Ein Heuerhaus im Zoo

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Beispiel 28

Ein ehemaliges Heuerhaus aus Wietmarschen wurde im Nordhorner Zoo neu errichtet…

                                     Was macht ein ehemaliges Heuerhaus im Zoo?

Zur Geschichte des Hauses heißt es auf einer Hinweistafel:

1670 wurde das kleine Niederdeutsche Hallenhaus als Leibzucht (Altenteil) des Hofes Elsmann (heute Klüsener) in Wietmarschen errichtet. Es hat in der Länge vier Fache. Seine Diele war ursprünglich nicht befahrbar, da es im Vordergiebel nur ein schmales Tor hatte. Später wurde es als Heuerhaus vermietet. Damals wurde auch eine „Niendeure” eingebaut, um mit Wagen in das Haus hineinfahren zu können, und es wurde ein Pferdestall angebaut.

Seit etwa 1960 wurde das Haus kaum noch genutzt und verfiel. 1977 schenkte es die Familie Klüsen dem Heimatverein. Unter Leitung von Dietrich Maschmeyer wurde es durch das Technische Hilfswerk (THW) abgebaut. Danach dauerte es über 30 Jahre, bis der Wiederaufbau endlich gelang. Dabei wurde es zunächst als „Rohbau” in seinem ursprünglichen Zustand von 1670 wiedererrichtet. In den nächsten Jahren soll es im Inneren so ausgestaltet werden, dass man in ihm erleben kann, wie die Menschen vor 300 Jahren in ihm gelebt haben.

Dieser Vorsatz ist bis heute nicht vollständig umgesetzt.

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Foto: Archiv Robben

Fotoband: Heuerhäuser im Wandel

Weitere Recherchen zum geplanten Fotoband

                                           Heuerhäuser im Wandel der Zeit

                                                 Ein historischer Bilderbogen

auf einem beeindruckenden münsterländischen Hof: Schulze Hauling in Legden.

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In einem ersten Gespräch vor dem alten Brauhaus:

von links: Fotograf Martin Skibicki, der besondere Fachmann für ländliches Bauen Dr. Andreas Eiynck und der Besitzer Bernhard Schulze Hauling

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Zu diesem Betrieb gehörten früher 4 Heuerhäuser

  1. Die sog. Leibzucht – das war das Haus für den Altbauern mit seiner Frau (Altenteil). Wurde es in dieser Funktion nicht genutzt, verpachtete der Bauer es als Heuerhaus auf Zeit.dsc_0084
  2. Dieser ehemalige Heuerkotten ist heute ebenfalls vermietetdsc_0103
  3. Etwas weiter vom Hofraum entfernt wohnt heute die Tochter dsc_0130
  4. Sehr dezent einem Kotten nachempfunden entstand dieser Neubau im Fachwerkstil für den Sohn als Hofnachfolger. Hier wurde vor kurzem Hochzeit gehalten.dsc_0081

Störrische Website – noch….

Leider folgt “Aktuelles” noch nicht meinen Vorstellungen!

Der dort in Unterthemen vorgestellte Aufsatz von Dr, iur. Bernd H. Schulte zu baurechtlichen Fragen des
Heuerlingswesens findet sich geordnet unter dem entsprechenden Oberthema in der Übersicht.

Bernd Robben

Kindheitserinnerungen meiner Mutter an das Leben im Heuerhaus

Unvergessen sind mir die Schilderungen meiner Mutter über das Leben in einem Heuerhaus. Sie wurde als eines von sieben Kindern einer Heuerlingsfamilie im Jahre 1908 in einer Heuerlingsstelle in Wettrup geboren. Zur Familie gehörten auch noch ihre Großeltern. Neben der räumlichen Enge, dem Schlafen mit einem oder mehreren Geschwistern in den sogenannten „Butzen“ beschreibt sie die empfindliche Kälte im Winter, die heute unvorstellbare Dunkelheit, die miserablen hygienischen Verhältnisse, die Nähe zum eigenen Vieh, aber auch die Nähe zu Mäusen und Ratten, die in den Lehmgefachen des Fachwerkhauses und im Stroh hausten. Sie erzählt von den weiten Wegen von der am Rande der Hofstelle des Bauern gelegenen Heuerstelle zur Schule und Kirche, die zu Fuß bei jedem Wind und Wetter zurückzulegen waren. Die Angst, im unwegsamen Gelände in tiefe Wasserschlote zu fallen, war allgegenwärtig. Frühes Aufstehen war ständig angesagt. Dies war nur ein freudiges Ereignis, wenn es am 1. Weihnachtsfeiertag bereits um 5.00 Uhr oder 6.00 Uhr zur Christmette ging. Neben der realen Armut – die die heutige Armutsdiskussion völlig aus den Augen verloren hat – war es die abgelegene und vereinzelte Lage der Heuerhäuser und ihre beengte und primitive Ausstattung, die dort das Leben so schwer machte. Als die Heuerhäuser in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts gerade wegen ihrer abseitigen Lage und Naturnähe eine ungeahnte Konjunktur zum Zwecke der Freizeitnutzung inklusive Partyfeiern, aber auch als Hauptwohnsitz erlebten, stieß dies bei meiner Mutter auf unverständliches Kopfschütteln. „In sonne Kabache woll ick nich weer hausen“ war ihr Kommentar.

