Interessengegensätze zwischen Tagelöhnern und Hofgängern in Mecklenburg

Aus:

… können die Tagelöhner nicht genug ausgedroschen bekommen, so daß der Hofgänger über sein Vermögen hinaus arbeiten muß. Wenn der Hofgänger sagt, er könne nicht weiter arbeiten, so erhält er von dem Tagelöhner zur Antwort: „Wi wullen Di schon helpen!” Oftmals werden die Hofgänger geschlagen. Dagegen kann er sich nicht wehren. Er ist allein und gegen ihn sind so Viele. Wenn die Hofgänger sich nicht selbst helfen, so kriegen sie nirgends Recht. Beklagen sie sich bei dem Inspektor, so meint dieser ganz einfach. „Du hast et wull verdient!” oder „Dat is Di ganz recht!” Überhaupt ist die Ansicht, daß der Mecklenburger sehr fleißig und der Hofgänger das Gegenteil sei, ganz falsch. Die meisten Tagelöhner arbeiten nur fleißig, wenn der Inspektor oder Besitzer hinter ihnen steht, oder wenn sie irgend eine Arbeit allein machen sollen, oder wenn es für ihren eigenen Vorteil gilt. Die Hauptsache ist dem Tagelöhner, daß er bei seinem Herrn als fleißig gilt. Der Hofgänger hingegen arbeitet gleichmäßig, gleich viel ob der Herr kommt oder ob Niemand da ist. Trotzdem werden sie als faul hingestellt. Und doch muß es sich jeder Besitzer oder Inspektor sagen, daß unmöglich den ganzen Tag so gearbeitet werden kann, wie die Tagelöhner arbeiten, wenn er dabei steht. Ist denn auch der Inspektor fort, so geht’s wieder nach dem alten Tempo und bald hat der Hofgänger die Tagelöhner wieder eingeholt. Natürlich fehlen auch von Seiten der Hofgänger die Spottreden auf die Tagelöhner nicht, zumal wenn recht viele Hofgänger da sind. Dieses ärgert den Tagelöhner ganz gewaltig, wissen sie doch, daß die Hofgänger Recht haben; das macht die Hofgänger noch verhaßter, als sie schon sind. Wenn es ohne fremde Hofgänger ginge, würde bald kein einziger in ganz Mecklenburg zu finden sein. Aber zum größten Bedauern der Gutsbesitzer geht das nun einmal nicht. Es wird zwar auf vielen Gütern versucht, die Tagelöhner anzuhalten, dass sie mecklenburgische Hofgänger einstellen. Aber da verlangen Kinder von 14 Jahren, sowie sie aus der Schule gekommen sind, solch hohen Lohn, daß die Tagelöhner lieber „Utlänner” nehmen. 6 Taler dem Hofgänger mehr geben, ist für sie schon ein Kapital. Der Mecklenburger vermietet sich höchstens bis zu dem 17. Jahre als Hofgänger, dann verdingt er sich als Knecht bzw. als Magd. Haben sie es doch in dieser Stellung viel leichter, denn als Hofgänger und erhalten doppelt so viel Lohn. Arbeitet der fremde Hofgänger allein mit dem Tagelöhner, so hat er es immer sehr schlecht, sind aber alle Hofgänger des Gutes zusammen, so traut sich keiner von den Tagelöhnern den Hofgänger allzu sehr zu reizen.

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