In seinem Aufsatz Die Landwirtschaft Südoldenburgs im Strukturwandel zeichnet der Agrarwissenschaftler Professor Dr. Hans – Wilhelm Windthorst sehr deutlich nach, wie sich das Oldenburger Münsterland in den vergangenen 100 Jahren von einem auf Selbstversorgung ausgerichteten Agrargebiet auf der Geest zu einem der leistungsfähigsten Agrarwirtschaftsräume der Erde entwickelt hat.
https://www.lwl.org/geko-download/Spieker/Spieker_34/09_Landwirtschaft.pdf
Viele Heuerleute mischten dabei kräftig mit…
Minderwertige Sandböden, die nur geringe Erträge lieferten, niedriger Tierbesatz, weil die Futtergrundlage fehlte, und eine mangelhafte Verkehrsanbindung kennzeichneten die Situation um 1880. Weder bestand die Möglichkeit, in größeren Mengen Futtermittel oder Dünger einzuführen, noch war der Absatz erzeugter Güter sichergestellt. Die Landwirtschaft vermochte sich nicht aus dem Teufelskreis von geringen Erträgen aus der Bodenproduktion, niedrigen Tierbesatzzahlen und geringer Erzeugung von natürlichem Dünger zu befreien. Die Konsequenz war, dass sich bei steigenden Bevölkerungszahlen die Schere zwischen Nahrunssmittelproduktion und Nachfrage nach solchen Gütern immer weiter öffnete. Hollandgängerei, Heuerlingswesen und Auswanderung waren Ventile, die diesem Problem begegneten. Eine dauerhafte Entlastung brachte neben der Auswanderung jedoch erst der wirtschaftliche Aufstieg der Region selbst.
Herstellung der Verkehrsverbindung war ein entscheidender Entwicklungsschritt
Durch den Eisenbahnbau der Jahre 1885 bis 1895 wurde es sowohl möglich, Fischmehl, Gerste und Mineraldünger von den Häfen an der Küste einzuführen als auch die erzeugten Agrarprodukte (zunächst vor allem Mastschweine und Mastkälber) in den Industriegebieten an Rhein und Ruhr und anderen städtischen Konsumgebieten abzusetzen.
Diese sich bietende Möglichkeit wurde anfangs vor allem von den Heuerlingen und den kleinen Bauern aufgegriffen.
Mit zugekauftem Futter mästeten sie Schweine und setzten sie dann über die ortsansässigen Viehhändler, die ihnen vielfach auch die Ferkel und das Futter besorgten, an die damals entstehenden Schlachtviehmärkte ab.
Lebendvermarktung und Mast auf Zukauffutterbasis waren die entscheidenden Strukturelemente, Absatz im Ruhrgebiet die bedeutendste Funktionalbeziehung. Dies gilt bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, doch waren die Jahrzehnte von 1919 – 1945 von einem dauernden Auf und Ab gekennzeichnet.
Was fehlte, war zunächst das Futter. Als dies jedoch wieder in großen Mengen über die Hafenstädte eingeführt werden konnte, begann ein Aufschwung, der wohL ohne Parallele sein dürfte. Ihm nahe kommt nur der in Südholland ablaufende Verdichtungsprozeß.
Je kleiner der Viehbestand, desto erfolgreicher: Heuerleute deutlich von den Bauern!
Befragungen, Gespräche und auch die Sekundärliteratur machen deutlich, dass der wirtschaftliche Erfolg (und auch Misserfolg) sowohl auf einer Heuerstelle als auch auf einem Bauernhof maßgeblich vom Können und auch Fleiß der Betreiber abhängig war.
Allerdings weisen statistische Untersuchungen, wie sie Jürgen Seraphim in seiner Dissertation aus dem Jahre 1947 vorlegt, den enormen Produktionsvorsprung im Bereich der Kuhhaltung und der Schweinewirtschaft bei den Heuerleuten gegenüber den Bauern nach.
Unterschieden wird allerdings nach der Bodengüte der jeweiligen Gegend. Gerechnet wird der Kuhbestand hochgerechnet auf 100 ha. Auch leichten Böden halten die Heuerleute 69 für gegenüber 35 bei den Bauern. Auf den schweren Böden im Verbreitungsgebiet ist der Unterschied noch wesentlich größer: 124 Kühe pro 100 Hektar Nutzfläche bei jenen (Heuerleuten Anm. des Verf.) stehen nur 35 bei diesen (Bauern Anm. des Verf.) gegenüber.
In der Milchleistung und im Fettgehalt unterscheiden sich die beiden Betriebsarten jedoch kaum.
Auch bei der Schweinehaltung liegen die Heuerleute deutlich von. So ist bei Seraphim zu lesen: Aufgrund der „Sonderermittlung“ ergibt sich für das Jahr 1945 folgendes Bild: Einen durchschnittlichen Schweinebesatz von 105 Stück je 100 ha Nutzfläche in den Heuerlingsbetrieben steht ein solcher von 63 in den (bäuerlichen) Vergleichsbetrieben gegenüber.
Diese Zahlen beziehen sich auf mittlere Böden. Auf den leichten Böden schwächt sich die Differenz merklich ab (88 gegen 59). Sie verschärft sich jedoch auf den schweren Böden ungemein, die jedoch 228 Schweine 400 ha Nutzfläche bei den heuer Leuten nun 73 bei den Vergleichsbetrieben gegenüber.
Foto von Prof. Dr. Windthorst unter: