Zu Hause in Menslage und Edam

BOB KERNKAMP WORMERVEER NL

Dieser Beitrag stammt aus dem Archiv des Heimatvereins Menslage

Zu Hause in Menslage und Edam

Ein Beitrag zur Geschichte des Manufakturwarenhandels

Der Reisepaß, dessen Kopie unten abgebildet ist, wurde im Juli 1813 in Edam. Holland. ausgegeben an den Menslager Kaufmann Tobias Kernkamp. Was tat dieser Tobias Kernkamp in Edam und wozu benötigte er diesen Paß? Am Beispiel der Familie Kernkamp soll im folgenden ein wenig über den deutschen Manufakturwarenhandel in den Niederlanden im vorigen Jahrhundert berichtet werden. So wie die Kernkamps haben viele Deutsche im vorigen Jahrhundert einen profitablen Handel zwischen den beiden Ländern betrieben.

Tobias Kernkamp wurde 1758 in Menslage geboren als Sohn des Johann Diederich Kernkamp (1723-1779), der nachweisbar schon 1744 in Edam war und in der Volkszählung von 17721) genannt wird mit der Bemerkung: »handelt mit Wollaken«. Die Kernkamps waren demnach schon einige Zeit im Handel mit Textilien tätig. Zu der Zeit gingen viele Deutsche als Saisonarbeiter nach Holland, um dort das Geld zu verdienen, daß sie zu Hause wegen fehlender Möglichkeiten nicht bekommen konnten. So gingen z. B. 1656 3% der Menslager Einwohner im Sommer nach dem »reichen Westen«. Die meisten dieser sogenannten Hollandgänger arbeiteten auf dem Lande beim Grasmähen oder Torfstechen. Die Geschichte der Textilkaufleute verläuft parallel zu der Entwicklung der Saisonarbeit. hat aber auch seine eigene Herkunft

Schon seit dem späten Mittelalter wurde im Osnabrücker Land Flachs angebaut; hauptsächlich im Süden, aber auch in beträchtlichen Mengen in den Kirchspielen Badbergen und Menslage. Aus dem Flachs wurden Garn und Leinwand hergestellt und das sogenannte »Artländer Leinen« hatte einen ausgezeichneten Ruf. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts kam die Produktion von Wollaken hinzu. Dies war ein Gewebe aus Leinen und Wolle und wurde neben dem reinen Leinen hauptsächlich nach Holland exportiert. Die Anfertigung des Wollakens geschah im Nebenerwerb bei den Heuerleuten und kleineren Landwirten zu Hause und zwar hauptsächlich im Kirchspiel Berge. Im Kirchspiel Menslage wurde das dazu benötigte Flachsgarn hergestellt. Erst nahmen die Hollandgänger einige Stücke Leinen oder Wollaken zum Verkauf mit. wenn sie zur Arbeit nach Holland gingen. Als die Mengen immer größer wurden, verlegten sich einige ganz auf diesen Handel und wurden Textilkaufleute. die sogenannten »Manufakturiers«. 1773 schrieb der Menslager Pastor Gerding. daß viele Leute jährlich nach Holland gingen. » … nicht nur. um grobe Handarbeit zu verrichten oder zu Schiffe zu fahren. sondern auch sich auf die Handlung legen, welche jährlich 16 bis 20.000 holländische Gulden ins Land bringen …«.2 Zur Unterstützung der kaufmännischen Ausbildung wurde z.B. um 1800 in der Schule zu Berge zum Rechnen ein holländisches Lehrbuch benutzt und in der Oberstufe bekamen die Kinder sogar Unterricht im Aufstellen von Frachtbriefen und Quittungen.

Anfang des 19. Jahrhunderts verschlechterte sich dann aber die Situation. Die Niederlande belegten nach 1815 das deutsche Wollaken mit einem Einfuhrzoll und es kam eine bedeutende Konkurrenz aus dem früh industrialisierten England. das mit der billigeren Baumwolle große Teile des Marktes für sich eroberte. Dazu kam die rasche Zunahme der Bevölkerung und einige Mißernten in dieser Zeit. 1830 fielen die holländischen Zölle wieder fort und die deutschen Behörden versuchten dazu die Lage durch die Eröffnung von »Leggen« zu verbessern. Dies waren Einrichtungen, in denen das Leinen behördlicherseits auf die Einhaltung von Qualitätsmerkmalen geprüft und gekennzeichnet wurde. Hierdurch sollte der Absatz verbessert werden. So wurden 1825 in Quakenbrück und Berge solche Leggen eingerichtet. In Menslage wurde weiterhin 1830 der »Garnverein« gegründet 3′. » Zur Beförderung der Industrie und zum Wohle der geringen Familien«.

 

1Tabelle der im Kirchspiel Menslage lebenden Menschen nach ihrem Stande und Handthierungen

(StAO Rep. 100 / Abschn. 188 / Nr. 46

2Zitiert von Dr. K.H. Ziessow in »Ländliche Lesekultur«. Seite 107

3 siehe: »Kirchspiel Menslage Beiträge zur Geschichte«. Seite 623