Rezension des Buches “Heuerhäuser im Wandel”

Heuerhäuser im Wandel – Vom ärmlichen Kotten zum individuellen Traumhaus,

Bernd Robben/Martin Skibicki/Helmut Lensing/Georg Strodt,

[Druck und Herstellung: Meinders & Elstermann, Belm] Haselünne 2017

[ISBN 978-3-9818393-2-6] 332 S., 29,80 Euro

Obwohl die große Zeit des Heuerlingswesens mit den 60er Jahren des vorherigen Jahrhunderts zu Ende ging, ist das Thema immer noch sehr gefragt und vermag, wie viele Vorträge in jüngster Zeit beweisen, spielend große Veranstaltungsräume zu füllen. Mit großer Emotionalität werden weiterhin heftige Debatten über eine vergangene Sozialstruktur geführt.

Eine Reihe von Publikationen wie auch mehrere Ausstellungen zeugen von der heute noch ungebrochenen Anziehungskraft dieses Themas.

Einen wichtigen, in der Literatur wenig beachteten Aspekt der Thematik, nämlich Verfall und neue Nutzungsmöglichkeiten von Heuerhäusern, behandelt anschaulich, gut leserlich und fachlich orientiert der 2017 erschienene Bildband „Vom ärmlichen Kotten zum individuellen Traumhaus“. Nach dem Erfolg des Bandes „Wenn der Bauer pfeift, müssen die Heuerleute kommen!“ mit 14.000 verkauften Exemplaren in fünf Auflagen haben die Autoren dieses Bandes, nämlich Bernd Robben und Dr. Helmut Lensing, im Team mit dem Fotografen Martin Skibicki und dem Zeichner Georg Strodt es erfolgreich unternommen, in einer neuen Arbeit, die Volkskunde und Hausforschung zum Inhalt hat, als Bildband die Zeugnisse der Lebens- und Wohnverhältnisse der Heuerleute, also der kleinbäuerlicher Schichten, zu beleuchten.

Im Vorwort wird die Intention der Publikation klar herausgestellt. Den vielen Veröffentlichungen über Herrensitze, Schlösser und Burgen soll eine Veröffentlichung über die Wohnsituation der ländlichen Unterschicht, der zur Zeit der Blüte des Heuerlingswesens am häufigsten vertretenden Bevölkerungsgruppe, zur Seite gestellt werden.

Eine Struktur des Inhalts ist aus einer Karte nachvollziehbar. Dort werden schwerpunktmäßig fünf Regionen mit ihrer Baukultur von Heuerhäusern und Kotten vorgestellt, zur Orientierung farblich im Überschriftbalken voneinander abgesetzt.

Mit brillantem Bildmaterial, das bewusst den Textteil dominieren soll, werden ausgewählte Einzelobjekte präsentiert. Die Abhandlung enthält viele Informationen zu Besitz, Erb- und Verwandtschaftsverhältnissen der ehemaligen Besitzer und über Renovierungsphasen zu einzelnen Objekten. Es sind persönlich gefärbte Erlebnisberichte, die für den Leser ein großes Angebot zur Auswahl darstellen. Auch wenn wahrscheinlich nicht alle Begeleittexte wegen ihrer Fülle gelesen werden, so sind sie durchaus lesenswert und die Ausführlichkeit der Darstellung ist legitim, weil sie den persönlichen, direkten Bezug zu denjenigen herstellen, die oftmals eine große Arbeitsleistung und ein hohes finanzielles Risiko auf sich genommen haben, was sie bei Kenntnis der Schwierigkeiten und erschwerenden Bauüberraschungen oftmals nicht übernommen hätten. Ihnen gebührt der Dank für die Erhaltung des materiellen kulturellen Erbes der Region.

Erfahrungsberichte mit Baubehörden und die Tücken und Probleme mit dem Umbau folgen und die nicht gerade aufbauenden Ratschläge von Freunden und Verwandten, die aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes des zukünftigen „Wohnobjektes“ nur den Einsatz eines Radladers als Lösung rieten und dann mehr als überrascht waren, wie eine sinnvolle Nutzung im Einklang mit den Denkmalschutz und den Erfordernissen modernen Lebensstandards möglich wurde. Eine Vielzahl von Neunutzungen werden vorgestellt wie Praxis, Vereinshaus, Begegnungsstätte, Standesamt, Atelier, Archiv, Café/Gastronomie, Heimathaus, Wohnung und Ferienwohnung und vor allem individuelle Traumhäuser von Städtern.

Da Bauern häufig nicht gewillt waren, ehemalige Heuerhäuser zu verkaufen, kam es aber auch schnell zur Kette der Ereignisse: Auszug – Verfall und Abriss, so dass unzählige Heuerhäuser innerhalb weniger Jahrzehnte spurlos verschwanden, wie das Autorenteam in Text und Bild nachweist. Die Natur erobert sich das vom Menschen Geschaffene zurück, denn der Verfall erfolgte auch deshalb so rasant schnell, da bei Heuerhäusern meistens weniger qualitätsvolle, um nicht zu sagen minderwertige, Baumaterialien verwendet worden waren.

Zu diesen Darstellungen von geretteten Heuerhäusern gibt es eine Reihe verständlicher Fachbeiträge allgemeiner Art, informativ und nicht belehrend. Dass sich dabei einige Informationen wiederholen, liegt in der Natur der Sache, dass nämlich jeder Beitrag für sich steht und somit eigenständig den historischen Zusammenhang auflisten muss. So wird die Architektur verschiedener Heuerhäuser und Kotten untersucht und der Vorteil des Rauchhauses mit der Konservierung der Erntevorräte auf dem Dachboden und des Dachstrohs oder des Reets. Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Bewohner durch Lungenerkrankungen werden dagegen gehalten. Als „Heuerlingskrankheiten“ werden bedingt durch die Bauweise der Behausungen der Mangel an Licht und Frischluft, die Probleme mit Feuchtigkeit und Kälte, die Anfälligkeit für TBC durch den Bau der Schlafstätten, der Alkoven, analysiert oder die Entwicklungsrückstände bei Kindern aufgrund von Blutverlust durch 100 bis 3.000 Flohstiche pro Nacht. Manchmal entsteht der Eindruck, dass die Publikation mit der Berücksichtigung einer Fülle von Aspekten sich zu viel vorgenommen hat. Aber der Zusammenhang mit der Grundthematik wird immer wieder hergestellt wie z.B. bei den Gesichtspunkten Bevölkerungswachstum, Hollandgang und Auswanderung. Sehr aussagekräftig sind Inventarverzeichnisse von Heuerlingshäusern und Heuerlingsverträge. Lobenswert ist die Erstellung von einem umfangreichen Literaturverzeichnis sowie einem Personen- und Ortsverzeichnis.

Benno Dräger

Erschienen im  Jahrbuch des Heimatbundes für das Oldenburger Münsterland