haltbar gemacht werden.
- Das oben eingelagerte Heu und ungedroschene Getreide wurde auf diese Weise nachgetrocknet. Damit konnte eine Selbstentzündung durch eine gefährliche Eigenerhitzung weitgehend verhindert werden.
- Der ständige Rauch war auch eine wirksame Waffe gegen Getreideschädlinge wie den Kornkäfer, der in wenigen Wochen den gesamten Lagervorrat hätte vernichten können.
- Aber auch der vernichtende Holzkäfer konnte so erfolgreich bekämpft werden. Seine zerstörerische Art kann an dieser Dachlatte gezeigt werden: Hier wurde das Mehl (der Kot) ausgeklopft und die ganze Instabilität wird deutlich.
Fotos: Archiv Robben
Hier ist das Mehl noch eingelagert und täuscht eine gewisse Stabilität vor.
Foto: Wikimedia Commons
Und das ist er: Der Holzbock, der im Rauchhaus keine Chance hatte für sein zerstörerisches Werk…
Kaum zu glauben – Das Trinkwasser
Unsere moderne regionale Trinkwasserversorgung ist seit mehreren Jahrzehnten Standard. Ältere Zeitzeugen erinnern sich aber noch daran, wie unterschiedlich die Wasserqualitäten waren, als jeder auf die Wassergewinnung direkt vor der eigenen Haustür angewiesen war. Dort gab es vielfach große Probleme.
Dieser unhaltbare Zustand war auch nach dem 2. Weltkrieg noch anzutreffen, wie ihn der Mediziner Carl-Heinz Conrad über die Trinkwasserversorgung in den ländlichen Bezirken des Bentheimer Landes 1934 beschrieb. Seit Jahrhunderten hatte sich da kaum geändert:
Der größte Teil, vor allem die ländliche Bevölkerung, bedient sich der Ziehbrunnen, die oft mit primitiven Schöpfmitteln versehen sind. Hier herrschen jedoch teilweise die schlimmsten Zustände und die unhygienischsten Verhältnisse. Nur die wenigsten Brunnen sind mit Zementreifen eingefasst und abgedeckt. In den allermeisten Fällen, und da eben bei der ländlichen Bevölkerung, finden wir alte verfaulte Holzeinfassungen. Der Brunnenschacht ist entweder gar nicht oder mit Torf ausgekleidet. Das Wasser ist häufig verschmutzt und verdreckt und sieht stellenweise tee- bis kaffeebraun aus. Oft genug sind die Brunnen verhaucht, da sie in der Nähe der Misthaufen liegen (Conrad S. 22).
Der Filmautor Hans Weiszbach kam Anfang der 1950er Jahre in die Region, um die Veränderung der Landschaft und des Lebens in Nordwestdeutschland durch das Wirken der Emsland GmbH zu dokumentieren. Er berichtete darüber in drastischen Worten:
Ich war Gast in einer abgelegenen Moorkate, die keinen Rauchabzug hatte, einer Kate, in der das Torffeuer auf dem blanken Boden der Wohn- und Schlafstube brennt – drei Schritte entfernt von Stall und Heuboden im selben Raum. Unter dem Eisenkessel schwelte das Torffeuer und ließ seinen seltsam würzigen Rauch im Raume stehen, Wände und Dachbalken im Laufe der Jahrhunderte in die Härte des Eisens verwandelnd. Die Zeit stand still.
Ich mußte Tee trinken mit der Uralten und der Jungen, die sie versorgte. Ich sage: ich mußte. Die Gastlichkeit durfte ich nicht verletzten – aber! Das Wasser – es gibt da Wasser, blankes Moorwasser, das aus dem Sloot gehoben wird – braunes Wasser, bei dessen Anblick es einen schaudert (Weiszbach S. 10-11).
Licht – Im Winter trostlose Mangelware
In Erzählungen von früheren Zeiten kristallisiert sich immer wieder heraus, dass die Sommerzeit nicht nur wegen der Wärme so geschätzt war. Man verbrachte auch die Abendstunden gerne draußen, so wurde diese Zeit genutzt, um insbesondere Flachs zu verarbeiten. Im Winter dagegen fehlte etwas sehr Wichtiges: die nötige Beleuchtung.
Der Adel und die reichere Stadtbevölkerung konnten hier auf Wachskerzen zurückgreifen. Die ärmere Landbevölkerung musste sich in aller Regel begnügen mit dem spärlichen Licht, dass das offene Herdfeuer bot.
In den Jahren ab 1860 kam aus Amerika das ungereinigte Petroleum auf. Das war ein enormer Fortschritt in der abendlichen Beleuchtung der dunklen Tageszeit. Allerdings hatte die Verwendung von Petroleums nicht nur Vorteile: Es entstanden beim Leuchten eine Menge unverbrannter Stoffe, die sich überall im Raum als unangenehmer Staub niederließ. Selbst die Menschen im Raum wurden eingeschwärzt. Bevor sie ins Bett gingen, mussten sie sich waschen und das gleich mehrmals, sonst war das Bettzeug am nächsten Morgen deutlich gekennzeichnet von dem Ruß. Erst als dann gereinigtes Petroleum auf dem Markt war, erledigte sich das Problem mit der Beleuchtung in den Augen vieler Menschen damals weitgehend. Als jedoch dann zwischen dem 1. und 2. Weltkrieg und teilweise erst danach das elektrische Licht eingeführt wurde, wusste man gerade die besondere leuchtende Errungenschaft der hellen Lampenbirne besonders zu schätzen