Die Entwicklung des Baurechts in Deutschland

Bei dem Versuch, die Auswirkungen baurechtlicher Vorschriften auf die Ansiedlung von (Heuer-)Häusern im Außenbereich und auf ihre konkrete Ausgestaltung im Laufe der Jahrhunderte darzustellen, ist darauf hinzuweisen, dass sich das Baurecht in Deutschland zunächst in den Städten entwickelt hat. Das Bauen auf dem platten Land erfährt erst im Absolutismus vor allem unter dem Gesichtspunkt des Feuerschutzes eine Reglementierung. Der heute allgegenwärtige Versuch, den Außenbereich von Bebauung freizuhalten, entwickelt sich erst nach und nach. Schließlich muss man sich vergegenwärtigen, dass das Recht zu Bauen herkömmlich Ausfluss des Eigentumsrechts am Grund und Boden ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat dies nach Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes im Jahre 1960 wie folgt prägnant umschrieben: „Heuerlingswohnungen sind auf dem Grundbesitz des bäuerlichen Arbeitgebers (…) in eigentumsmäßiger Verbindung (…) mit dem Hof“ errichtete Wohnungen (Bundesverwaltungsgericht I C 74.59). Dieser nüchterne Befund bestätigt auch im Baurecht die dominierende Stellung des Bauern als Grundeigentümer und die nur reflexartig durch die Bauvorschriften betroffenen Nutzer der Heuerlingswohnungen.

Vom Sachsenspiegel zur „Bauordnung“

Für die Zeit, bevor sich das Heuerlingswesen insbesondere im nordwestdeutschen Raum ausgebildet hat, soll auf folgende baurechtliche Quellen zur Siedlungsform und Regelungen hingewiesen werden, die auch für das flache Land Bedeutung hatten:

Der römische Schriftsteller Tacitus beschreibt im 16. Kapitel der Germania ca. 100 Jahre nach Christi Geburt die Siedlungsform der Germanen wie folgt: „Sie wohnen abgelegen und vereinzelt [colunt discreti ac diversi], gerade wie eine Quelle, ein Flurstück, eine Waldung ihnen zusagt. Die Dörfer legen sie nicht in unserer Art und Weise an, dass die Gebäude verbunden sind und zusammenhängen: Jeder umgibt sein Haus mit einem Zwischenraum, sei es zum Schutz gegen Feuersgefahr, sei es aus Unkenntnis im Bauen [inscientia aedificandi].“ Baurechtlicher Regelungen bedurfte eine solche Siedlungsform außerhalb der Städte auf dem flachen Lande nicht. Der Vorhalt der „inscientia aedificandi“ hallt auch nach zweitausend Jahren noch nach.

Das wichtigste deutsche Rechtsbuch des Mittelalters ist der Sachsenspiegel Eike von Repgows (1221 – 1224), der in Ost- und Norddeutschland eine große Verbreitung fand. Dieses regelt zwei Kardinalprobleme des Baurechts, nämlich die Baufreiheit und den Baukonsens (Baugenehmigung) und reglementierte den Nachbarschutz vor Traufwasser, Geruch und Feuer. Dort heißt es in § 1: „Ofen und gang“ (d. h. Backofen und Abtritt) „und schweinekoben sollen drei fuß von dem zaune stehen. § 2: Jeder soll beschützen seinen ofen und dessen mauern, dass die funken nicht fahren in eines anderen mannes hof ihm zum schaden. § 3: Gänge“ (d. h. Abtritte) „soll man ferner einhegen und bis auf die Erde, die nach eines anderen Mannes Hof zustehen“, ähnliche Regelungen finden sich im Schwabenspiegel (1275).

