Wohnen und Leben der Heuerlinge

Diese Grundrisszeichnungen sagen auch etwas aus über den jeweiligen wirtschaftlichen und sozialen Status der Hausbewohner.

3 Grundrisse a

Bedrückende Enge

Die Häuser, in denen die Heuerlinge lebten, waren im Vergleich zu denen der besitzenden Bauern klein. Die Grundfläche betrug in der Regel 1/5 zur Größe des Hofgebäudes. Wenn man dann bedenkt, dass über etliche Jahrzehnte etwa bis zur Auswanderung Mitte des 19. Jahrhunderts etliche Heuerhäuser angesichts der starken Bevölkerungswachstums mit zwei Familien belegt waren, dann kann man nur von überaus beengten Wohnverhältnissen sprechen. Aber auch bei Familien mit 5 bis 10 Kindern und mehr, zwei bis drei Kühen und mehreren Schweinen war auf diesem kleinen Raum kein Platz mehr frei.
Alte Frau im Bett

             Alte Frau in einem Wandschrank als Bett   Foto: Kreisheimatmuseum Bersenbrück (Robben)

Dennoch: Die ersten  Heuerhäuser waren Ein – Raum –Bauten, bevor ein Kammerfach angebaut wurde. So fehlte der Keller, der später unter der Upkammer angelegt wurde. So mussten viele Lebensmittel, welche leicht einfroren, in der Durk (Butze) unterhalb des Bettes oder unter den Kissen, in den provisorischen  Schränken und in den Ecken  aufbewahrt werden. Alles, was die Familie während des Winters an Nahrungsbedarf hatte, musste so auf einem kleinen Raum zusammengedrängt gelagert werden.

Lieber im Mief ersticken als erfrieren

Der Dunst davon musste oft monatelang  ertragen werden. Dazu kam noch der Staub der Spinnräder, die Ausdünstung der Menschen und der Tiere bei Tage und bei Nacht. Man muss sich heute wundern,  wenn die Bewohner in einem solchen Raum noch gesund blieben. So ist es nicht verwunderlich, dass die Sterblichkeit unter diesen misslichen Umständen sehr hoch war. So musste damals durch eine Verordnung durchgesetzt werden, dass in jedem Zimmer wenigstens ein Fenster sein musste, welches geöffnet werden konnte.Kap1-Bild-7-NeudersumBd.1-0005-Heuerhaus-Schulte-Feuerstelle

Außentemperatur – fast gleich Innentemperatur

Die dünnen Lehmwände boten keinen ausreichenden Schutz gegen die eindringende Kälte im Winter. Zwar gab am Kopfende der Diele im Winter das Feuer der offenen Herdstelle eine gewisse Strahlungswärme ab, aber dafür zog es auch überall im Haus.

Hermann Kaiser beschreibt in seinem Buch Herdfeuer und Herz Gerät im Rauchhaus wohnen damals (Cloppenburg 1980), dass nach einer wissenschaftlichen Untersuchung in einem landwirtschaftlichen Gebäude in Visbek 1974 unter Originalumständen nachgewiesen werden konnte, dass trotz der Feuerung und der Abwärme der Tiere die Außentemperatur dadurch lediglich  um vier bis sechs Grad Celsius angehoben werden konnte. Das bedeutete dann,  dass bei -10 Grad Celsius  außen lediglich eine Raumtemperatur von -4 Grad im Inneren herrschte. Wie sollten dort Neugeborene und kleine Kinder,  aber auch alte Menschen den Winter überstehen?

Leben im Qualm – Rauchhaus

Für uns heute unvorstellbar ist es auch, dass diese Katen über keinen Schornstein verfügten. Der Rauch musste sich seinen Weg selbst suchen und so zog er dann über die lose Dielendecke irgendwo zum Dach hinaus (Jacobi/Ledeburg S. 8). Das bedeutete aber gleichzeitig, dass über den umgekehrten Weg der Wind ins Haus blasen konnte. Bei widrigem Wetter zog es also kräftig im Heuerlingshaus.

Erste schornsteinähnliche Rauchabzüge wurden aus einem Lehmgeflecht hergestellt. Als dann später die Schornsteine richtig gemauert wurden, entstand der Bosen. Das war ein zusätzlicher Rauchfang, der unter der Decke angebracht war. In diesem Bereich konnten Würste und Schinken zum Räuchern aufgehängt werden.

Über der Feuerstelle lag ein dicker Eichenbaum. Er wurde Hohlboom oder Hahl genannt. Hieran war eine Kette mit einer Klinke befestigt, die man hoch und niedrig stellen konnte. Daran hing der kupferne Wasserkessel oder ein Kochtopf aus Gusseisen mit Henkel. Neben dem Feuer befand sich auch ein dickes eisernes Gestänge, dass man nach allen Richtungen drehen konnte. Diese Kochmöglichkeit ließ natürlich nur Eintopfgerichte zu.

Rauchhaus Detmold

Warum hat sich das für den Menschen so ungesunde Rauchhaus teilweise bis zum Beginn 20. Jahrhunderts gehalten?

Denn einen Schornstein konnte man längst bauen.

Das hatte offensichtlich mehrere Gründe:

  • So konnte das Fleisch aus der Tierschlachtung durch den Rauch haltbar gemacht werden.
  • Das oben eingelagerte Heu und ungedroschene Getreide wurde auf diese Weise nachgetrocknet. Damit konnte eine Selbstentzündung durch eine gefährliche Eigenerhitzung weitgehend verhindert werden.
  • Der ständige Rauch war auch eine wirksame Waffe gegen Getreideschädlinge wie den Kornkäfer, der in wenigen Wochen den gesamten Lagervorrat hätte vernichten können.
  • Aber auch der vernichtende Holzkäfer konnte so erfolgreich bekämpft werden. Seine zerstörerische Art kann an dieser Dachlatte gezeigt werden: Hier wurde das Mehl (der Kot) ausgeklopft und die ganze Instabilität wird deutlich.
    Holzbock 2

Holzbock 1

                                                                       Fotos: Archiv Robben

                       Hier ist das Mehl noch eingelagert und täuscht eine gewisse Stabilität vor.120px-Hylotrupes_bajulus_(huisboktor)_(1)

                                                                     Foto: Wikimedia Commons

Und das ist er: Der Holzbock, der im Rauchhaus keine Chance hatte für sein zerstörerisches Werk…

Kaum zu glauben – Das Trinkwasser

Unsere moderne regionale Trinkwasserversorgung ist seit mehreren Jahrzehnten Standard. Ältere Zeitzeugen erinnern sich aber noch daran, wie unterschiedlich die Wasserqualitäten waren, als jeder auf die Wassergewinnung direkt vor der eigenen Haustür angewiesen war. Dort gab es vielfach große Probleme.

Dieser unhaltbare Zustand war auch nach dem 2. Weltkrieg noch anzutreffen, wie ihn  der Mediziner Carl-Heinz Conrad über die Trinkwasserversorgung in den ländlichen Bezirken des Bentheimer Landes 1934 beschrieb. Seit Jahrhunderten hatte sich da kaum geändert:

Der größte Teil, vor allem die ländliche Bevölkerung, bedient sich der Ziehbrunnen, die oft mit primitiven Schöpfmitteln versehen sind. Hier herrschen jedoch teilweise die schlimmsten Zustände und die unhygienischsten Verhältnisse. Nur die wenigsten Brunnen sind mit Zementreifen eingefasst und abgedeckt. In den allermeisten Fällen, und da eben bei der ländlichen Bevölkerung, finden wir alte verfaulte Holzeinfassungen. Der Brunnenschacht ist entweder gar nicht oder mit Torf ausgekleidet. Das Wasser ist häufig verschmutzt und verdreckt und sieht stellenweise tee- bis kaffeebraun aus. Oft genug sind die Brunnen verhaucht, da sie in der Nähe der Misthaufen liegen (Conrad S. 22).

Der Filmautor Hans Weiszbach kam Anfang der 1950er Jahre in die Region, um die Veränderung der Landschaft und des Lebens in Nordwestdeutschland durch das Wirken der Emsland GmbH zu dokumentieren. Er berichtete darüber in drastischen Worten:

Ich war Gast in einer abgelegenen Moorkate, die keinen Rauchabzug hatte, einer Kate, in der das Torffeuer auf dem blanken Boden der Wohn- und Schlafstube brennt – drei Schritte entfernt von Stall und Heuboden im selben Raum. Unter dem Eisenkessel schwelte das Torffeuer und ließ seinen seltsam würzigen Rauch im Raume stehen, Wände und Dachbalken im Laufe der Jahrhunderte in die Härte des Eisens verwandelnd. Die Zeit stand still.

Ich mußte Tee trinken mit der Uralten und der Jungen, die sie versorgte. Ich sage: ich mußte. Die Gastlichkeit durfte ich nicht verletzten – aber! Das Wasser – es gibt da Wasser, blankes Moorwasser, das aus dem Sloot gehoben wird – braunes Wasser, bei dessen Anblick es einen schaudert (Weiszbach S. 10-11).

Licht – Im Winter trostlose Mangelware

In Erzählungen von früheren Zeiten kristallisiert sich immer wieder heraus, dass die Sommerzeit nicht nur wegen der Wärme so geschätzt war.  Man verbrachte auch die Abendstunden gerne draußen, so wurde diese Zeit genutzt, um insbesondere Flachs zu verarbeiten. Im Winter dagegen fehlte etwas sehr Wichtiges: die nötige Beleuchtung.

Der Adel und die reichere Stadtbevölkerung konnten hier auf Wachskerzen zurückgreifen. Die ärmere Landbevölkerung musste sich in aller Regel begnügen mit dem spärlichen Licht, dass das offene Herdfeuer bot.

In den Jahren ab 1860 kam aus Amerika das ungereinigte Petroleum auf. Das war ein enormer Fortschritt in der abendlichen Beleuchtung der dunklen Tageszeit. Allerdings hatte die Verwendung von Petroleums nicht nur Vorteile: Es entstanden beim Leuchten eine Menge unverbrannter Stoffe, die sich überall im Raum als unangenehmer Staub niederließ. Selbst die Menschen im Raum wurden eingeschwärzt. Bevor sie ins Bett gingen,  mussten sie sich waschen und das gleich mehrmals,  sonst war das Bettzeug am nächsten Morgen deutlich gekennzeichnet von dem Ruß. Erst als dann gereinigtes Petroleum auf dem  Markt war, erledigte sich das Problem mit der Beleuchtung in den Augen vieler Menschen damals weitgehend. Als jedoch dann zwischen dem 1. und 2. Weltkrieg und teilweise erst danach das elektrische Licht eingeführt wurde,  wusste man gerade die besondere leuchtende Errungenschaft  der hellen Lampenbirne besonders zu schätzen

Historische Eingebundenheit

Die Entstehung und die verschiedenen Ausprägungen des Heuerlingswesens waren abhängig von vielen Faktoren, die nicht nur in der Region Nordwestdeutschland lagen. 

Nordwestdeutschland

1600 – 1700

Viele Bauern verließen wegen Plünderung und Morde ihre Höfe, die wurden “wüst”. Der Adel brauchte jedoch dringend Geld, das er vornehmlich nur über “seine ” Bauern erhalten konnte. Die Bevölkerung wuchs nun und das Heuerlingswesen entstand.

Deutschland

1600 – 1700

Nach dem 30jährigen Krieg zogen marodierende Söldnerbanden durch die Lande.

Europa/Welt

1600 – 1700

Die europäischen Kolonialstaaten teilten die übrige Welt unter sich auf. Für die Niederländer begann das “Goldene Zeitalter”, sie wurden zur stärksten Handelsmacht. Entsprechend orderten sie Arbeitskräfte, das waren vornehmlich Heuerleute aus Nordwestdeutschland.

1700 – 1800

Die Hollangängerei entwickelte sich immer mehr
unter den Heuerleuten und wurde zu einer wichtigen Einnahmequelle.
Außerdem bauten sie vertärkt Flachs an und verarbeiteten ihn zu Leinen.
Die Kartoffel ergänzte zunehmend das Nahrungsangebot.
Die Bevölkerung wuchs weiter an.

1700 – 1800

Deutschland bestand in diesem Jahrhundert noch aus mehr als 300 Kleinstaaten. Es wurden insgesamt 21 Kriege geführt. Der Adel hatte weiterhin die Macht und betrachtete die Untergebenen, die zu einem Großteil in und von der Landwirtschaft lebten, als „Eigenhörige“. Die Bewohner der Städte waren dagegen frei. Dort allerdings hatten die Zünfte Einfluss und begrenzten den .Zuzug vom Lande. Es ist aber auch die Zeit von Mozart und Beethoven in der Musik.
Goethe und Schiller prägen dieses Jahrhundert in der Dichtkunst.

