… auch ein Treffpunkt für Heuerleute!
Seit 1928 hatte Lingen einen Zentralviehmarkt. Vorher wurde in verschiedenen Straßen mit Vieh gehandelt. In der Bauerntanzstraße fand der Ferkelmarkt statt. Das Großvieh wurde auf dem Pferdemarkt an der Burgstraße aufgetrieben. Und auch in der Castellstraße wurde mit Großvieh gehandelt.
Das lockte auch viele Heuerleute in die Stadt, auch wenn sie nicht unbedingt viel umsetzen wollten. Auch für sie war der Viehmarkt eine willkommene Abwechslung in ihrem unterbäuerlichen Alltag. Sie waren ja auch ausgesprochene Kenner der verschiedenen Viehqualitäten, die sie zu Hause und auch auf dem Bauernhof erlebten. Man fühlte sich vertraut im Marktgeschehen und man traf natürlich viele Bekannte. So kamen dort auch Absprachen und andere Geschäfte zustande. Außerdem gab es unter den Viehhändlern interessante Typen, die den Handel zu einem Schauspiel werden ließen.
Mit der Zeit wurde der Viehauftrieb so groß, dass die Gassen zu eng wurden, und so beschloss der Rat 1927 auf dem ehemaligen Hüttenplatz an der Bahn, an der Alten Rheiner Straße einen Zentralviehmarkt zu errichten, auf einem Arial, was fast 20.000 m2 groß war, also 2 Hektar.
Der Markt fand alle 14 Tage statt. 1927 wurden 590 Pferde und 143 Rinder aufgetrieben. Im Krieg wurde dann kaum gehandelt. 1948 betrug der Auftrieb schon wieder 2.365 Pferde und 1.373 Rinder. Im Jahr 1954 wurden insgesamt 49.463 Tiere gezählt. Die Anzahl der gehandelten Pferde nahm ständig ab in den nächsten Jahren. So wurden 1962 noch insgesamt 35.545 Tiere aufgetrieben. Davon 4.740 Pferde, 29.299 Rinder und 1.200 Kälber 23 Schafe und 15 Ziegen. 1963 waren es weniger als 300 Pferde. Die ehemaligen Heuerleute hatten den Bauernhöfen den Rücken gekehrt und mittlerweile einen anderen lukrativerem als Platz gefunden. Dafür waren die Bauern gezwungen, sich Schlepper und andere entsprechende Landmaschinen zu kaufen. Dabei waren dann die Pferde überflüssig.
Während der Markttage waren nicht nur alle deutschen Mundarten zu hören, sondern auch Vertreter aller deutschen Nachbarstaaten waren anwesend. Auch dieses spricht dafür, dass der Lingener Zucht- und Nutzviehmarkt den guten Ruf von eh und je gehalten hat. Insbesondere die Lage Lingens war für einen großen Viehmarkt von Bedeutung. Die günstige Verbindung nach Ostfriesland und Südoldenburg und ebenso die Anbindung an das rheinische Industriegebiet durch Straßen. Holland und Belgien sind ebenso nahe gelegen. Und wo ein enges Markttreiben herrscht, da fanden sich dann auch die süddeutschen und die entfernter liegenden Franzosen ein.
Mit dem Vieh kam auch Geld in die Stadt. Wenn ein guter Handel abgeschlossen wurde, wollten etliche Händler auch noch gut speisen und trinken. In der Gaststätte Seemann war dann alles überfüllt. Aber auch die Kantine direkt Im Viehmarkt bot 400 Leuten Platz. Zwei Vertreter der emsländischen Bauernbank saßen vor Ort und nahmen Einzahlungen von Viehhändlern und Bauern entgegen.
In den siebziger Jahren nahm die Beschickung des Marktes in Lingen zusehends ab. Viele Bauern waren zur Direktvermarktung übergegangen. Schließlich wurde der Viehmarkt ganz eingestellt.