Mit seiner 1564 in Frankfurt am Main erschienenen „BauwOrdnung“ hat Leonhard Frönsperger aus Ulm ein Anleitungsbuch zum Erlass einer Bauordnung, wenn man so will, einer Art Musterbauordnung für seine Zeit, herausgegeben. Nach wohl gemeinten Ratschlägen an den Bauherrn, nicht durch Fehlkalkulation der Baukosten ins Unglück gestoßen zu werden, folgen allgemeine Vorschriften zum Verfahren, zum Eigentum und dessen Entzug, zur Baufreiheit und zum Abstand von Nachbargebäuden, bevor dann der Bau und seine Teile im Einzelnen abgehandelt wurden. Die Kernfrage des öffentlichen Baurechts, ob und in welchem Umfang das Eigentum am Grund und Boden eine persönliche Baufreiheit mit umfasst, beantwortet Frönsperger zwar sehr weitgehend: „Auff frey eigenthum an grund und boden mag einer ein haus oder anders wol darauf bauwen/und aufrichten/so hoch einer will/bis an den Himmel/denn solches ist dessen eigen (…).“ Diese vermeintlich grenzenlose Baufreiheit erfährt aber außer durch private Dienstbarkeiten durch Gewohnheits- und Ortsrecht wesentliche Einschränkungen, die insbesondere das Bauen in Städten und Ortschaften betrifft. Auch die Interessen des Nachbarn sind zu berücksichtigen. Grundsätzlich besteht im Außenbereich ein Bauverbot: „Außerhalb einer Stadt sollen weder Bürger noch Einwohner etwas bauen, es sei denn, dass Feldgeschworene nach einer Ortsbesichtigung die Erlaubnis erteilen.“

Die Zeit des Absolutismus – Baurecht auch für das „platte Land“

War die Macht der Landesfürsten bereits im ausgehenden 16. Jahrhundert erstarkt, setzen sich diese nach den Verwüstungen der Städte im dreißigjährigen Krieg im Kampf zwischen Stadt- und Staatsgewalt endgültig durch. Im Zeitalter des Absolutismus beginnt auch für das Baurecht eine neue Epoche. Als Ausfluss seiner Souveränität nahm der Landesherr im monarchischen Absolutismus das „ius politiae“ in Anspruch, d. h. alles zu fordern und zwangsweise durchzusetzen, was nach seiner Auffassung das „gemeine Wohl“ und der öffentliche Nutzen verlangten, und dabei auch beliebig in die Rechte der Untertanen einzugreifen (Wohlfahrtpflege). So wurde auch das Baurecht in die staatspolitische Zielsetzung integriert, die „allgemeine Glückseligkeit“ zu fördern. Aus dem Baurecht wurde das Baupolizeirecht. Die Bauordnungen des 17. und 18. Jahrhunderts knüpfen abgesehen von dem landesfürstlichen Städtebau an den materiellen Grundbestand des überkommenen Baurechts an. War das Baurecht des Mittelalters im Wesentlichen auf die Städte konzentriert, wurde die landesherrliche Gesetzgebung nunmehr auf das platte Land ausgedehnt. Waren bereits im Mittelalter an die Obrigkeit gerichtete Bauanzeigen und Genehmigungen des Landesherrn oder der Städte erforderlich, entwickelten sich im Absolutismus das formelle Baugesuch und die Erteilung des schriftlichen Baukonsenses. Eine Weiterentwicklung erfolgte auf dem Gebiet des Feuerschutzes. Neben oder anstelle entsprechender Regelungen in den Bauordnungen treten gesonderte Feuerordnungen oder Feuerlöschordnungen für Stadt und Land.

1748 erlässt Friedrich der I., König von Preussen, die „Erneuerte und geschärfte Feuerordnung für die Dorfschaften des Fürstentums Minden und der Grafschaft Ravensberg, Tecklenburg und Lingen“. Im § 1 wird dort die Pflicht aller begründet, welche von nun an neue Gebäude und insbesondere Wohnhäuser bauen wollen, dass dies dem Orts Land-Rat anzuzeigen ist. § 3 bestimmt: „In denen alten und gegenwärtig schlechten Häusern aber, worinnen nie Schornsteine gewesen, noch selbige angelegt werden können, sollen nicht nur tüchtige Schwipbögen so drey Fuß tief sind angefertigt, mithin die Feuerstellen mit steinernen Mauern und Wänden an den Seiten wohl verwahret, sondern auch die bisher üblich gewesene, so genannte Oefen, oder Feuerrrahmen in- und auswändig mit Leimen beworfen und diese wenigstens wöchentlich einmal tüchtig abgefeget und von dem, so sich angesetztet, gereinigt werden.“ Geregelt wird die Anlage von Aschengruben. Backöfen werden auf den Höfen nicht mehr geduldet und dürfen nur noch 30 Schritt von übrigen Gebäuden errichtet werden. Das Flachs- und Hanftrocknen in Gebäuden wird ebenso verboten wie das Viehfüttern mit offenem Licht.

