Der Versuch einer baurechtlichen Bewältigung: Verfassungsunmittelbarer Bestandsschutz

Die Befugnis der Bauaufsichtsbehörde zum Einschreiten mittels bauaufsichtlicher Verfügungen hängt davon ab, ob ein Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften vorliegt. Dabei wird zwischen formeller und materieller Illegalität unterschieden. Die Frage nach der formellen Legalität zielt darauf, ob ein baugenehmigungsbedürftiges Vorhaben genehmigt worden ist oder jedenfalls die Voraussetzungen für einen Bestandsschutz gegeben sind. Die Beweislast hierfür trägt herkömmlich derjenige, der sich auf die Existenz einer Baugenehmigung oder die Voraussetzungen eines Bestandsschutzes beruft. In der Rechtsprechung ist insbesondere auch mit Blick auf Gebäude im Außenbereich anerkannt, dass eine Vermutung dafür spricht, dass bauliche Anlagen, die seit unvordenklichen Zeiten unter den Augen der Baupolizei bestanden haben und von diesen fortdauernd als zu Recht bestehend behandelt worden sind, seinerzeit auch ordnungsgemäß und in Übereinstimmung mit den bestehenden Gesetzen zustande gekommen sind.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegt ein durch Art. 14 Abs. 1 GG bewirkter Bestandsschutz nur dann vor, wenn der Bestand zu irgendeinem Zeitpunkt genehmigt worden oder jedenfalls genehmigungsfähig gewesen ist. Hieraus folgt, dass jedenfalls bei der überwiegenden Anzahl der nach dem 2. Weltkrieg verbliebenen Heuerhäuser von einem Bestandsschutz auszugehen war. Der baurechtliche Bestandsschutz gewährt das Recht, eine rechtmäßig errichtete bauliche Anlage in ihrem Bestand zu erhalten und sie wie bisher zu nutzen, auch wenn neue Vorschriften dem entgegenstehen; der Bestandsschutz erweist sich seinem Wesen nach einmal als ein Schutz gegenüber einem behördlichen Beseitigungsverlangen (sog. passiver Bestandsschutz) und berechtigt dazu, die zur Erhaltung und zeitgemäßen Nutzung der baulichen Anlagen notwendigen Maßnahmen durchzuführen. Darüber hinaus hat das Bundesverwaltungsgericht bis Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts im Rahmen eines sog. aktiven Bestandsschutzes auch einen Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung für gewisse begrenzte Änderungen anerkannt.

So verwundert es nicht, dass alte und neue Eigentümer von Heuerhäusern den Begriff des Bestandsschutzes für ein Allheilmittel ihrer Probleme mit den Bauämtern und den darüber bei der Bezirksregierung angesiedelten Aufsichtsbehörden hielten. Dies erwies sich jedoch häufig als Trugschluss. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erstreckt sich der Bestandsschutz für bauliche Anlagen gegenüber Änderungen der Baurechtsordnung aus der verfassungsrechtlichen Sicht des Artikel 14 Abs. 1 S. 1 GG nämlich nur auf ihren genehmigten oder genehmigungsfähigen Bestand und ihre genehmigte oder genehmigungsfähige Funktion. Er erfasst grundsätzlich nicht Bestands- oder Funktionsänderungen, weil diese über den genehmigten Zustand hinausgreifen würden und ein solches Hinausgreifen von der die Eigentümerstellung regelnden Bauvorschriften nicht gedeckt wäre. Von der Variationsbreite der als Heuerlingswohnung genehmigten oder genehmigungsfähigen Funktion mit der Bindung an die Hofstelle des Bauern war – bei genauem Hinsehen – bereits eine bloße Vermietung und schon gar nicht eine entprivilegierte Nutzung nach dem Verkauf des Heuerhauses gedeckt. Eine Genehmigung konnte nur über § 35 Abs. 2 Bundesbaugesetz/BBauGB erfolgen mit der nur schwer zu überwindbaren Hürde der Nichtbeeinträchtigung öffentlicher Belange.