Das problematische Verdingwesen in der Schweiz
Eine gebürtige Emsländerin ist in der Schweiz verheiratet.
Sie berichtet:
Mama hat uns oft vom Leben der Heuerleute erzählt.
Nun zu den Verdingkindern in der Schweiz.
Dieses düstere Kapitel Schweizer Geschichte ist in den letzten zehn Jahren immer wieder Thema in den Medien gewesen. Siehe dazu die verschiedenen Beiträge im Internet!
Derzeit wird politisch eine Wiedergutmachungsinitiative lanciert, damit Betroffene wenigstens in finanzieller Hinsicht eine Entschädigung für ihr Leid erhalten.
Persönlich kennen wir niemanden, der als Kind aufgewachsen ist und noch lebt.
Die Familie von Michaels (Name geändert) Mutter war jedoch ebenfalls von der Willkür des Waisenamtes der Wohngemeinde betroffen. Die Geschichte zeigt, wie willkürlich entschieden und Maßnahmen ohne Absprache mit dem Betroffenen durchgeführt wurden. (Die betroffenen Familienmitglieder sind mittlerweile alle verstorben.) Die Familie Weber (Name geändert) lebte auf einem sehr kleinen Bauernhof, in wunderschöner Lage, oberhalb des Städtchens …… (ein bekannter Ort in der Schweiz)
Der Vater verstarb früh; die Mutter starb ebenfalls, noch bevor die vier Kinder der Familie volljährig waren. Da Vollwaisen, übernahm das Waisenamt die Obhut der vier Kinder.
Das Waisenamt verkaufte die Liegenschaft zu einem sehr moderaten Preis (völlig unter dem realen Wert) an ein Regierungsmitglied, um angeblich vorhandene Schulden zu tilgen und den Unterhalt der Kinder sicherzustellen. Eine sehr fragwürdige Aktion, zumal die Kinder nie über die Fakten informiert worden sind und nie Geld erhalten haben. Die Liegenschaft ist ihnen somit einfach genommen worden.
Damals hatten sie nicht den Mut, das Wissen und die notwendige Unterstützung, um sich gegen einen solch amtlichen Entscheid zu wehren.
Das Waisenamt platzierte die Kinder in verschiedene Familien. Die zwei ältesten Geschwister meiner Schwiegermutter kamen auch Bauernhöfe, wo sie sehr hart arbeiten mussten und ein sehr schweres Leben hatten. Ein Leben wie das eines Verdingkindes. Die Erlebnisse in dieser Zeit prägten ihr ganzes Leben. Laut Michael haben sie über ihre Jugendzeit nicht geredet, – es seien schlimme Jahre gewesen –. Schlafplätze unter dem Dach, im Winter eiskalt und kaum zu ertragen.
Im Winter mussten sie im Freien ohne entsprechende Kleidung und Schutz stundenlang arbeiten. Das Essen war knapp bemessen und Hunger durchaus ein Thema. Michaels Onkel fand später nie ein normales Leben, man bezeichnet ihn als Eigenbrötler und er war wenig zugänglich.
Michaels Mutter dagegen kam als Haus – und Kindermädchen in eine gut situierte Familie. Sie es dort gut behandelt worden und hatte bis ins hohe Alter Kontakt zu den Kindern der Familie. Man hat sie motiviert in die Westschweiz zu gehen, um Französisch zu lernen. Später machte sie eine Ausbildung zur Hebamme.
Auch das jüngste Kind hatte Glück. Es konnte eine Lehre als Konditor machen und ist später als Kapuziner ins Kloster eingetreten. Michaels Onkel war anschließend viele Jahre in Tansania in der Entwicklungshilfe. Diese Lebensgeschichten zeigen mir, wie entscheidend es für das spätere Leben war, in welches Umfeld ein Kind kam und welche Chancen es erhielt!
Die meisten Kinder waren in einer aussichtslosen Situation.
Tragisch finde ich, dass viele Menschen vom Schicksal dieser Kinder in den Heimen auf dem Bauernhof gewusst haben, aber nichts gegen das Unrecht unternommen haben.
Da ist Unrecht geschehen!
Vor diesem Hintergrund (unten) entwickelte sich wohl in der Schweiz von Staats wegen
das Verdingwesen
Trifft hier zumindest in Teilen der Vorwurf zu?
Gut meint – schlecht ausgeführt!
Das Verdingwesen gilt als eine Form der fürsorglichen Zwangsmassnahmen, welche im Zeitraum zwischen etwa 1800 und 1970 in der Schweiz Anwendung fanden.
Der Begriff beschreibt Folgendes:
Eine staatliche Fürsorgebehörde (meist auf Gemeindeebene) platziert Waisenkinder oder Kinder aus armen bzw. sozialen schwachen oder randständigen Familien (bzw. was als solche angesehen wurde) in Pflegefamilien und bezahlt diesen eine vertraglich abgemachte Entschädigung. Der Arbeitseinsatz bzw. die Ausbeutung der kindlichen Arbeitskraft spielt eine wichtige Rolle.
So schreibt Sabine Ziegler in: DER VERDINGBUB – kompetenzorientiertes Lernen am Geschichtsspielfilm
http://www.erinnern.at/bundeslaender/oesterreich/aktivitaten/bodensee-didaktikerinnen-tagungen/visual-history/vortrag_der-verdingbub_kompetenzorientiertes-lernen-am-geschichtsspielfilm_tagung-bregenz_sabine-ziegler.pdf