Auch diese sog. Teilprivilegierungen ändern nichts daran, dass Gesetzzweck des § 35 BauGB die strikte Schonung des Außenbereichs ist. Es bleibt dabei, dass der Außenbereich kein Baugebiet ist und die Härte des Gesetzes in Form von Baustilllegungs- und Abrissverfügungen jeden treffen kann, der den schmalen Korridor der Privilegierungen und Teilprivilegierungen verlässt. Dies gilt für den klassischen „Schwarzbauer“ und den Bauherrn, der sein bestandsgeschütztes Altgebäude in großzügiger Auslegung der genehmigungsfreien Änderungstatbestände der Bauordnungen eigenmächtig oder in Verkennung der Rechtslage in einen Neubau umwandelt. Die zahlreichen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen hierzu vermitteln die Erkenntnis, dass Außenbereichsvorhaben ständig wachsen und bestandsgeschützte Mauern besonders einsturzgefährdet sind.
Die Ruin(en)-Gefahr droht aber auch dem gesetzestreuen Bauherrn, der mit Baugenehmigung ein Bestandsgebäude umbaut. Dies verdeutlicht der prägnante Beschluss des Nds. OVG vom 02.03.2015 (– 1 LA 151/14 –): „Genehmigt die Bauaufsichtsbehörde eine sehr weitgehende Sanierung und Erweiterung eines Bestandsgebäudes, können schon für sich betrachtet geringe, über die Genehmigung hinausgehende Eingriffe in den Bestand den Qualitätssprung bewirken der eine erneute rechtliche Überprüfung des Bauvorhabens in einem selbständigen Baugenehmigungsverfahren nach den für einen Neubau geltenden Maßstäben erfordert.“ Um die Identität des Gebäudes nicht zu gefährden, waren die Ost– und Nordwand sowie das Dach zu erhalten. Der Kläger riss das Bestandsgebäude bis auf die Nordwand und Teile des Ständerwerkes der Ostwand vollständig ab, so dass es sich bei dem Vorhaben um einen Neubau unter Verwendung einzelner alter Bauteile handelte. Die Erteilung einer Nachtragsbaugenehmigung lehnte das Gericht mit der Begründung ab, die Legalisierungswirkung der ursprünglichen Baugenehmigung erfasse nicht das errichtete Gebäude. Als „aliud“ sei es einem neuen Genehmigungsverfahren zu unterziehen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen eines derartigen Bauvorhabens seien „denkbar eng“. Schon die Ursprungsgenehmigung habe den Anwendungsbereich einer Sanierungs- und Erweiterungsgenehmigung für ein Vorhaben im Außenbereich (§ 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BauGB) zugunsten des Klägers „bis an die äußerste Grenze des Vertretbaren ausgedehnt.“
Das Gericht umschreibt so zutreffend eine weit verbreitete Genehmigungspraxis, die deutlich über den herkömmlichen Bestandsschutz hinausgreift. Bei dem genehmigten Teilabriss führt einerseits mangelnde Sorgfalt zum Verlust unbedingt zu erhaltender Bausubstanz. Ist erst einmal die Baugenehmigung erteilt, drängen andererseits die Bauherren häufig auf eine Beseitigung der alten Bauteile, weil es Ihnen wirtschaftlicher erscheint, insgesamt einen Neubau zu errichten, als altes Gemäuer aufwendig zu erhalten und zu sanieren. Mit dem Abbruch oder einem zu weit gehenden Abbruch der Bestandsgebäude auf dem Baugrundstück hat sich die Genehmigung auf andere Weise erledigt, weil ihr Regelungsgegenstand entfallen ist. Die Erteilung einer Baugenehmigung für den Neubau scheitert regelmäßig an § 35 Abs. 2 BauGB. Der Außenbereich ist um eine Ruine reicher, das Baurecht ist erloschen und der Bauherr wirtschaftlich geschädigt oder sogar ruiniert.