“Armes Emsland” – Bericht 1 (von 7) über die Besichtigungsfahrt durch deutsche Pressevertreter 1929

Osnabrücker Zeitung vom 1. Mai 1929

Am Montagmorgen um 8 Uhr fand – wie schon berichtet – die Abfahrt der von der Handelskammer geladenen Gäste zur Besichtigung des Emslandes von Osnabrück aus statt.

Leider setzte gleich zu Beginn der Fahrt Landregen ein, der sich im Laufe des Tages immer mehr verstärkte und die Durchführung des Programmes außerordentlich erschwerte.

Von Osnabrück aus ging die Fahrt über Westerkappeln in den Kreis Bersenbrück, wo von Ferne als erstes Sinnbild des Kampfes zwischen Moor und Acker die nach dem Landrat benannte Siedlung Rotherthausen sichtbar wurde.

In Wettrup, Landkreis Lingen, wurde das erste Heuerlingshaus besichtigt. Die schlechte Beschaffenheit der Wohnhäuser, ihre ungesunde Bauart und die Notlage wurde selbst bei diesem ersten kurzen Einblick erschreckend sichtbar. Auch armselige Schlafbutzen wurden gezeigt.

Von da aus ging es – es regnete noch immer – über Herzlake in den Kreis Hümmling, wo sich in Ost -Läden das ergreifendste Bild dieser Fahrt darbot. Baufällige mit durchlöcherten Strohdächern gedeckte Hütten, in denen Menschen wohnten. Schwindsuchtstätten, viele Arbeit und ein minimales Einkommen. Dazu eine Beschaffenheit der Wege, wie sie schlechter und jämmerlicher nicht zu denken sind. Auf Kilometer Strecke, kein Mensch– kein Verkehr die geringe Verkehrsmöglichkeit. Ein eingeengtes Land, wirtschaftlich zurückgebliebene Bevölkerung, geringe Absatzmöglichkeiten, ein vergessenes Land.

Von Lähden aus ging es hinauf zur Fürsorgeanstalt Johannesburg bei Papenburg, wo zu Mittag gegessen wurde. Es regnete immer noch, als wir aufbrachen und über Börger, Wippingen und Neudersum im Kreise Aschendorf fuhren. Auch hier schlechte Häuser mit Schlafbutzen neben neu geschaffenen Siedlungshäusern.

Dann hörte die kümmerliche Landstraße auf und durch tiefen Sand und Matsch rutschten die Wagen nach Holland hinein.

Archiv: van der Ahe

Durch das Entgegenkommen der holländischen Behörden blieben uns alle Passschwierigkeiten erspart. Und plötzlich wurde das Bild ganz anders, obwohl hier teilweise noch größere Arbeitslosigkeit als in Deutschland herrscht – überall eine Jahrhunderte alte Moorkultur, den Boden fruchtbar gemacht, Kanäle gezogen, freundliche Häuser gebaut, Wohlstand verbreitet. Welch gewaltiger Unterschied gegen das angrenzende Deutschland! Hier gepflegte Straßen, glatte Häuser, Frucht tragende Felder – bei uns aber wahre Schandwege, baufällige Hütten, in denen Menschen wohnen und – wenn überhaupt verwahrloste Kanalufer. Arme Landschaft, arme Kreise, arme Einwohner. Die Rückfahrt vom Nord-Süd-Kanal entlang musste leider ausfallen, da hier nur Sandwege entlang laufen und die Gefahr des Hineinrutschens in den Kanal zu groß war bei diesem Matsch und grundlosen Wegen.

So ging es über Meppen, Lingen nach Nordhorn. Schöningsdorf, wo sich die traurigsten Verhältnisse des Emslandes zusammenfinden, bekommen wir daher am Montag nicht zu sehen.

Weitere Zeitungsberichte zu der Besichtigungsfahrt deutscher Pressevertreter im Jahr 1929 auf Einladung des damaligen Regierungspräsidenten von Osnabrück, Dr. Sonnenschein:

cof