1700 – 1800

Die Niederlländer entwickelten mit der Ostindienkompanie (VOC) den ersten Weltmulti und beherrschten die Weltmeere mit ihrer Handelsflotte. So konnten sie die personalintensiven Schiffsbesatzungen weder für den Asienverkehr noch für die aufkommende Walfangflotte aus ihrer eigenen Bevölkerung rekrutieren

1800 – 1900

Insbesondere durch den Machteinfluss Napoleons (Kontinentalsperre) verloren die Niederländer ihre wirtschaftliche Vormachstellung.
– Der Hollangang lohnte sich nicht mehr so
– Die Preise für Leinen fielen drastisch durch die Einfuhr von billiger Baumwolle
– Durch die mechanischen Westühle zahlte sich Arbeit an den Handwebstühlen nicht mehr aus.
– Die Markenteilung nahm den Heuerleuten eine wichtige Futtergrundlage
– Weiteres Bevölkerungswachstum bedingte, dass mehrere Heuerlingsfamilien in einem Heuerhaus untergracht werden mussten.
– Mehrere Hungersnöte verschlechterte die Lage zusätzlich
– Viele Heuerleute wanderten nach Nordamerika aus.
Auf der anderen Seite entwickelten sich die sog. Industrieheuerlinge.

1800 – 1900

In Deutschland setzte die Industrialisierung etwa ab 1850 in zunehmendem Maße ein. Vorher kannte man schon die sog. Protoindustrie. Das war auf ein Verlagssystem angewiesenes Heimgewerbe vor allem im Bereich der Tuchherstellung. Durch die zunehmend eingeführte billige Baumwolle aus Übersee und die entstandenen Fabriken mit mechanischen Webstühle verfielen die Preise fast völlig und die besitzlose ländliche Bevölkerung geriet in Armut (Weberaufstände in Schlesien). Industriezentren, wie insbesondere das Ruhrgebiet, entstanden und immer mehr Menschen fanden dort Arbeit und zogen vom Lande in die Stadt.

1800 – 1900

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts begann insbesondere in England die Industrielle Revolution.
Erfindungen auf dem Gebiet der Antriebstechniken (Dampfmaschine) und der Arbeitsmaschinen (z. B. mechanischer Webstuhl) veränderten die Lebensbedingungen vieler Menschen erheblich.
Im Kohlebergbau und in der Eisen – und Stahlherstellung fanden besitzlose Landarbeiter eine neue Beschäftigung.
Allerdings waren die Lebensbedingungen dieser Proletarier alles andere als gut. So wanderten nicht nur Heuerleute nach Nordamerika aus. Großbritanien baute seine enorme Kolonialmacht weiter aus zum britischen Empire und Commonwealth, zu dem zeitweise ein Viertel sowohl der Erdbevölkerung und als auch der Landoberfläche unseres Globus gehörte.

1900 bis etwa 1960

Eine enorme Veränderung in der gesellschaftlichen Stellung der Heuerleute trat ein, als sie bei den Wahlen nach dem 1. Weltkrieg ihr volles Stimmrecht erhielten und alle Frauen nun auch wählen durften.
Da die Heurleute in vielen Bauerschaften die Mehrheit der Bevölkerung ausmachte, kam es zu politischen Verschiebungen.
Heuerlingsverbände gründeten sich und stellten Forderungen an die Bauern auf.
Mit der Machtergreifung der Nazis wurde jegliches Aufbegehren der Heuerleute unterbunden.
In den Jahren des Wirtschaftswunders verschwand das Heuerlingswesen total. Die bisher landlosen Abhängigen fanden außerhalb der Landwirtschaft Lohn und Brot.

Die Heuerlingstypen

Durch die äußeren Rahmenbedingungen gestalteten sich die Heuerverhältnisse in den einzelnen Regionen unterschiedlich. Hans-Jürgen Seraphim attestiert dem Heuerlingswesen eine erstaunliche Anpassungsfähigkeit, da es existentielle Krisen wie die Markenteilung und die Industrialisierung durch Anpassung erfolgreich bewältigt habe (S. 26). Dabei sei es innerhalb der Heuerlinge zu einer Ausdifferenzierung gekommen.

Seraphim teilte die Heuerlinge in vier Gruppen ein (S. 26-27, 144-145):

 Die Landarbeiterkleinheuerlinge

Dabei handelt es sich um Heuerlinge, die nur bis zu einem Hektar Land gepachtet haben, ohne Kuhhaltung und mit großer Arbeitsverpflichtung. Da sie viel Land hinzupachten müssen, sind sie bis zu vier Tage die Woche, teilweise sogar mehr, bei einem Bauern beschäftigt, so dass sie mehr als Landarbeiter denn als Heuerleute anzusehen sind. Sie waren hauptsächlich in Minden-Ravensberg und im Münsterland zu finden.

 

Die normalen Landarbeiterheuerlinge

Im Vergleich zur ersten Gruppe besitzen sie mehr Pachtland, nämlich bis zu drei Hektar, verfügen über eine Kuhhaltung und müssen in der Regel drei bis vier Tage die Woche beim Bauern arbeiten. Sie waren überall verbreitet mit Schwerpunkt Westfalen und Oldenburger Münsterland.

 

Die Pächterheuerlinge

Sie verfügen über drei bis zu über 10 Hektar Pachtland, halten Kühe und vielfach auch Pferde und haben höchstens an drei Tagen eine Arbeitsverpflichtung beim Bauern. Gerade diese Gruppe zeigt ein starkes Bestreben, ganz in den Pächterstand überzugehen. Pächterheuerlinge waren besonders im Münsterland, dem Emsland und stark auch im Oldenburger Münsterland vertreten.

Die Industrieheuerlinge

5 IndustrieheuerleuteDie Industrieheuerlinge haben meist nur ein geringes Pachtland und sind hauptberuflich im Bergbau, in der Industrie und im Handwerk tätig. Sie haben infolgedessen auch nur eine sehr geringe Arbeitspflicht beim Bauern. Hauptverbreitungsgebiet dieses Typus war das Minden-Ravensberger Land und der Osnabrücker Raum. Im Umfeld industrieller Zentren oder großer Firmen entwickelte sich dieser Heuerlingsform ebenfalls, so um Bramsche im Kreis Bersenbrück, um Steinfeld im Oldenburger Münsterland, um Ibbenbüren im Münsterland oder um Lingen mit seinem Eisenbahnausbesserungswerk.image (1)

 

 

 

 

Das Foto zeigt einen Industrieheuerling aus Ibbenbüren in der Zeche

 

 

 

 

 

Foto: Heimatverein Mettingen

 

 

 

Johannes Drees (1894-1944) aus Pye bei Osnabrück, Geschäftsführer des „Niedersächsischen Bauernvereins“ in Osnabrück, seit 1926 Generalsekretär des „Land- und Forstwirtschaftlichen Hauptvereins für das ehemalige Fürstentum Osnabrück“, bezeichnete schon 1924 die Heuerleute im Osnabrücker Umland zumeist als Industrieheuerlinge, die in Steinbrüchen, Kohlezechen, Webereien und Ziegeleien, der Eisenverhüttung und dem Straßenbau tätig waren. Mit dem dabei verdienten Geld verbesserten sie ihren Lebensunterhalt und kauften für ihr Pachtland Kunstdünger und besseres Viehfutter (S. 24-25). Aufgrund der hohen zeitlichen Beanspruchung dieser Arbeit mussten Ehefrauen und Kinder den Großteil der landwirtschaftlichen Arbeit erledigen. Allerdings war der Mann verpflichtet, bei der Ernte und zur Düngung der Felder beim Verpächter Arbeitshilfe zu leisten (S. 30). In der Industrie waren die Heuerleute gern gesehene Arbeiter, die harte Arbeit gewohnt waren und keine wilden Streiks mitmachen. Allerdings fielen sie zur Erntezeit fast vollständig aus (S. 131).

Die genaue Ausgestaltung des Heuerlingswesen war also in den einzelnen Teilgebieten der Untersuchungsregion höchst unterschiedlich. Dies galt gleichfalls für die Zahl der Heuerstellen, die mit einem Bauernhof verbunden waren. Bei letzterem spielten vornehmlich die Bodengüte und die Flächengröße des Hofes eine Rolle.

Literatur:
Seraphim, Hans-Jürgen: Das Heuerlingswesen in Nordwest­deutschland (Veröffentlichung des Provinizialinstituts für westfälische Landes- und Volkskunde, Reihe I: Wirt-schafts- und verkehrswissenschaftliche Arbeiten, Heft 5), Münster 1948.

Drees, Johannes: Arbeitsausgleich zwischen Industrie und Landwirtschaft dargestellt am Heuerlingswesen im Kreise Osnabrück, Inaugural-Dissertation Göttingen 1924.


Das Verbreitungsgebiet

3 Verbreitungsgebiet
Verbreitungsgebiet

Nicht überall in Deutschland gab es das Heuerlingswesen. Im ehemaligen deutschen Osten war ein Großteil der landwirtschaftlichen Grundstücke in den Händen der Gutsbesitzer. Ähnlich war es auch etwa in Schleswig-Holstein.

Das Verbreitungsgebiet erstreckte sich über Bereiche der Bundesländer Niedersachsen und Nordrhein – Westfalen flächenmäßig etwa zu gleichen Anteilen: von der nördlichen Grenze des Ruhrgebietes bis an Osfriesland heran und von den Niederlanden im Westen bis in die Nähe von Hannover.

Dabei handelte es sich auf niedersächsischem Gebiet um 14 Altkreise und in “Westfalen” um 18 ehemalige Landkreise

Die Geburtsstunde des Heuerlingswesens

In der steten Sorge der Eltern zum Verbleib und Fortkommen ihrer Kinder ist wohl die Ursache für die Entstehung des Heuerlingswesens zu finden.

Im Gegensatz zu Gegenden in Süddeutschland verboten die Landesherren in Nordwestdeutschland schon im 15. Jahrhundert die Aufteilung der unter ihrer Obhut stehenden Bauernhöfe (Eigenhörigkeit) unter den abgehenden Kindern.

Nur der älteste Sohn (in manchen Gegenden auch  der Jüngstgeborene) bekam den Hof als Ganzes zugesprochen.

Für die übrigen Kinder war das  allerdings verhängnisvoll:

Wohin sollten sie gehen, um sich eine Existenz zu schaffen in dieser rein agrarischen Gesellschaft?

Eine Familie konnten sie unter diesen Umständen nicht gründen.

So blieb ihnen nur die Möglichkeit, als Onkel oder Tante  auf dem elterlichen Hof ihr Leben zu fristen.

Verständnisvolle Eltern gaben nun ihren Nachgeborenen die Möglichkeit dadurch eine Familie zu gründen, dass diese in einem Nebengebäude des Hofes (Backhaus oder Scheune) eine bescheidene Wohnung sich einrichten konnten.

Sie bekamen zur Existenzsicherung kleinere Ackerflächen des elterlichen Hofes verheuert (verpachtet).

Dafür mussten sie neben einer Pacht unentgeltliche Dienste auf dem angestammten Hof verrichten.

 

 

 

 

 

Nun muss man sich die Situation so vorstellen:

Der erbende Bauernsohn bewirtschaftete in den elterlichen Hof,  “hielt” seine Knechte und Mägde und hatte im Ort eine besonders soziale Stellung. Seine Frau bewegte sich selbstbewusst in der Rolle der bestimmenden Bäuerin.

Verwandtschaftliche Gemeinsamkeiten verbrauchten sich.

Auf der anderen Seite stand  der nur pachtende Bruder mit seiner Familie.

Solange die Eltern noch lebten,  gab es in der Regel Ausgleich und Versöhnung.

So ist dann auch nachzuweisen, dass die zweite Generation sich häufig schon eine Heuerstelle auf einem anderen Hof suchte. Mittlerweile hatte sich gezeigt, dass diese Symbiose zwischen heuern und verheuern ein für die damalige Zeit wichtiges wirtschaftliches Element innewohnte. Die Bauern gingen dazu über, sich mehrere Heuerhäuser häufig in der Nähe des Hofes anzulegen

Später zeigten sich in aller Regel die deutlichen Gegensätze.

Aber dabei war der Bauer in einer deutlich besseren Position:

– ihm gehört das Heuerhaus

– ihm gehört das gepachteten Land

– er bestimmt die Höhe der Pacht

– er legt die Tage der kostenlosen Mithilfe fest

– und er bestimmt sie willkürlich und häufig unangemeldet

– er belegte die ohnehin schon engen Heuerhäusern bei großer Nachfrage doppelt

Heute würde man den besonderen Vorzug, den der Hofbesitzer aus dem Heuerlingsverhältnis ziehen konnte,  just-in-time nennen. Immer wenn er etwa in Arbeitsspitzen neben den Knechten und Mägden zusätzliche Arbeitskräfte brauchte, pfiff er seine Heuerleute heran,

Ansonsten konnte der Heuermann seinen  Pachtbetrieb bewirtschaften oder auch einem Nebengewerbe nachgehen.

