Die dunkle Seite des Heuerlingswesen

Neben den historischen Hintergründen gab es auch menschliche Abgründe!

Da nun hier das wohl schwierigste Kapitel des Heuerlingswesens aufgeschlagen wird, ist im Vorfeld immer wieder überlegt worden, ob diese Passagen überhaupt erscheinen sollen.

Diese Problematik war auch häufig intensiver Gesprächsstoff mit engagierten Bekannten und Fachleuten.

Zunehmend verfestigte sich jedoch der Entschluss, auch diese heiklen zwischenmenschlichen Erscheinungsformen  hier und auch im Buchprojekt mit aufzubringen.

Sie sind eindeutig ein Teil dieser Sozialisationsform und damit ein Sektor in den Beziehungen zwischen der bäuerlichen und der unterbäuerlichen Schicht über 400 Jahre.

Zwei Stimmen dazu von außen:

Ein bekannter ehemaliger CDU – Bundespolitiker schrieb  so: Gespannt bin ich auf Ihre Forschungsarbeit zum Thema Heuerlingswesen. Wenn Sie alles so zu Papier bringen, wie es tatsächlich gewesen ist, hält sich sicherlich bei vielen Zeitzeugen die Begeisterung in Grenzen.

So berichtete die damalige Studentin Martina Greskamp (heute Goedejohann) in ihrer Examensarbeit 1997 an der Universität Münster:

„Das Heuerleute – Wesen in der Niedergrafschaft Lingen“:

Seit etwa 30 bis 40 Jahren ist der Stand des Heuerlings völlig untergegangen. Dennoch sind viele Überreste und Erinnerungen auch heute noch präsent. Bei den Untersuchungen zu dieser Arbeit in Gesprächen mit den Nachfahren von Heuerleuten und Bauern und auch mit Leuten, die selber noch in einem Heuerverhältnis gestanden haben, war immer wieder zu spüren, dass es noch große Empfindlichkeiten auf beiden Seiten gibt.

Zwar ist das Heuerlingswesen als solches nicht mehr existent, seine Struktur gebende Bedeutung für die ländliche Gesellschaft mit ihren Aus- und Nachwirkungen ist jedoch immer noch überraschend wirksam und lebendig. Es erwies sich als schwierig, Aussagen über die menschliche Seite des Heuerlingswesens zu bekommen, die nicht von extrem subjektiven Empfindungen geprägt waren.

In den meisten Fällen waren die angesprochenen Personen gar nicht bereit Auskunft zu geben.

Das Heuerlingswesen war von sozialen Ungleichheiten geprägt, die auch nach einigen Jahrzehnten noch nicht vergessen sind.

Es hat sich durch entsprechende Befragungen gezeigt, dass dieses Phänomen im gesamten Verbreitungsgebiet anzutreffen war.

Nun muss dieses Kapitel allerdings mit äußerster Vorsicht behandelt werden.

Es muss an dieser Stelle  deutlich gesagt werden, dass hier auch Verbrechen geschehen sind, die nicht erst seit heutiger Rechtsauffassung mit harten Strafen hätten geahndet werden müssen.

Das ist – nach entsprechenden Recherchen in Archiven – offensichtlich in den beschriebenen Fällen nicht geschehen.

Vielmehr hat sich hier eine heute kaum noch vorstellbare Mentalität entwickelt, die unter dem Thema das Milieu des Schweigens im Buch untersucht worden ist.

Die Struktur des Heuerlingswesens bewirkte eine starke wirtschaftliche und auch persönlich – menschliche Abhängigkeit.

Hier konnten – mussten nicht zwangsläufig – sich Unmenschlichkeiten entwickeln, die heute unvorstellbar sind. Sie sind aber in der älteren ländlichen Bevölkerung Nordwestdeutschlands durchweg bekannt, aber bisher ist dieses besondere Problem der vorhergehenden Generationen dieses Raumes –zumindest in einem solchen Kontext – nie angesprochen worden.

Im Buch ist nun der Versuch unternommen worden, anhand ausgesuchter Daten und Fakten, die durchweg schriftlich oder durch mündliche Aufzeichnungen belegt sind, diese besonderen Fehlentwicklungen und sich daraus entstandenen Unmenschlichkeiten für die Nachwelt zu erhalten – in und mit der gebotenen Vorsicht!