Heuerlingsfrauen in Amt und Würden

 

Wagenfelder Hebammen waren mehrheitlich Heuerlingsfrauen (Häuslingsfrauen)

aus

Timo Friedhoff: DIE HEUERLINGEim-friedhoff-im-archiv

Leben und Wirtschaften der ´kleinen Leute` in Wagenfeld vom 18. bis zum 20.

Jahrhundert

Bisher unveröffentlicht

Seite 242/243

 

Die Hebammen zählten ursprünglich zu den kirchlichen Amtsträgern. Bis zum Ende des18. Jahrhunderts wurden sie häufig vom Prediger allein ausgewählt und bestimmt, doch 1796 erließ das Konsistorium zu Rinteln die Auflage, dass in Zukunft auch die Kirchenvorsteher bei der Suche nacheiner als Hebamme geeignet scheinenden Frau beteiligt sein und später auch den Eid der Frau mit unterschreiben sollen. Der Landphysikus der Ämter Uchte, Freudenberg und Auburg, Dr. Crusius, gab 1788 einen Brief mit neun Punkten heraus, die eine Hebamme erfüllen sollte. So nannte er die Eigenschaften, „… welche eine zur Hebamme vorzustellende Frau haben müßte.

1) Sie darf keine Wirthin in einer Stette seyn.

2) Muß zwischen 30 bis höchstens 50 Jahr alt und von guter Gesundheit seyn

3) Selbst Kinder gehabt haben, die nun bereits so groß sind, daß solche ihrer Aufsicht benöthigten Falls entbehren können.

4) Sie muß schreiben, nein auch gedrückte und geschriebene Schrift lesen können

5) Muß eine kluge, stille, sinnige, verschwiegene, nüchterne, treue Frau seyn, an Streit und Partheyen keinen Theil nehmen, zu welcher jede Bauerfrau ein gutes Vertrauen hat.

6) Muß ihren etwaigen kleinen Haushalt bereits übergeben haben, oder doch auf mehrere Tage ohne Schaden verlassen können, wenn eine schwache Wöchnerin sie zur Pflege für sich und ihr Kind auf einige Tage bey sich behalten wollte.

7) Es muß nichts Böses auf sie zusagen, sondern ihr Wandel jedem gefällig seyn.

8) Sie muß nicht ganz arm seyn, damit sie sich in Kleidung reinlich halten, arme Kindbetterinnen besser verschonen, und sich schwerer Arbeit, wodurch ihre Hände hart und schädlich werden, enthalten können.

9) Sie muß in einem der ihr angewiesenen Dörfer selbst ansässig seyn, und immer sich einheimischhalten“.

Da aus dieser Zeit kein Hebammen-Eid erhalten geblieben ist, möge aber folgender „Wehemutter Eydt“ von 1756 zur Ansicht dienen:

„Ich gelobe und schwehre, daß ich dem Amt der Wehemutter, darzu ich mich begeben habe, treulich vorstehen, und demselben mit Fleiß meines besten Verstandes vorstehen will, wenn ich zu denen Weibern, so der Geburthwoche, oder in Kindes Nöthen seyen, gefordert werde, es sey bei Tage oder

Nacht nicht lang außenbleiben, damit durch meinen Verzug niemand verkürtzt werde, auch in Nöthen von solchen Weibern nicht ehe setzen noch gehen, bis sie gebohren haben, und die Gefahr vorhanden wäre, mit Vorsichtigkeit der Mutter und des Kindes Gesundheit und Wohlfahrt nach meinem besten Vermögen und Verständnis in gute Acht nehmen, in gleichen in der Noth den Müttern bescheiden und gütig seyn mit Worten und Wercken, bey den armen Weibern nicht weniger Fleiß thun und haben alsbey den Reichen, sondern denselben gleichfals treulich rathen, helfen und beständig seyn, und dasnicht lassen will, weder durch Lieb, Leyd, Gunst, Gabe, Freund- oder Feindschafft, noch um einigeranderer Sachen, will auch, so fern ein uneheliches Kind gebohren werden solle, derselben mit Ernst zu reden, auch sie des Kindes Vater zu nennen, anhalten, und vermahnen …

.Vorstehende Eydes Formel hat die Wittib Trine Elisabeth Reuters aus Bockel auf unten gesetzten Tag abgeschwohren. Auburg den 4ten December 1756, Henrich Christian Rotarius, Praefectus“.

