Die Geburtsstunde des Heuerlingswesens

In der steten Sorge der Eltern zum Verbleib und Fortkommen ihrer Kinder ist wohl die Ursache für die Entstehung des Heuerlingswesens zu finden.

Im Gegensatz zu Gegenden in Süddeutschland verboten die Landesherren in Nordwestdeutschland schon im 15. Jahrhundert die Aufteilung der unter ihrer Obhut stehenden Bauernhöfe (Eigenhörigkeit) unter den abgehenden Kindern.

Nur der älteste Sohn (in manchen Gegenden auch  der Jüngstgeborene) bekam den Hof als Ganzes zugesprochen.

Für die übrigen Kinder war das  allerdings verhängnisvoll:

Wohin sollten sie gehen, um sich eine Existenz zu schaffen in dieser rein agrarischen Gesellschaft?

Eine Familie konnten sie unter diesen Umständen nicht gründen.

So blieb ihnen nur die Möglichkeit, als Onkel oder Tante  auf dem elterlichen Hof ihr Leben zu fristen.

Verständnisvolle Eltern gaben nun ihren Nachgeborenen die Möglichkeit dadurch eine Familie zu gründen, dass diese in einem Nebengebäude des Hofes (Backhaus oder Scheune) eine bescheidene Wohnung sich einrichten konnten.

Sie bekamen zur Existenzsicherung kleinere Ackerflächen des elterlichen Hofes verheuert (verpachtet).

Dafür mussten sie neben einer Pacht unentgeltliche Dienste auf dem angestammten Hof verrichten.

 

 

 

 

 

Nun muss man sich die Situation so vorstellen:

Der erbende Bauernsohn bewirtschaftete in den elterlichen Hof,  “hielt” seine Knechte und Mägde und hatte im Ort eine besonders soziale Stellung. Seine Frau bewegte sich selbstbewusst in der Rolle der bestimmenden Bäuerin.

Verwandtschaftliche Gemeinsamkeiten verbrauchten sich.

Auf der anderen Seite stand  der nur pachtende Bruder mit seiner Familie.

Solange die Eltern noch lebten,  gab es in der Regel Ausgleich und Versöhnung.

So ist dann auch nachzuweisen, dass die zweite Generation sich häufig schon eine Heuerstelle auf einem anderen Hof suchte. Mittlerweile hatte sich gezeigt, dass diese Symbiose zwischen heuern und verheuern ein für die damalige Zeit wichtiges wirtschaftliches Element innewohnte. Die Bauern gingen dazu über, sich mehrere Heuerhäuser häufig in der Nähe des Hofes anzulegen

Später zeigten sich in aller Regel die deutlichen Gegensätze.

Aber dabei war der Bauer in einer deutlich besseren Position:

– ihm gehört das Heuerhaus

– ihm gehört das gepachteten Land

– er bestimmt die Höhe der Pacht

– er legt die Tage der kostenlosen Mithilfe fest

– und er bestimmt sie willkürlich und häufig unangemeldet

– er belegte die ohnehin schon engen Heuerhäusern bei großer Nachfrage doppelt

Heute würde man den besonderen Vorzug, den der Hofbesitzer aus dem Heuerlingsverhältnis ziehen konnte,  just-in-time nennen. Immer wenn er etwa in Arbeitsspitzen neben den Knechten und Mägden zusätzliche Arbeitskräfte brauchte, pfiff er seine Heuerleute heran,

Ansonsten konnte der Heuermann seinen  Pachtbetrieb bewirtschaften oder auch einem Nebengewerbe nachgehen.