Vorwort

                                         Herzlich willkommen in der Welt der Heuerleute!

 

In der Zeit vom Dreißigjährigen Krieg bis in die fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts bildeten die Heuerleute ein wichtiges Element der Agrargesellschaft in Nordwestdeutschland. Sie stellten  mehr als die Hälfte, zeitweilig sogar fast zwei Drittel der Bevölkerung.

Eine Heuermannsfamilie bewirtschaftete als Pächter selbständig eine kleine Landstelle mit einem Heuerhaus und  2 – 4 Hektar Land, musste aber die Miete und die Pacht – das unterschied ihn von einem reinen Pächter – überwiegend in Form von körperlicher Arbeit auf dem Hof des Bauern entrichten.

Das bedeutete eine starke Abhängigkeit vom Bauern, zumal es keine soziale Absicherung wie etwa gegen eine Kündigung gab.

Die Übernahme einer solchen Heuerstelle war für ledige Mägde und Knechte, aber auch für abgehende Bauernkinder zumeist die einzige Gelegenheit, durch die Kombination von Erträgen aus der Landwirtschaft, aus Saisonarbeit („Hollandgänger“) und häuslichem Nebengewerbe (Leinenproduktion, Verarbeitung von Schafwolle, ländliches Handwerk) eine eigene Existenz aufzubauen und so  eine Familie gründen zu können, was in anderen Gegenden des deutschsprachigen Raumes deutlich schwieriger war.

Nach dem Zweiten Weltkrieg in der Zeit des sog. Wirtschaftswunders wurde durch die aufkommenden Landmaschinen auf den Höfen aber die Arbeitskraft der Heuerleute einerseits immer weniger gebraucht, andererseits fanden die “Hüürlüe” jetzt erstmals genügend Arbeitsplätze außerhalb der Landwirtschaft und so verschwanden auch die Heuerhäuser nach und nach aus der Kulturlandschaft dieser Gegend: Sie wurden verkauft, umgebaut, verlassen und zumeist abgerissen – einige wenige finden sich noch heute als hübsch renovierte Schmuckstücke an den Rändern unserer Dörfer.

So löste sich innerhalb weniger Jahre diese in den Fachwissenschaften wenig beachtete Sozialisationsform auf.

Insbesondere deshalb ist dieses Buch erschienen:

Das Interesse an dieser Thematik entwickelte sich so stark, dass innerhalb von 4 Jahren in 8 Auflagen 16 000 Exemplare davon verkauft werden konnten. (Stand Anfang 2019)

Mitautor Dr. Helmut Lensing nennt mögliche Gründe:

Das Interesse am Alltagsleben der unterbäuerlichen Schicht der Heuerleute und der vielfach aus ihren Reihen stammenden Knechte und Mägde, an ihrer Wohnsituation, deren Streben nach Freiheit durch Siedeln in Moor und Heide, ihrer Suche nach gesicherten finanziellen Verhältnissen durch die Leinenbearbeitung oder dem Töddenhandel, an den verheerenden Folgen der Markenteilung für die Nichtbauern, aber auch an die Auswanderung in die USA, am harten Los der Heuerlingsfrauen und Mägde, die Volksmedizin und damalige Schulbildung fasziniert die Leser ganz offensichtlich.Die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, als die Heuerleute politische Macht erlangten, wird wie die übrigen Kapitel mit eingefügten Zeitzeugenberichten oder eingestreuten Porträts zu einem ebenso informativen wie kurzweiligen Lesevergnügen. Gesteigert wird dies noch durch über 300 Illustrationen.