Besonders instruktiv für unseren Raum ist die (preußische) „Dorfordnung für das Fürstentum Minden, Grafschaft Rabensberg, Tecklenburg und Lingen“ vom 07.02.1755. Hierbei handelt es sich um eine Art Gemeindeordnung, die aber über unser heutiges Verständnis weit hinaus geht. Nach § 1 soll „der Sabbath gefeyert und die Kirche fleißig besuchet werden.“ Nach § 2 soll sich „ein jeder des Fluchens enthalten.“ Es finden sich Regelungen über Kirche, Kirchhöfe, Schulhäuser, die Instandhaltung von Zäunen, Brücken und Gräben und die Einrichtung von Armenkassen. § 10 regelt, dass beim Läuten der „Bauer-Glocke“ sich alle Einwohner einzufinden haben. Die Regelungen der Feuer-Ordnung vom 05.06.1748 werden wiederholt und bekräftigt. Nunmehr wird auch das Tabakrauchen in Stallungen, im Wald und auf der Heide unter strenge Strafe gestellt.

  • 20 der Dorfordnung regelt, „Wie sich die Untertanen bei Aufnehmung der Heuer-Leute zu betragen haben.

Finden sich Leute aus denen benachbarten Landen ein, welche sich nur zur Heuer niederlassen wollen, sind solche, daferne sie sonsten eines guten Rufes sind, williglich aufzunehmen, derjenige aber, welcher solche aufnimmt, muß es dem Orts Vorsteher anzeigen, damit es derselbe dem Beamten und Receptori melden könne. Ein solcher Heuerling soll zwei Jahr von der Kontribution, oder dem Schutz-Gelde befreiet bleiben, daferne er aber sodann wieder außer Landes ziehen wollte, soll er die gewöhnlichen Steuern, oder Schutz- und Marken-Gelder, nachzahlen, und der haussitzende Wirth, welcher dieselbe zur Heuer aufgenommen hat, dafür einstehen.“

Diese Vorschrift belegt, dass der König die Existenz der Heuerleute kennt und für deren Wohlergehen Sorge tragen will.

Baupolizeirecht in Preußen

Friedrich der II. von Preußen (1712 – 1786) hat als bedeutendster Vertreter des aufgeklärten Absolutismus die Gesetzgebung mit einer umfassenden Kodifikation erneuert. Als „Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten“ wurde das Gesetzeswerk am 05.02.1794 verkündet und trat im Juni desselben Jahres in Kraft.

„Vom Eigenthum“ handelt der Achte Titel des Ersten Teils. Die §§ 65 bis 82 I 8 ALR sind mit der Überschrift „Einschränkungen des Eigenthümers bey dem Bauen“ überschrieben. §§ 65 I 8 ALR bestimmt: „In der Regel ist jeder Eigenthümer seinen Grund und Boden mit Gebäuden zu besetzen und sein Gebäude zu verändern wohl befugt.“ Aus dieser Vorschrift ist später auf dem Gebiet des Bau- und Bodenrechts der Grundsatz der Freiheit des Eigentums mit der darin enthaltenen Baufreiheit abgeleitet worden. „Vorzüglich“ ist nach § 69 I 8 ALR eine „besondere obrigkeitliche Erlaubnis nothwendig“, wenn in Stadt oder Land eine neue Feuerstätte errichtet oder eine alte an einen anderen Ort verlegt werden soll. Das ALR teilt die Tätigkeit des Staats ausdrücklich in Gefahrenabwehr und Wohlfahrtspflege ein. Zum Organ der Gefahrenabwehr bestimmt es in § 10 II 17 die Polizei mit den Worten: „Die nöthigen Anstalten zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung und zur Abwendung der dem Publico oder einzelnen Mitgliedern derselben, bevorstehenden Gefahr zu treffen, ist das Amt der Polizey.“ Die Einschränkung der Polizeygewalt im Sinne des § 10 II 17 ALR wurde in der Praxis erst mehr als 80 Jahre nach Inkrafttreten des ALR anhand von zwei baurechtlichen Entscheidungen des Preußischen Oberverwaltungsgerichts – den sog. Kreuzberg-Urteilen – durchgesetzt, als die Rechtmäßigkeitskontrolle polizeylicher Verfügungen einer in der Spitze unabhängigen Verwaltungsgerichtsbarkeit übertragen worden war.

Die Rechtsquellen des preußischen Baupolizeirechts bilden – trotz der Regelungen des ALR – weiterhin eine Vielzahl von örtlichen Bauordnungen. Die „Bau-Ordnung für den Anbau in der Feldmark der Stadt Lingen“, die der Magistrat unter dem 03.09.1859 erlassen hat, hat folgenden Vorspruch: „Da die Vermehrung der Bauten vor den Thoren der Stadt die Nothwendigkeit zeigt, feste Regeln aufzustellen, nach denen in Ansehung der Bauten in der Feldmark zu verfahren ist: so wird nach vorgängiger Zustimmung der Bürgervorsteher und mit Genehmigung Königlicher Landdrosten die nachfolgende Bauordnung für die Feldmark der Stadt Lingen bekanntgemacht.“ In der Bauordnung wird zwischen dem Anbau an städtische und an ländliche Straßen unterschieden. „Bei den städtischen Straßen sind die Vorschriften der Bau-Ordnung mit größerer Strenge zu behandeln, bei den ländlichen können dieselben mit größerer Nachsicht angewandt werden.“ Unter dem 02.06.1869 hat der Magistrat der Stadt Lingen eine neue aus 47 Paragraphen bestehende Feuerpolizeiordnung erlassen, die am 01.01.1870 in Kraft getreten ist.

Steuerung durch Planung: Ansiedlung anstatt Zersiedlung

Das liberale Eigentumsverständnis, mangelnde Planungs- und Bodenordnungsvorschriften, gepaart mit örtlicher Rechtszersplitterung der Bauvorschriften führten im Zeitalter der Industrialisierung, des Bevölkerungswachstums und der Zusammenballung der Menschen in den Großstädten zu Bodenspekulation, zu planlosem Ausufern der Städte sowie teilweise zu unhygienischen und engen Wohnverhältnissen. Das heute noch durch die Darstellungen von Zille bekannte Berliner Milieu hat zur Forderung nach Licht und Luft und die Schaffung gesunder Wohnverhältnisse geführt. Dies hat, soweit ersichtlich, keine Entsprechung für das Milieu der Heuerleute gefunden.

Mit dem Fluchtliniengesetz von 1875 versuchte der preußische Gesetzgeber, durch die Festsetzungen von Straßen- und Baufluchtlinien Ordnung in die Bautätigkeit zu bringen. Durch das Preußische Ansiedlungsgesetz von 1876 sollte der Zersiedlung der Landschaft Einhalt geboten werden.  § 13 Abs. 1 des Preußischen Ansiedlungsgesetzes bestimmt, dass derjenige, der „außerhalb einer im Zusammenhang gebauten Ortschaft ein Wohnhaus errichten oder ein schon vorhandenes Gebäude zum Wohnhaus einrichten will (…)“, einer von der Ortspolizei zu erteilenden Ansiedlungsgenehmigung“ bedarf. „Vor deren Aushändigung darf nach § 13 Satz 2 dieses Gesetzes die polizeiliche Bauerlaubnis nicht erteilt werden.“ Das Gesetz war zum Schutz der Gemeinden vor unwirtschaftlichen Aufwendungen und infolge dessen zur Ergänzung des Fluchtliniengesetzes erlassen worden; es diente dazu, die Wohnbebauung im Wesentlichen außerhalb der Siedlungskerne der Städte und der ländlichen Ortschaften soweit zu beschränken, als dies zur Wahrung berechtigter privater und öffentlicher Interessen erforderlich war.

Anders als Preußen gelang es in anderen deutschen Bundesstaaten moderne Baugesetze zu schaffen. Insbesondere das Allgemeine Baugesetz für das Königreich Sachsen vom 01.07.1900 gilt als Bespiel einer modernen Baurechtskodifikation. Bauplanungs- und Bauordnungsrecht wurden mustergültig in einem Gesetz vereinigt. Erstaunlich hoch waren die Anforderungen an den Wohnungsstandard. Aufenthaltsräume sollten eine lichte Höhe von 2,85 m haben. In ländlichen Verhältnissen waren 2,25 m vorgeschrieben. Auch Wasch- und andere Nebenanlagen gehörten zur Mindestausstattung. Die Sicherheit und Gesundheit der Bewohner durfte nicht gefährdet werden. Wohnungen und Arbeitsräume mussten in ausreichendem Maße Trockenheit, Licht, Luft, Raum und Zugängigkeit haben.