Von Heilkünstlern und Ärzten

Die Versorgung von Kranken lag damals vornehmlich in der Hand der Familienangehörigen. Gerade die Heuerleute hatten in der Regel nicht das Geld, einen “Medicus”zu bestellen.

Insbesondere vor diesem Hintergrund ist der Aufsatz von Heiko Bockstiegel über die früheren Verhältnisse im Bersenbrücker Land sicherlich von Interesse.

aus: Am heimischen Herd, Nummer 1, 60. Jahrgang, Bersenbrück 2009, Seite 43/44

 

Ein Krankenhaus im heutigen Sinne hat es zu jener Zeit in der Stadt noch nicht gegeben. Immer wieder ist aber von Ärzten die Rede. Im Jahre 1546 wird zum ersten Male in Quakenbrück ein Arzt erwähnt, ein Meister Hinrich, der damals übrigens gerade „gefänglich eingezogen” war. 1560 erwarb dann der Arzt Christoffer Olgeschlager die Bürgerrechte; der 1630 erwähnte Arzt Meister Christoffer ist vermutlich sein Sohn oder Enkel gewesen. 1802 verzeichnete man hier vier Ärzte und einen Chirurgus. Im Einwohnerverzeichnis von 1807 (im Archiv des Stadtmuseums) erscheinen „Doct. de Ruyter” und Dr. Hettling als „medicus” sowie H. Lahrmann als „chirurgus”.

Die früheren „Meister” betätigten sich ursprünglich auch als Apotheker, die “‘Unke und Salben selbst anfertigten.

Zwischen 1830 und 1840 soll es in Quakenbrück einen Mann gegeben haben, der das „kalte Fieber” vertreiben konnte und großen Zuspruch hatte. Die Kranken mussten sich vor Sonnenaufgang mit einem Gefäß Urin an das Haseufer begeben und diesen über den Kopf hinweg in die Hase gießen. Am Haseufer hätte man, so die Saga, oft eine größere Menge vermummter Gestalten mit großen Mänteln, unter denen die Geschirre verborgen waren, sehen können, die ängstlich besorgt waren, bei ihrem „Geschäfte” nicht erkannt zu werden. Der Heilkünstler erkrankte später selber am „kalten Fieber”, ließ sich aber von dem Quakenbrücker Arzt Dr. Eymann behandeln, weil er für seinen Fall nicht an die Wirkung des Mittels glaubte.

Anfang der 1860er Jahre gründeten Bürger beider Kirchengemeinden einen “Verein zur Verbesserung der Krankenpflege”, aus dem sich später das Evangelische Krankenhaus an der Grünen Straße entwickelte. Die Führung hatten die Geistlichen sowie der damalige Arzt, der „Königliche Kreisphysikus”         und „Geheime Sanitäthsrath” Dr. Carl Gabriel de Ruyter (* 25. April 1818 in Quakenbrück). Dieser versprach 1884, sein Möglichstes zu tun, das Verpflegungsgeld im Krankenhaus von 1 Mark auf 90 Pfennig zu ermäßigen. Schon der Vater de Ruyters, dessen Familie aus Holland stammte, Franz Heinrich de Ruyter (1772-1841), hatte in Quakenbrück über ein halbes Jahrhundert hinweg als Arzt und Amtsphysikus gewirkt.

Nach den Lebenserinnerungen seines Verwandten, des Justitiars Dr. Friedrich Wilhelm Andre, war Medizinalrat Dr. Carl Gabriel de Ruyter „ein sehr liebenswürdiger Mensch und tüchtiger Arzt”. Nach dem Medizinstudium in Göttingen und Berlin, seiner Promotion und Ablegung des Staatsexamens wurde de Ruyter am 28. August 1840 in Quakenbrück als Arzt angestellt. 1853 erfolgte seine Ernennung zum Landphysikus, 1864 zum „Geheimen Sanitätsrat” und  schließlich 1875 zum „Königlichen Kreisphysikus”. Der Großherzog von Oldenburg nehmen, ihn als langjährigen Bahnarzt mit dem Ritterkreuz erster Klasse des Oldenburgischen Haus- und Verdienstordens auszuzeichnen.

Wohnhaus und Arztpraxis de Ruyters befanden sich im Haus Kleine Mühlenstraße 9, wo bereits sein Vater tätig gewesen war. Das urtümliche Fachwerkhaus wurde später von der Familie Robert Kleinert bewohnt und 1972 abgebrochen. In jungen Jahren hatte de Ruyter aufgrund der schlechten Wegeverhältnisse die Landpraxis zu Pferde auszuführen und deshalb an der Straßenseite des Hauses einen Pferdestall eingerichtet. Dieser Stall ist später in ein Wohnzimmer umgewandelt worden, jedoch so weit zur Straße vorgeschoben, dass man durch ein Seitenfenster die Straße überblicken konnte. für Quakenbrück typische sogenannte „Utlucht” hatte eine bedeutende Verschmälerung des Bürgersteiges zur Folge, der zuletzt nur noch eine Breite von wenigen Zentimetern hatte.

In einer Petition Quakenbrücker Bürger vom 25. März 1884 heißt es über de Ruyter: „Ehe ein neuer Arzt hierher kommt, sind die Bewohner Quakenbrücks allein auf den Herrn Sanitätsrat Dr. de Ruyter  angewiesen, der Chirurgie und Geburtshilfe nicht ausübt … Herr Sanitätsrat Dr. de Ruyter, aus einer alten, seit vielen Jahren wohlangesehenen Familie eines Arztes stammend und mit vielen Familien in Stadt und Land durch seine lange Thätigkeit sehr bekannt, hat eine große Stadtpraxis und eine nicht unbedeutende Landpraxis … Herr Dr. de Ruyter hat als Kreisphysikus ein Fixum und bezieht aus seinen amtlichen Reisen und den Impfgeldern noch eine nicht unbedeutende Nebeneinnahme. Dazu kommt, dass er auch Arzt für die oldenburg. und rhein. Bahn ist und außerdem das Krankenhaus sowie die Gesellen-Kasse unter sich hat”.

Geheimrat Dr. Carl Gabriel de Ruyter starb am 29. März 1899 und wurde im heute noch bestehenden Familiengrab auf dem evangelischen Friedhof beigesetzt. Der an der Mauer zur Badberger Straße befindliche Grabstein trägt die Aufschrift „Die Liebe höret nimmer auf”. Sein Sohn, der Privatdozent Gustav de Ruyter, wurde dirigierender Arzt des Paul-Gerhardt-Hospitals in Berlin-Kreuzberg. Von ihm stammt das 1917 in zehnter Auflage erschienene „Kompendium der speziellen Chirurgie. Für Studierende u. Ärzte”.