Die unbestimmten Dienste (Pastor Funke)

Zu diesem Kernproblem das Heuerlingswesen merkt Pastor Funke ausdrücklich an, dass die Verhältnisse auf dem einzelnen Höfen für die Leute durchaus unterschiedlich waren. Neben den alltäglichen Situationen gab es aber auch viele Fälle, wo von Seiten der Bauern als wenig Rücksicht auf die schwierige Lage der heuer Leute genommen wurde:

Nicht selten tritt auch der Fall ein, daß die Heu­erleute plötzlich auf einzelne Stunden von dem Colo­nen zur Arbeit aufgerufen werden, was besonders nachtheilig ist, indem sie alsdann oft mitten in ihren Arbeiten dieselben liegen lassen müssen. Häufig wird ihnen dann nicht einmal die Kost verabreicht. Sind die Colonen billig[1], so muß das Drückende, welches in der Haushülfe liegt, in einem gewissen Grade schwinden. Ganz anders aber stellt sich das Verhält­niß heraus, wenn bei ihnen die Rede: „Wenn wir pfeifen, so müssen die Heuerleute kommen,“ eine Wahrheit geworden ist; – und Beispiele, wo solches der Fall ist, sind in der That nicht selten.

Es sind uns Fälle bekannt, wo sich die Heuerleute schon zur Ruhe niedergelegt hatten, als Bestellung zu Handdiensten auf den folgenden Tag Statt fanden, und wo auf die wohlbegründete Vorstellung, daß dieses nicht wohl möglich sei, indem sie dann selber bereits angefangene Arbeiten, die durchaus beendet werden müßten, zu ihrem größten Nachtheil liegen lassen genöthigt würden, nichts anderes erfolgte, als die Antwort: Ihr sollt kommen. …

… Wir können Beispiele[2] anführen, wo sie, ohne dem Heuermanne, mag er auch noch so nahe woh­nen, die geringste Nachricht zukommen zu lassen, wann die Hülfe stattfinden soll, sondern ohne weite­res, meist wenn das Wetter für die eigene Arbeit zu ungünstig erscheint, mit Pferden, Pflug und Wagen ankommen, um den Acker zu bestellen, mag der Heu­ermann zu hause sein oder nicht. Muß nicht solche Rücksichtslosigkeit, die ja leicht vermieden werden könnte, bei dem Heuermanne Bitterkeit erwecken?

Wir sind es jedoch der Wahrheit schuldig, hier zu bemerken, daß die Anzahl der Colonen, welche es mit ihren Heuerleuten wohl meinen, nicht gering ist, und daß in solchem Falle das Verhältniß ein durchaus billiges wird, so daß beide Theile sehr wohl mit den gegenseitigen Prästationen[3] bestehen könnten, wenn nur die übrigen Lebensbedingungen für die Heuer­leute günstiger wären.

[1] Gemeint ist hier, daß der Colon auf die Arbeiten der Heuerleute Rücksicht nimmt.

[2] Dieses Beispiel gilt für die Pferdehilfe des Bauern für den Heuermann.

[3] Leistungen.

Aus: Lübbert zur Borg, 1847 - Pastor Funkes Buch über Probleme des Heuerleutesystems, in: Menslager Hefte 9, Seite 24