Ausgebeutet und ausgegrenzt – Buch schildert den Weg des letzten Heuermanns im Emsland

Begegnung mit Uropa Bernd

Ein Bericht von Sebastian Hamel in der Lingener Tagespost vom 26. April 2023

Das Ende des Heuerlingswesens im Emsland erlebte Bernd Jansen hautnah. Denn der heute 91-Jährige war selbst einer der oft ausgebeuteten und ausgegrenzten Heuerleute. Seine Lebensgeschichte hat Anton Wiechmann aus Thuine im Buch „Uropa Bernd“ aufgeschrieben.

„Geboren bin ich in der Weimarer Republik.“ Als der heute 91-jährige Bernd Jansen auf einer Familienfeier diesen Satz fallen lässt, weckt er damit unmittelbar das Interesse des Thuiner Buchautors Anton Wiechmann. Verschiedene Werke hat Wiechmann in der Vergangenheit schon publiziert – die Begegnung mit „Uropa Bernd“, mit dem er über Enkel beziehungsweise Urenkel familiär verbunden ist, sollte den Grundstein legen für seine neueste Arbeit, die jüngst erschienen ist.

Das Ende des Heuerlingswesens 

Das Buch „Uropa Bernd – Zeitzeuge einer Generation, die den Zusammenbruch erleiden und den Wiederaufbau leisten musste“ schildert das Leben des oben genannten Bernd Jansen, der am 3. Juli 1931 zur Welt kommt und in Drope, einem Ortsteil der heutigen Gemeinde Gersten, auf dem elterlichen Heuerlingsgehöft aufwächst.

Versehen ist das Buch mit dem Alternativtitel „Wie die deutsche Revolution von 1918/19 ihre Vollendung fand“. Denn berichtet wird darin auch, wie das jahrhundertealte Heuerlingswesen in der Nachkriegs- und Wirtschaftswunderzeit zu einem abrupten Ende kommt.

Das Vorwort verfasst hat Bernd Robben, Co-Autor des viel beachteten Buches „Wenn der Bauer pfeift, dann müssen die Heuerleute kommen!“.

„Uropa Bernd“ zählt zur letzten Generation, die das Heuerlingswesen noch aktiv miterlebt hat. Heuerleute waren „Besitzlose“, die von Bauern ein Dach über dem Kopf und etwas Land zur Verfügung gestellt bekamen und diese im Gegenzug bei der Arbeit – insbesondere während der Erntezeit – unterstützen mussten.

Das nun verschriftlichte Leben von Bernd Jansen steht mithin, so schreibt es Verfasser Wiechmann in seiner Einleitung, „exemplarisch für die Lebensgeschichte unzähliger anderer Familien, die sich so weit aus den Zwängen von Armut, feudaler Hierarchie und sozialer Schichtung befreien konnten“.

Beim Schützenfest streng getrennt Geprägt war das Heuerlingswesen nicht selten von Ausbeutung und Abgrenzung, wenngleich es der Familie Jansen verhältnismäßig gut ging: „Wir hatten immer zu essen“, sagt Bernd Jansen. Gleichzeitig berichtet er aber auch davon, wie Bauern und Heuerleute beim Schützenfest an getrennten Tischen saßen.

Bis 1958 arbeitet Bernd Jansen als Heuermann in der Landwirtschaft, ehe er zunächst bei der Firma August Mainka und kurz darauf bei der Werksbahn der Erdölraffinerie in Altenlingen eine Anstellung findet – und somit im Alter von 28 Jahren den Sprung aus dem Heuerlingsdasein in die gewerbliche Wirtschaft meistert. Erst mit dieser Sicherheit der Festanstellung heiratet er im November 1959 seine Verlobte Thea, gründet mit ihr eine Familie – die Kinder Rita, Bernd und Karin werden in den 1960er-Jahren geboren – und bezieht ein Eigenheim in Lingen-Brögbern.

Anton Wiechmann, Jahrgang 1949 und bis zu seiner Pensionierung als Lehrer in Thuine tätig gewesen, hatte nach den ersten Gesprächen mit „Uropa Bernd“ gleich das Gefühl, dass sich da etwas Spannendes verbirgt, das beispielhaft für die Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg steht – und bot an, die Geschichte aufzuschreiben.

„Es waren erst ein paar DIN-A4-Seiten, doch dann kam immer mehr dazu“, sagt Wiechmann. Das Ergebnis ist nun ein rund 140 Seiten starkes Werk, das neben der Lebensgeschichte von Bernd Jansen und dem Ende des Heuerlingswesens auch verschiedene andere historische Gegebenheiten als Einschübe in die Erzählung einwebt, wie etwa die Einnahme Lingens durch alliierte Kräfte 1945 oder die Begegnungen mit Salomon Fromm, dem letzten Vorsteher der Synagogengemeinde Freren.

Sein „Outfit“ bekommen hat das Buch durch Bernd Jansens Tochter Dr. Karin Hellerhoff, die heute als Radiologin in München lebt und arbeitet und zahlreiche Fotos aus dem Familienalbum beisteuerte. Das nun vollendete Werk sieht sie als großen Gewinn: „In begüterten Familien gibt es Stammbäume, die Jahrhunderte zurückreichen – ein Generationengedächtnis, das Landlosen im Prekariat nicht vorbehalten war. Die Erinnerungen verblassen also nach wenigen Generationen. Ich habe es insofern als Chance begriffen, dies in unserer Familie anders zu machen, und habe das Angebot von Anton Wiechmann sehr dankbar angenommen. Ich empfinde es als Riesengeschenk, denn das Buch ist etwas Bleibendes.“
Das Buch „Uropa Bernd“ ist erschienen im Verlag „Edition Winterwork“ und trägt die ISBN 978-3-96014-973-6. Wer Interesse hat, kann sich auch direkt per E-Mail an AntonWiechmann@t-online.de mit dem Autor in Verbindung setzen