Für die Tödden eine eigene Stadt – der Plan ist jedoch nicht umgesetzt worden

Das neue Dorf bei Schale

„In der Grafschaft Lingen befinden sich noch sehr große Wüsteneien, besonders aber in der Gegend zwischen Freren und Recke, woselbst man in vier Stunden nur von ferne Gebäude siehet.” Mit Hilfe einer öffentlichen Bekanntmachung vom 10. November 1744 hatte man versucht, fremde Leute anzulocken, die in dieser „Wüste” ansiedeln sollten. Der Versuch mißlang zwar, aber die Idee war geboren, im unbesiedelten Gebiet entlang des sogenannten Napoleondammes eine „neue Dorfschaft” anzulegen. Beamte der Kriegs- und Domänenkammer Minden unter Federführung des Vorstehers von Hoven machten den Vorschlag, statt des neuen Dorfes sogar eine Stadt anzulegen, wozu der holländische Kaufmann Beut engagiert wurde. Für die „Töddenstadt im Moor” wurde sogar ein Plan eingereicht, der noch erhalten ist. Er zeigt eine rechteckige Siedlung mit über hundert Häusern und allen öffentlichen Einrichtungen, die zu einer Stadt gehörten: Kirche, Rathaus, Waisenhaus, Judenviertel, Handwerksquatiere usw. Sie sollte an einer tiefergelegenen Stelle errichtet werden, nach holländischem Vorbild, mit einem Kanal umgeben, dessen Wasserstand von zwei windgetriebenen Mühlen reguliert wurde. #

Die Stadt war nur an zwei Stellen über Zugbrücken zugänglich und wurde von Kanälen durchzogen, an denen entlang Bürger- und Lagerhäuser Platz fanden. Über die Hauptbrücke waren Rathaus, der Markt und die Kirche miteinander verbunden. Die Kirche hatte drei Züge. Neben dem lutherischen und reformierten, bemerkenswerterweise auch einen katholischen. Hier wird die tolerante Haltung Friedrichs des Großen gegenüber der Gewissensfreiheit der einzelnen sichtbar: „ Jeder soll nach seiner Fasson selig werden.“ Über kleinere Brücken konnte man durch die in quadratischen Blöcken eingeteilte Stadt von der Kirchstraße zur Herrenstraße gelangen. Die Stadt war offensichtlich sehr groß geplant worden, wohl in dem Glauben, die Mehrzahl der über 1000  Packenträger hier ansiedeln zu können. Im Jahre 1750 sind alsTödden amtlich registriert:

Hinzu kommt die nicht unbeträchtliche Zahl der Packen- und Messerträger aus Voltlage und aus dem Amt Rheine /Bevergern.

Da die meisten Tödden Heuerlinge oder mit Einwohner ohne Grund und Hausbesitz waren, brauchten  sie keine Steuern zu zahlen. Auf der anderen Seite verdienten sie aber mit ihrem Hausierhandel verhältnismäßig viel Geld. Deshalb wollte man sie zu Stadtbewohnern machen, um sie so zur Steuer veranlagen zu können und auch, um ihren Handel und ihre angeblichen Schmuggelgeschäfte unter Kontrolle zu bringen. Begreiflicherweise stießen diese Absichten bei den Tödden auf wenig Gegenliebe. Die Rechnung war ohne den Wirt gemacht. So ist die Stadt nie erbaut worden. Im Jahre 1750 heißt es: „Es fehlt an Neuansiedlung, weil niemand den Anfang machen will. In der Stadt fehlt es den Leuten auch an Bauholz. 3 Jahre später berichtete die Mindener Kammer mit Bitterkeit nach Berlin: Die Recker, Mettinger und andere wollen lieber auf einem Fußbreit Erde sterben, als eurer königlichen Majestät Steuereinnahmen zu vermehren.“

 

Seite 65 - 67