Vergleich Deutschland – Niederlande (Gröninger)

Moorkolonien 

Einen Vergleich unserer Kolonien mit denen in Holland können wir nicht aushalten. Der Aufschwung der uns gegenüberliegenden Fehnkolonie in Emmer- und Barger- Kompascuum, Werdinger – und Balthermond sind ungeheuer Tausende nette, propere Arbeitshäuschen entstehen und begleiten den Bau der Haupt- und Nebenkanäle und die Verfehnung der Hochmoore, um allmählich der Landwirtschaft und den Geschäften Platz zu machen. Viele strebsame Arbeiter machen sich durch Ankauf von sogenannten Heimstätten sesshaft. Eine Heimstätte ist 20 Meter breit und 75 Meter lang also etwa 15 Aar groß. Von den Besitzern der abgetorften  Flächen werden diese als Wohnstätten längst den Hauptkanälen und Verkehrstraßen an Handwerker, Geschäftsleute und so weiter verkauft oder verpachtet. Es erstehen große Kaufläden, Vergünningen (Gasthäuser) und Cafes, Bahngeleise und Kunststraßen begleitend die Hauptkanäle. Große Volksschulen sind oft mit 6 bis 8 Lehrkräften besetzt und viele kleine Kirchen und Bethäuser werden gebaut und bald rötet elektrisches Licht bis 10 Uhr abends den düsteren Himmel. Sobald die ersten Plaatzenflächen frei von Torf sind, setzt die Landwirtschaft mit voller Kraft ein. Die Fläche wird planiert und übersandet und das ertragreiche Kulturland ist fertig, Dürre Nässe und Frost sind auf diesen Flächen machtlos und können den Früchten nichts anhaben.

EPSON MFP imageWie stehen die Verhältnisse in unserem Mooren und Moorkolonien. Obwohl auch hier bis zum Weltkrieg ein großer auch schon bemerkbar war, ist doch noch vieles wie zu Großvaters Zeiten. Zwar setzt auch hier vielerorts die Torfindustrie und Verfehnung in höchsterfreulicher Weise ein aber im allgemeinen fehlt der holländische Schwung. Worin liegt der Unterschied?

An der Regierung, an Land und Leuten. In Holland ist alles, besonders auf die bestehenden Gesetze und Verordnungen, auf die Verfehnung zugeschnitten. Vom Staat, von der Provinz und in den Kreisen (dort Gemeinden) wurden die Unternehmungen möglichst gefördert und unterstützt.

Während hier die großen Beihilfen für Schauen und Körungen, für Versuche und neue Kultivierung ausgelegt werden, wird dort in erster Linie auf Anlegung guter Verkehrs – und Transportwege zur Aufschließung der Moore und Heiden möglichst hingearbeitet. Wo Kanäle, Straßen und Bahnen gebaut werden, da der Bodenpreis auch um das mehrfache. Die Vorbedingungen fo.lgt die Kultur gleich auf dem Fuße nach. Dann auch ist jeder Bewohner der Fehnkolonie an mehr kaufmännisch veranlagt und gewöhnlich unternehmungslustig. Jeder Landwirt zum Beispiel probiert, notiert und berechnet, und kann genaue Auskunft geben über die Größe der Grundstücke, Kosten und Bearbeitung, Düngung, Einsaat und Erntekosten und ebenso genau den Ertrag und Reingewinn angeben auf Gulden und Cent. Kommt er zu dem Resultat: „es lohnt sich“, so scheut er weder Kosten noch Arbeit. Auch ist jedem selbst die schönste Besetzung für Geld feil. Dagegen klebt der Bauer auf Drente und Westerwolde, ebenso wie hier im Lande, fest an seiner alten ererbten Scholle, ist vorsichtiger und für Unternehmungen nicht so leicht zu haben

In den linksemsische Moorgebieten des Kreises Meppen fehlen diese erwähnten Vorbedingungen fast gänzlich. In den benachbarten Kreisen sagt man, der Kreis Meppen sei berühmt durch seine schlechten Wege. Von den Bahnstationen Haren und Meppen sind die meisten alten und neuen Moorkolonien drei bis vier Stunden entfernt und meist nur mit oft unpassierbaren Wegen verbunden. Bei solchen Bedingungen sind der guten Entwicklung der Kolonien schwere Hindernisse entgegengesetzt, die sich im gesamten Handel und Wandel fühlbar machen zum Schaden der Bewohner.

Aus

Hermann Gröninger – Lindloh

Aus der Geschichte der emsländischen Moorkolonien

Lingen 1910