Der Maler Heinrich Hermanns auf dem Hümmling 3

Ein besonderer “Rattenreport”!

Text des vorstehende Zeitungsartikels:

Heinrich Hermanns – Aus meinem Heidedorf

Ein Bauernwagen hatte mich am Endpunkt der Kleinbahn abgeholt. Nach einigen Stunden Fahrt durch die herbstliche Heide hielt der Wagen still und vor mir sah ich das von einem früheren Besuch in Erinnerung gebliebene „Gasthaus“. Mit einigen wohl begründeten Zweifeln trat ich in das mit Stroh gedeckte Haus, zuerst auf die Tenne, dann in die Küche, die zugleich Gast-  und Wohnstube war. Neben dem offenen Torffeuer saß ein Mann in mittleren Jahren, der sich nun als Lehrer des Ortes vorstellte. Und dann kam der Wirt mit einem Sprössling auf den Arm, die Wirtin bereitete dann in der durch ein Talglicht erleuchteten Stube mein Abendbrot.
Ermüdet von der langen Reise und den neuen Eindrücken ließ ich mir meine Schlaf Stube anweisen.

Eine niedrige Holz- respektive Bettwand teilte den Raum. Die eine Hälfte war mit Stroh gefüllt, worüber sich mein Bettzeug ballte und türmte. Die andere Hälfte diente dem Gast zum Auskleiden. An einer Wand befand sich ein winziges Fenster. Auf einem Stuhle stand die kleine Waschschüssel. Ich musterte bei dem flackernden Kerzenlicht den Raum, dessen Lehmboden absonderliche Löcher und Vertiefungen aufwies. Auf meine Frage, ob vielleicht Ratten dort seien, murmelte die Wirtin etwas Unverständliches und verschwand in der Vorahnung, dass hier meines Bleibens wohl nicht sein sollte, wollte ich meinen Reisekorb nicht öffnen und erbat mir ein paar Holzschuhe, um etwas zum Anziehen zur Hand zu haben.

Nach diesen Vorbereitungen begab ich mich zu Bett. Da kamen auch schon die Ratten. Sie huschten über meinen Kopf, Gesicht Hände und tobten im Zimmer herum. Schnell ergriff ich die beiden Holzschuhe und schlug nach allen Seiten. Sobald ich Licht anzündete, war alles fort. In der Dunkelheit gingen Tumult und Freudensprünge wieder los. Teils bei Licht teils in der Finsternis die Holzschuhe schwingend verbrachte ich die Nacht, bis gegen Morgen ein fahler Tagesschein durch das kleine Fenster hereinbrach und die lichtscheuen Gesellen fortblieben und mir vor Müdigkeit die Augen zufielen. Mit Schmerzen im Kopf und brennenden Augen nahm ich rechts verdrießlich das Frühstück ein.

Kurz entschlossen ging’s zum Herrn Lehrer, (der sich rasierte). Ohne in seiner Arbeit innezuhalten hörte er mein Klagen und sagte dann ruhig: Ich habe mir schon gedacht dass sie kämen. Sie gehören auch zu jenen nervösen Großstädten, die sich wegen jeder Belästigung in der Nachtruhe stören lassen. Nach kurzem Kriegsrat war ich bei einem Bauern untergebracht. Abseits von der großen Landstraße lag mein stilles Dorf. Alte Hütten stehen in Gruppen vereinigt unter hohen Eichen und Buchen verstreut. Jahrhunderte haben die Bäume gebraucht, um sich aus kärglichem Boden zu entwickeln. Eingeschnitzte die Inschriften deuteten auf hohes Alter und geben Kunde, dass schon manches Jahrhundert dasselbe Bauerngeschlecht hier auf selbiger Scholle saß. Schwer nur sind dem Boden Erfolge zu entrinnen. Große Entfernungen erschweren den Ab- und Umsatz der Ernte. So herrscht noch patriarchalischer Geist und zähes Festhalten an den Überlieferungen. Vergeblich bemüht sich der junge Bauer, wenn er in der Garnison seinen Dienst erfüllt hat, neuen Geist hinein zu tragen.