Feldlaum – ein Räuber im Münsterland

Feldlaum – Der Räuberhauptmann von Ostendorf

Wer heute durch die Bauerschaft Ostendorf wandert oder mit seinem Fahrrad über die schmalen, sandigen Pättkes des alten Postdammes fährt, denkt wohl kaum daran, dass in dieser Gegend vor mehr als 150 Jahren eine Räuberbande hauste, die weit und breit die Bevölkerung in Angst und Schrecken hielt.

 

Wie konnte dies im Münsterland geschehen und wie war es möglich, dass diese gut organisierte Räuberbande über Jahre hinweg die Umgegend unsicher machen konnte? Allgemein kann man annehmen, dass die Wirren der damaligen Zeit daran schuld waren. Im November 1812 kam ein Teil des in Russland geschlagenen und fast aufgeriebenen französischen Heeres in fluchtartigem Rückzuge durch das Münsterland. Diese geschlagenen Truppen, größtenteils in Lumpen gehüllt, ermattet und halb verhungert, zogen plündernd durch das Land. Noch schlimmer verhielten sich die nachfolgenden Kosaken; sie stahlen alles, was nur erreichbar war. Wie Carl Cüppers in den Blättern des Heimatbundes Emsdetten aus dem Jahre 1929 berichtet, tranken sie sogar in einer Essigfabrik in Wettringen den reinen Sprit, würzten ihn mit Pfeffer und aßen Talgkerzen dazu.

 

Die vielen Schätzungen und Requisitionen hatten das Land arm gemacht. Die Folge davon war, dass sich Diebes- und Räuberbanden bildeten, die es hauptsächlich auf Lebensmittel abgesehen hatten, aber auch bares Geld nicht liegen ließen.

 

Solch eine Räuberbande machte die ganze hiesige Gegend unsicher und unternahm ihre Streifzüge ferner nach Saerbeck, Greven, Altenberge, Hörstel und Havixbeck. Räuberhauptmann dieser Bande war Feldlaum, mit seinem echten Namen hieß er Laumann. Er besaß in Ostendorf am Postdamm einen Kotten und betrieb nebenbei eine kleine Schänke, die heutige Wirtschaft Stegemann. Kaplan Hubert Gr. Osterholt schreibt von ihm: „Von Jugend aufhatte er kein gutes Beispiel vor Augen gehabt. Der Vater konnte von dem kleinen Kotten die Familie kaum ernähren und ging deshalb als Tagelöhner auf die Bauernhöfe, war dort aber nicht ganz ehrlich gewesen. Die zweite Ehe unseres Feldlaum mit Anna Catharina Wiggers war ganz unglücklich.
Jetzt verlor er jeglichen Halt, da er auch schon früher bei manchen Diebstählen den Weg des Guten verlassen hatte. Dazu kamen noch schlechte Genossen, die ihn ganz auf die Bahn eines Räubers drängten und ihn zu ihrem Anführer und Hauptmann machten. Vier solcher Gesellen hatten sich bei Feldlaum zusammengefunden, nämlich Völker, Schmitz, Wemhoff und Niemann, von denen die beiden letzteren als Haupträuber bezeichnet werden.”

 

Es ist jedoch anzunehmen, daß die Bande im Laufe der Zeit weit mehr Mitglieder hatte, seien es Helfer oder Hehler; denn ihr Wahlspruch lautete:

 

Im ganzen sind wir dreißig,
des Nachts gewaltig fleißig,
des Tags schauen wir zum Fenster hinaus
und lachen Gendarm und Polizisten aus.

 

Wie berichtet wird, war Feldlaum tagsüber fleißig bei der Arbeit und gegen seine Nachbarn freundlich. Sonntags ging er regelmäßig zur Kirche und markierte hier den Frommen. Er saß stets in der obersten Bank, und wehe dem Jungen, der sich auf dem Chor nur umsah oder sich nicht andächtig benahm. Von links und rechts hagelte es dann Backpfeifen. Wenn aber die dunkle Nacht gekommen war, dann war er der Schrecken der Bauern.

 

Die ersten Protokolle über vorgefallene Diebstähle stammen aus dem Jahre 1816. Da wird gemeldet, dass der Witwe des verstorbenen Jan Berndt Rohlfs in Wilmsberg aus der Miete auf Gönners Kamp zwei Malter Erdäpfel gestohlen wurden. Einige Tage später beklagten sich Jan Hinrich Decker und Jan Coerdt aus Ostendorf über Kartoffeldiebstähle. Dem Schulzen Pröbsting in Wilmsberg war im Wöstkamp eine Kuh abgeschlachtet worden. Dem Zeller Große Osterholt in Ostendorf wurden Speck und Schinken aus dem „Wiem” geholt. Selbst der durch eine Gräfte gesicherte Bauernhof des Schulzen Marquarding blieb nicht verschont. Feldlaum ging übers Eis und holte sich das geschlachtete Schwein von der Leiter.