Aus einem Schreiben des Wagenfelder Pastors Kahler an Dr. Crusius aus dem Jahre 1791 ist zu erfahren, welchen Lohn die Hebammen in Wagenfeld für eine Geburt zu erwarten hatten, und zwar für die Entbindung eines

Wagendiensters Frau: 12 Mariengroschen

eines Leibdiensters Frau: 9 Mariengroschen

eines Brinksitzers Frau: 6 Mariengroschen

eines Einliegers Frau: 4 ½ Mariengroschen

 

Die zu zahlenden Gebühren waren also nach dem Stand der Bauern gestaffelt. Pastor Kahler schließt diesen Brief mit der Anregung, man könnte doch in den zu schwörenden Eid den Punkt aufnehmen, dass die Hebamme die Wöchnerinnen ermahnen sollten, sich des Branntweintrinkens zu enthalten. So könnte sie den Frauen gegenüber nämlich behaupten, sie weise sie gewissenheitshalber auf dessen Schädlichkeit hin und ihr würde dann „… nicht so leicht der Vorwurf gemacht werden: wir sind Bauern, und wollen als solche, und nicht wie vornehme Leute behandelt werden …“.

Die Wagenfelder Hebammen stammten zu zwei Dritteln aus der Schicht der Heuerlinge, da diese keinen eigenen Hof, sondern oftmals nur einen kleinen Haushalt zu versorgen hatten und daher im eigenen Hause leichter abkömmlich waren.

Folgende Hebammen sind in Wagenfeld vom frühen 18. bis zummittleren 20. Jahrhundert bisher nachweisbar:

 

  • Catharina Senhorst, geb. ? († 1706), Ehefrau des ehemaligen Küsters Heinrich Senhorst; Amtszeit: 1689 – 1706
  • Elsabim Kenneweg, geb. ? (1657-1725), Ehefrau des Leibdiensters zu Haßlingen Nr. 27 Caspar Kenneweg
  • Anna Catharina Pümmel, geb. ? (1685-1752), Ehefrau des Brinksitzers zu Bockel Nr. 39 Johann Wilhelm Pümmel
  • Catharina Margaretha Langhorst, geb. ? (1674-1756), Witwe des Lehrers Christian Langhorst
  • Margarethe Hedewig Dieckkrüger, geb. ? (1697-1757), Witwe des Schulmeisters zu Neustadt Johann Henrich Dieckkrüger
  • Trine Elisabeth Reuter, geb. Cording (1698-1763), Witwe des Brinksitzers zu Bockel Nr. 32 Wilhelm Henrich Reuter; Amtszeit: 1756 – 1763
  • Maria Hedewig Brocade, geb. Spreen (1722-1781), Witwe des Häuslings zu Wagenfeld Henrich Hartmann Brocade
  • Sophie Eleonore Hinrichsen, geb. Santorak (1558-1823), Witwe des Chirurgus` zu Wagenfeld Marius Hinrichsen
  • Margarethe Elisabeth Fincke, geb. Schmidt-Clodius (1741-1805), Ehefrau des Einliegers zu Neustadt Henrich Wilhelm Fincke; Amtszeit: 1800 – 1805
  • Sophie Charlotte Schröder, geb. Heller (1766-1842), Ehefrau des Häuslings zu Bockel Friedrich Wilhelm Schröder
  • Marie Dorothee Louise Kruse, geb. Coldenstrodt (1826-1888), Witwe des Wagendiensters zu Haßlingen Nr. 4 Carl Wilhelm Kruse, Amtszeit: 1878 – 1888
  • Marie Dorothee Louise Hille, geb. Flick (1804-1881), Witwe des Häuslings zu Haßlingen Christian Hille
  • Louise Molkenhardt, geb. Meier (1823-1915), Witwe des Häuslings zu Haßlingen, Carl Christian Henrich Meier
  • Sophie Louise Henriette Kruse, geb. Trümpler (1852-1917), Witwe des Häuslings und Zimmermannes zu Neustadt Carl Friedrich Wilhelm Kruse
  • Conradine Auguste Hildebrand, geb. Niemeyer (1889-1966), Ehefrau des Schlachtermeisters zu Haßlingen Nr. 24 Wilhelm Hildebrand
  • Johanne Louise Hake, geb. Uffenbrink, verw. Nackenhorst (1875-1954), Ehefrau des Malermeisters zu Förlingen Nr. 188 August Georg Wilhelm Hake; Witwe des Häuslings zu Bockel Conrad Christian Carl Nackenhorst