Jeder wusste es – keiner sprach offen darüber

             Bauern und „ihre“ Mägde  

Nach über 30 Jahren Recherchen zur Lage der besitzlosen Landbevölkerung rückt dieses Thema zunehmend deutlicher in den Fokus – auch wenn man es gefühlsmäßig lieber “wegdrücken” würde.

Insbesondere nach etlichen der über 120 Vorträge wurde darüber zumeist sehr emotional berichtet.

Durchweg wurde dabei auf meine jeweilige Nachfrage bestätigt, dass ein “Schweigemilieu” einem offenen Gespräch darüber bisher entgegengestanden hat.

Da immer weniger Zeitzeugen(innen) darüber berichten können, soll hier der bisherige Kenntnisstand an Beispielen dokumentiert werden.

Dieses gesellschaftliche Problem ist allerdings nicht auf das Heuerlingsgebiet begrenzt.

Es deutet sich dabei nach Besuchen und Fachgesprächen an, dass in den Gebieten mit Realteilung (z. B. in der Eifel und in Teilen von Baden mit fast durchweg kleineren landwirtschaftlichen Betrieben) über diese Erscheinung kaum berichtet wird.

Es muss noch intensiv weiter in der Fachliteratur das Phänomen untersucht werden, dass die Zahl der unehelichen Geburten im 18. und 19. Jahrhundert regional unterschiedlich auf über 20 % anstieg.

 

Oktober 2019

             

Dieses Kirchdorf (1) (verfremdet) mit seinen Bauerschaften (2-7) existiert tatsächlich in Nordwestdeutschland.

 

1      Bauer, Gastwirt und Bäcker

Dieser wohlhabende und im Dorf sehr einflussreiche Mann war Vater von drei ehelichen und zwei unehelichen Kindern.

2        Bauer – mittelgroßer Hof

Ein Landwirt, der Vater von vier ehelichen Töchtern war, hatte auch ein Kind mit einer Magd im Jahr 1938. Die eigenen Töchter, die heute auch schon verstorben sind, haben nie etwas von der Existenz ihres außerehelichen Halbbruders erfahren.

3        Bauer – großer Hof

Ein nachgeborener Bauernsohn aus der Bistumsstadt (Stadtrandlage) heiratet auf einen Bauernhof in der Nachbarregion ein. Er zeugt zwei eheliche Töchter. Mit drei verschiedenen Mägden hat er jeweils ein Kind. Hier ist noch anzumerken, dass sein Schwager katholischer Priester war. Seine Frau als Schwester des Pastors hat darauf bestanden, dass nach jedem Ehebruch mit Kindfolge das Eheversprechen unter Zeugnis des Geistlichen von ihrem Mann in der Kirche abgegeben wurde…

4        Bauer – großer Hof

Dieser Landwirt hatte in seiner Ehe keine Kinder. Dafür zeugte er einer 19 -jährigen Flüchtlingstochter, die nach dem Kriege auf seinem Hof einquartiert war, eine Tochter.

5        Bauer – größerer Hof

Dieser Fall ist von vielen älteren, zumeist schon verstorbenen Dorfbewohnern hinter vorgehaltener Hand erzählt worden:  Etwa um das Jahr 1900  hat ein Landwirt mit seiner von ihm geschwängerten Magd eine Bootsfahrt auf dem nahe gelegenen Fluss gemacht und sie dabei über Bord gestoßen. Da die Mehrzahl der Menschen früher nicht schwimmen konnte, ist sie dabei ertrunken.

6        Bauer –  kleinerer Hof

Seine Frau und die Magd des Hofes erwarteten zeitgleich im Jahre 1936 ein Kind von diesem Landwirt. Er hat dann kurzerhand sein angestammtes Anwesen verkauft und seinen Wohnsitz um etwa 60 Kilometer nach Süden verlegt. Zeitzeugen berichten: Noch bevor er in seinem neuen Wohnort angekommen war, wusste die gesamte Bevölkerung dort von seiner Lage.

7        Bauer – größerer Hof

Dieser Fall, der kaum zu glauben ist, soll hier nicht vorgestellt werden aus Rücksicht auf lebende Betroffene.

Schaubild von Bernd Robben