 

Es würde zu weit führen, wollte man alle Einbrüche aus diesen Jahren aufzählen. Es gab wohl kaum einen Bauernhof in Borghorst, den der Räuber nicht besucht hatte. Eine interessante Begebenheit soll jedoch noch angeführt werden, über die Franz Luke in seiner heimatgeschichtlichen Erzählung berichtet.

 

„Feldlaum saß mit Vorliebe in der Wirtschaft mit Bekannten beisammen, wenn man über die neuesten Ereignisse sprach. So war man auch einmal in einer Emsdettener Kneipe in gemütlicher Runde beisammen. Die Unterhaltung kam auf einen Diebstahl, der sich in Borghorst ereignet hatte. Man stellte über den Täter alle möglichen Vermutungen an, und schließlich meinte ein Emsdettener, so etwas hätte ihm nie passieren können.

 

Auf die Frage Feldlaums, wieso er denn gefeit sei gegen alle Diebstähle, erzählte ihm der ahnungslose Kötter: „Ick häw up’n Balken noch son olt Koffer stöhn von mien Bessmoder. Do is mien Speck und mienen Schinken gued un sicher verwahrt. Ick smiet do immers ‘nen paar Schauw Strauh drüöwer un dann süht un ahnt dat kien Mensk.”

 

(Hier eine Übersetzung für unsere nicht Münsterländer Platt-sprechenden Besucher: “Ich habe auf dem Dachboden noch einen alten Koffer stehen vom meiner Großmutter. Darin ist mein Speck und mein Schinken gut und sicher verwahrt. Ich werfe da immer ein paar Bund Stroh drüber und dann sieht und ahnt das kein Mensch.“)

 

Wenn er sich der Folgen bewusst gewesen wäre, hätte er sein Geheimnis wohl nicht ausgeplaudert. Aber er glaubte sich unter guten Freunden und war am folgenden Morgen nicht wenig erstaunt, als seine Speckkiste leer war. Die Diebe hatten in der Nacht eine Leiter an das Bodenfenster gestellt, dieses eingedrückt und gute Beute gemacht.
In Emsdetten gab es am folgenden Morgen einen Auflauf. Ein solch frecher Diebstahl war noch nicht vorgekommen. Es mussten auf alle Fälle dieselben Langfinger an der Arbeit gewesen sein wie in Borghorst. Dass mehrere Täter in Frage kamen, war ohne Zweifel, denn ein einzelner Mann hätte derartige Fleischmengen schlecht allein fortschaffen können. Auffällig war, dass man am Tage zuvor über den Borghorster Diebstahl gesprochen hatte. Aber da mehrere Borghorster darunter gewesen waren, konnte man schwer jemanden verdächtigen.”

 

Immer wieder kann man in den Berichten über Feldlaum lesen, dass er nur dort stahl, wo reichlich Beute vorhanden war; kleine Leute blieben unbeteiligt. Man hat auch nie gehört, dass bei Überfällen die Betroffenen körperlich misshandelt wurden. Manche arme Witwe soll von ihm in der damaligen schlechten Zeit mit Geld und Lebensmitteln unterstützt worden sein.
Feldlaum suchte bei seinen Raubzügen aber nicht nur die Bauernhöfe heim. Auch die Handelswege wurden von ihm unsicher gemacht. Wehe dem Handelsmann, der ahnungslos mit vollbepacktem Wagen und voller Geldkatze über den Postdamm zum Markt nach Greven oder Telgte zog. Feldlaum lauerte ihm mit seinen Gesellen hinter dichten Hecken auf und nahm ihm alles ab. Aber auch auf diesen Raubzügen konnte der Räuberhauptmann manchmal ein weiches Herz haben. Dies geht aus folgender Episode hervor, die Carl Cüppers aufgeschrieben hat:

 

„Mein Großvater Schmitz, eine allgemein bekannte und beliebte Persönlichkeit, war von Münster gekommen und hatte Geld von der Bank geholt. Er ritt nach Wettringen und hatte das Hartgeld im Felleisen hinter sich, wie es damals Brauch war. Die Pistole stak in der Satteltasche. Nachts gegen ein Uhr hörte er gleich hinter Burgsteinfurt in kurzen Zwischenräumen leise Pfiffe.
Plötzlich sprang ein Kerl in die Zügel seines Pferdes und rief: „Hollt!” („Halt!“). Der Mann erkannte nun aber meinen Großvater und sagte: „Här Schmitz, ick häw mie verseihn, wie wochtet up’n annern. Sie kuemt aower alleen nich so wieder, ick sall ju bes an den naichsten Posten brengen, dann küen Ji nao Huse rieden.”