Ein weiteres Buch zum Heuerlingswesen ist seit Oktober 2017 im Handel:

Hier stellt es sich vor:

Vom „hässlichen Entlein“ zum „schönen Schwan“

Ältere Bewohner des Nordwestens erinnern sich noch. Überall im ländlichen Außenbereich fand man sie: aufgegebene Heuerlingskotten; Wind und Wetter überlassen und langsam verfallend. Aufgrund ihrer einfachen, möglichst kostengünstigen Bauweise galten sie schon vorher als dörfliche „Schandflecken“. Vielfach gab es nun sogar Abbruchprämien, um sie schnell verschwinden zu lassen.
Wer heute durch den Nordwesten fährt, erkennt die letzten verbliebenen Heuerlingskotten kaum wieder. Meist abseits vielbefahrener Wege haben kreative Menschen mit viel Liebe zum Detail eine Reihe dieser Kotten für die Gegenwart bewahrt und daraus jeweils ein ganz individuelles Traumhaus – für sich oder eine Gemeinschaft – geschaffen. Viele opulente farbige Fotos zeigen, wie sich die ehemals einfachen Behausungen der damaligen ländlichen Unterschicht zu traumhaft schönen Landhäusern gewandelt haben. Bereichert wird dieser Bildband zum Landleben mit vielen Ideen zu Gestaltung von Haus und Hof auf dem Land mit kurzen Beiträgen zum Thema „Heuerhäuser“ und „Leben im Heuerhaus“ von namhaften Autoren wie Dr. Andreas Eiynck, Christiane Cantauw, Dr. Heinrich Stiewe, Dr. Lutz Volmer, Dr. Timothy Sodmann, Dr. Christof Spannhoff, Niels Juister, Ralf Weber, Dr. Helmut Lensing, Dr. Bernd H. Schulte, Timo Friedhoff oder Dr. Christian Westerhoff.
So kann das Buch schon jetzt bestellt werden:
Das neue 335seitige Werk „Heuerhäuser im Wandel – Vom ärmlichen Kotten zum individuellen Traumhaus“ von Bernd Robben und Dr. Helmut Lensing, diesmal gemeinsam mit dem Fotografen Martin Skibicki und dem Maler Georg Strodt verfasst und wieder im Verlag der Studiengesellschaft für Emsländische Regionalgeschichte erschienen, ist zum Buchhandelspreis von 29,90 Euro zuzüglich 4,- Euro Versandkosten für ein Buch innerhalb Deutschlands zu beziehen.
Das Buch mit der ISBN 978-3-9818393-2-6 ist ab dem 16. Oktober 2017 im Handel zu erhalten.
Bestellungen können Sie richten an: shop@emslandgeschichte.de

 

Warum nun neben offensichtlich so erfolgreichen Veröffentlichungen zusätzlich eine Internetplattform zum Heuerlingswesen?

Das hat mehrere Gründe:

  • Das Thema ist so komplex, dass man hier offensichtlich erst am Anfang umfangreicher Studien steht.
  • Im Buchprojekt konnten insbesondere aus Platzgründen etliche Unterthemen nicht berücksichtigt werden. In Absprache mit Dr. Helmut Lensing sollen hier zusätzliche Texte vorgestellt werden.
  • Auf der anderen Seite soll dieses Medium Interessierten die Möglichkeit geben, sich selbst einzubringen und mit anderen Personen mit ähnlicher Interessenlage in Verbindung zu treten.
  • Für die Heimatvereine, die bisher bei diesem elementaren Thema unserer Gegend noch keine Erfahrung haben,  sollen Hilfestellungen angeboten werden.
  • Diese Plattform wurde zunächst in einer nicht streng durch eine vorab gefertigte Disposition entwickelt. So konnte sie sich in der Probephase ständig neu strukturieren.
  • Allerdings hat sich dann zunehmend gezeigt, dass offensichtlich eine starke Ausrichtung an der Inhaltsangabe im Heuerlingsbuch am sinnvollsten erscheint.
  • Der besondere Vorteil dieser neuen Website: Es kann ständig an jeder Stelle erweitert und ergänzt werden. Das ist bei einem Buchprojekt anders.
  • Diese Website will und kann keinen Anspruch auf wissenschaftlichen Hintergrund erheben. Es handelt sich vielmehr um eine “Ansammlung” zur Thematik in Nachfolge der beiden o. g. Bücher und der mittlerweile über 120 Vorträge zu Thema Heuerlingswesen.
  • Dabei muss ständig nachgebessert werden.

 

Hinweise zum möglichen Umgang mit dieser Website:

Im Menüpunkt Aktuelles sollen nach und nach neue Themen eingestellt werden.

 

 

Die Geburtsstunde

Dieser Inhalt ist noch nicht ganz fertig.

Das wurde später geändert.