Heuerleute als Wilderer

Großes Aufsehen erregte zum Jahresende 1928 eine Massenverhaftung von über vierzig Personen in Emsbüren und den Dörfern der Umgebung, wie Helmut Lensing in der Emsbürener Ortsgeschichte berichtet:lithografie_von_louis_kramp_fuer_ezink_die_wilddiebe1_ca1830

Ihnen wurde Wilddieberei vorgeworfen, was im Emsland zu dieser Zeit zweifellos eine nicht unübliche Art war, den schmalen Küchenzettel zu erweitern. Doch die große Anzahl der Verhafteten und die Umstände ihrer Inhaftierung trieben die Leute auf die Barrikaden. Ein als Landvermesser getarnter Beamter des Westfälischen Jagdschutzverbandes hatte mit reichlichem Einsatz von Alkohol die Verhaftungswelle ausgelöst. Die Beschuldigten und deren Familien schalteten ihren wegen seines Einsatzes für die Heuerleute bekannten Zentrums-Landtagsabgeordneten Josef Hagemann, einen Gewerkschaftssekretär aus Osnabrück, ein. Auch der DHP-MdL Wilhelm Borgmann aus Lorup brachte den Fall vor den Preußischen Landtag. Besondere Empörung erregte laut Zeitung die Tatsache, daß zuvor ein bekannter Adliger aus der Nähe Lingens dafür, daß er einen auf seinem Grundstück ohne Erlaubnis angelnden Arbeiter derart anschoß, daß dieser wochenlang im Krankenhaus liegen mußte, lediglich 5 Mark Strafe zu zahlen hatte. In diesem Fall sei es dagegen gleich zu einem riesigen Polizeiaufgebot und teilweise wochenlangen Inhaftierungen gekommen, obwohl ein wesentlich geringfügiger Tatbestand zu Grunde liege. Da der Kriminalist selbst Opfer seines reichlichen Alkoholeinsatzes geworden war, mit dem der Geständnisse entlocken und die Einwohner zum Wildern verführen wollte, wurden schließlich nur einige wenige der Angeklagten zu Geldstrafen wegen Jagdvergehens … verurteilt (Lensing,s. u., S. 231).

 

Noch heute wird auf Jagdgesellschaften im südlichen Emsland über dieses Ereignis gesprochen und ein wenig Jagdlatein ist sicherlich dazu gekommen. So wird gemunkelt, der betreffende Adelige habe mit Vornamen tatsächlich „Wilderich“ geheißen. Dies entspricht jedoch nicht den Tatsachen, denn es handelte sich um dessen Vater.

Aus: Saxlinga – Kirchspiel – Gemeinde, 1175 Jahre Emsbüren, Herausg. von Christine Hermanns, Emsbüren 1994. Darin: Helmut Lensing, Emsbüren in der Weimarer Republik, Seite 231

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