(Übersetzung: „Herr Schmitz, ich habe mich geirrt, wir warten auf einen anderen. Sie kommen aber allein nicht so weiter, ich werde Sie bis zum nächsten Posten bringen, dann können Sie nach Hause reiten.“) 

 

Kurze Zeit darauf passierte der „andere”, den man erwartete, die Postenkette. Er kam auch von Münster von seiner Bank, hatte auch den Geldsack hinter sich, den man ihm aber abnahm. Sein Name soll ungenannt bleiben; er konnte es aber wohl leiden.

 

Jahrelang konnte Feldlaum mit seiner Bande die Raubzüge ausführen, ohne auf frischer Tat ertappt zu werden. Zwar wusste jeder, dass er es mit seinen Gesellen war, der die ganze Gegend unsicher machte. Aber selbst bei plötzlichen Haussuchungen in seiner Schänke konnte ihm nichts nachgewiesen werden. Schließlich jedoch schlug auch für ihn die Schicksalsstunde. Wie Kaplan Große Osterholt schreibt, hatte er unter seinen engsten Genossen einen Verräter, Anton Völker. Mit diesem hatte es Streit gegeben. Im Verlauf eines heftigen Wortwechsels machte Feldlaum dem anderen den Vorwurf, er gebe nicht alles von der nächtlichen Beute ab, sondern sorge für seine eigene Tasche. Völker war darüber sehr erzürnt und ging im geheimen zum Bürgermeister Lanver und zeigte diesem an, dass für die Nacht vom 25. zum 26. Januar 1820 ein Überfall auf Nünningsmühle in der Bauerschaft Dumte geplant sei.

 

Nun war es endlich so weit, der Räuberbande das Handwerk zu legen. Gendarm Reinhard wurde dafür ausersehen, einen Plan für die Ergreifung der Räuberbande zu entwerfen. Elf handfeste Männer wurden als Gehilfen ausgewählt. Diese waren: Alex van den Hoff mit seinen Söhnen Wilhelm und Alex, Johann Vorspohl, A. F. Hilmers, der Sekretär auf dem Amt war, Josef Heckmann genannt Frahling, Melchior Brinks, Melchior Hageböck, Franz Terlau, Bernhard Frieling u. Ferdinand Eick.

 

Als man am Abend des 25. Januar von der Wirtschaft A. Hampfen aufbrach, nahm man auf Kosten der Gemeinde einen Liter Schnaps zur Hebung des Mutes mit, wie es im Protokoll aufgeschrieben wurde. Auf den benachbarten Bauernhöfen Nünning, Vissing u. Leusing bezog man Quartier. Doch schon bald meldete die aufgestellte Wache, daß Feldlaum mit seinen Kumpanen angekommen sei. Gendarm Reinhard ließ nun von seinen Leuten das Anwesen Nünningsmühle umzingeln. Bevor er jedoch das Zeichen zum Angriff geben konnte, pfiffen ihm die ersten Kugeln um die Ohren; Feldlaum hatte die Gefahr erkannt.

 

Ein heftiges Feuergefecht entwickelte sich. Feldlaum stand geschützt hinter einem dicken Baum und wehrte sich heftig. Plötzlich aber brach er zusammen, eine Kugel hatte ihn in die Brust getroffen. Nun warf Völker die Waffe fort und ergab sich, hatte er sich doch nur scheinbar gewehrt. Schmitz machte es genau so. Die beiden anderen aber, Wemhoff und Niemann, entkamen. Sie flüchteten nach Ochtrup, wurden aber später in Bentheim aufgegriffen und dem Amtsgericht Burgsteinfurt zugeführt.

 

Feldlaum wurde schwer verwundet auf einen Wagen geladen und nach Burgsteinfurt gebracht. Dort soll er noch einige Tage danieder gelegen haben und am 6. Februar 1820 gestorben sein. Am 12. Februar fand die Beerdigung auf dem Friedhof zu Borghorst statt.

 

Die Verbrecherschänke wurde einer gründlichen Untersuchung unterzogen. Im Garten entdeckte man eine Höhle mit einer Unmenge gestohlener Sachen. Diese wurden nach Möglichkeit den Eigentümern wieder zugestellt.
Borghorst und damit das ganze Münsterland atmete erleichtert auf. Die Schrecken des Münsterlandes waren nicht mehr; man konnte wieder ruhig und friedlich seiner Wege gehen.

Alex Wobbe

Dieser Text von Alex Wobbe wurde aus dem Buch “Borghorster Heimatbuch”  übernommen mit freundlicher Genehmigung des Heimatvereins Borghorst. Das Buch wurde 1980 herausgegeben vom Tecklenborg Verlag, Steinfurt.
Textbearbeitung: Willi Tebben

aus:  http://www.stenvorde.de/stenv_feldlaum.html am 07. 08. 2016