Landarbeitermarkt in Ostfriesland

Landarbeitermarkt in Hinte

Karte aus: https://de.wikipedia.org/wiki/Hinte

 

Wie war die Situation der Landarbeiter um 1900?

(Jedenfalls recht anders als die der Heuerleute weiter südlich)

 

In der Marsch

Die Bauern in den Marschgebieten hatten mindestens 50 Hektar, in Einzelfällen bis 180 Hektar unter Bewirtschaftung. Auf den großen Plaatzen arbeiteten zumeist drei Knechte und drei Mägde.

  • Groote Knecht, Knecht und Lütje Knecht
  • Groote Maid, Maid und Lüttje Maid

Letztlich konnten ein oder mehrere Tagelöhner eine ständige Beschäftigung finden

auf der Geest und im Moor

Im Vergleich dazu waren die Höfe auf der Geest und in Moorgegenden viel kleiner. Moorkolonisten bewirtschafteten beispielsweise Höfe mit lediglich 3 bis 10 ha. Alle Familienangehörigen mussten auf dem Hof mitarbeiten. Trotzdem war es oft nicht möglich, den Lebensunterhalt zu erwirtschaften

Kleinbauern von den Geest- und Moordörfern, die in der Erntezeit (die Zeit der hohen Löhne) auf den Höfen der Marsch Geld hinzuverdienen wollten und Landarbeiter, die kein eigenes Land besaßen, hatten die Möglichkeit auf Arbeitermärkten ihre Arbeitskraft anzubieten. In Hinte und Pewsum gab es in der Saison jeden Samstag Arbeitermärkte.

Es kamen auch Landarbeiter von weiter her, z. B. aus dem Südoldenburgischen. Sogar aus Holstein und Hannover sollen Arbeiter gekommen sein. Vor allem junge, kräftige Männer (meist zwischen 15 und 30 Jahren) wanderten der Arbeit hinterher. Die langen Wege wurden häufig zu Fuß zurückgelegt, nur wenige hatten ein Fahrrad. Manche fuhren per Bahn mit einer Arbeiterkarte. So gab es einen speziellen Sonntagsarbeiterzug von Georgsheil nach Emden, damit die Arbeiter am Montag früh mit der Arbeit beginnen konnten.

Warum gab es in Hinte einen Arbeitermarkt?

Hinte lag sehr verkehrsgünstig (durch die Bucht von Sielmönken war Hinte mit dem Meer verbunden). Die Aa oder Ehe ein Nebenfluss der Ems, ermöglichte eine schiffbare Verbindung nach Emden. Später wurde daraus das „Hinter Deep“ (Hinter Tief)

1733 erhielt Hinte das Marktrecht. Auf dem „Großen Brüggenort“ wurde der Markt abgehalten. Der Platz eignete sich auch deshalb sehr gut, weil es dort einen Schiffsanlegeplatz gab. Noch heute gibt es diesen Platz bei der Muhte und dem neuen Rathaus.

Seit ca. 1850 wurden in Hinte Arbeitermärkte, auch „Menschenmärkte oder Arbeiterbank“ genannt, abgehalten. Diese Arbeitermärkte wurden gelegentlich mit Viehmärkten und Sklavenmärkten im Süden der USA verglichen. Dies trifft jedoch den Charakter der Arbeitermärkte nicht, weil die Arbeiter selbst ihre Arbeitskraft anboten, sie wurden nicht verkauft.

  • Für welche Arbeiten wurden Saisonarbeiter benötigt?

Die Erntearbeiten konnten nicht  allein von den Stammarbeitern bewältigt werden. Hauptsächlich ging es um das Schneiden von Gras und Getreide. Später wurden Arbeiter bei der Ernte von Hülsenfrüchten benötigt.

Vielfach kamen auch die Frauen der Arbeiter mit, die bei der Getreideernte für das Binden der Garben zuständig waren. Dies war eine sehr anstrengende Arbeit, weil sie mit vornübergebeugtem Oberkörper verrichtet werden musste. ·

Wie funktionierte ein Arbeitermarkt?

In der Saison versammelten sich Arbeiter und Bauern auf dem Marktplatz. Es sollen sich zeitweise mehr als 500 Arbeitssuchende auf dem Hinter Arbeitermarkt aufgehalten haben

Zunächst fanden diese Märkte am Sonntag vor dem Kirchgang statt. Später wurden sie auf den Samstagnachmittag verlegt, der deswegen arbeitsfrei war. Arbeiter konnten direkt mit den Bauern die Bedingungen für eine Beschäftigung aushandeln. Es kam aber auch vor, dass von Arbeitern gewählte Wortführer die Verhandlungen mit den Bauern führten. Die Bauern nahmen das Arbeitsgerät der Landarbeiter (Sicht und Bick oder Sense, Hammer und Haarstapel – eine Art keiner Amtes zum Dengeln der Sense naaren = dengeln) als Pfand mit zum Hof, wo es den Arbeitern am Sonntag ausgehändigt wurde.

Der auf dem Arbeitermarkt zwischen Bauer und Landarbeiter mündlich geschlossene Kontrakt bezog sich zumeist auf eine Woche. Die Arbeit begann am Montag früh und endete Samstagmittag. Suchte ein Arbeiter eine längere Beschäftigung, musste er häufiger den Arbeitgeber wechseln, indem er am Samstagnachmittag wieder zum Arbeitermarkt ging.

  • Wie war der Arbeitstag der Landarbeiter?

Die Arbeit begann am frühen Morgen, wenn kein Tau mehr auf dem Gras lag, manchmal ging es schon um 3 Uhr los. Für die Mittagspause, die meist nur eine halbe Stunde dauerte, bei großer Hitze auch länger, wurde das Essen aufs Feld gebracht. Häufig wurde so lange gearbeitet, bis die Dunkelheit einbrach. Die in der Nähe wohnenden Arbeiter (Nähe konnte auch einige Kilometer bedeuten) gingen nach der Arbeit nach Hause. Weiter entfernt Wohnende übernachteten in der Scheune im Heu oder Stroh, manche in Zelten, die von den Frauen der Arbeiter für diesen Zweck selbst genäht worden waren.

Dieser Text findet sich an einer Wand im Landarbeitermuseum in Suurhusen

Foto: Archiv Skibicki