Kampf gegen die Strohdächer – Beitrag von Dr. Christof Spannhoff

Friedrich Schiller 1799 in seinem „Lied von der Glocke“:

Wohltätig ist des Feuers Macht,

Wenn sie der Mensch bezähmt, bewacht,

Und was er bildet, was er schafft,

Das dankt er dieser;

Doch furchtbar wird die Himmelskraft,

Wenn sie der Fessel sich entrafft,

Einhertritt auf der eignen Spur

Die freie Tochter der Natur.

Wehe, wenn sie losgelassen

Wachsend ohne Widerstand

Durch die volkbelebten Gassen

Wälzt den ungeheuren Brand!

 

So dichtete bereits Friedrich Schiller 1799 in seinem „Lied von der Glocke“ und beschrieb dar- in die schöpferische, aber auch zerstörerische Kraft des Feuers. Brände waren in der Vergangenheit Katastrophen, die der Mensch kaum bändigen konnte. Und die Gefahr war allgegenwärtig, denn man heizte, kochte, beleuchtete mit offenem Feuer in Fachwerkhäusern aus Holz mit Strohdach sowie Heu und Stroh auf dem Dachboden.

Strohgedecktes Heuerhaus in Mettingen, um 1930. Foto: Bildarchiv Emslandmuseum Lingen

Der unachtsame Umgang mit dem Feuer oder ein Gewitter konnten somit schnell einen Brand auslösen. Um die Feuergefahr einzudämmen, sollten ordentliche Feuerstellen mit Rauchfang, massive Schornsteine und eben auch Ziegeldächer dienen. Bereits in der Franzosenzeit ordnete die Regierung des Großherzogtums Berg 1810 an, dass alle Stroh- und Schindeldächer innerhalb der nächsten 12 Jahre abzuschaffen seien. Da aber die Herrschaft Napoleons schon wenige Jahre später endete, wurde diese Reform unterbrochen. So mussten die preußischen Landräte der 1816 gegründeten Landkreise diese Aufgabe fortführen. Allerdings war das nicht so einfach, wie gedacht, denn die Einsprüche gegen die Abschaffung der Strohdächer häuften sich im Landratsamt.

Die Hausbesitzer versuchten das Dachdecken mit Tonziegeln zu vermeiden, weil es recht kostspielig war. Als Ausrede wurde daher immer wieder das finanzielle Unvermögen vorgeschoben. Wiederholt musste der Landrat also Gebäude besichtigen, begutachten und anschließend berichten. Nach 1841 erlassenen allgemeinen Feuerpolizeiordnung für die Provinz Westfalen durften Strohdächer nur noch auf Häuser anzutreffen sein, die 2.000 Fuß, also ca. 600 Meter von anderen Gebäuden entfernt lagen. Damals wurde auch der hölzerne Schornstein verboten. 1855 wurde diese Bestimmung allerdings abgemildert, um die mittellosen Hausbesitzer nicht allzu sehr zu belasten.

 

Noch 1863 berichtete der Tecklenburger Landrat Ludwig von Diepenbroick-Grüter: „Die Bedachung mit Stroh weicht immer mehr der mit Ziegelpfannen, so groß die Vorliebe unserer Landleute für die wärmere Strohbedachung auch ist. Schornsteine und Rauchfänge haben aufgehört, zu den Seltenheiten zu gehören.“

Nachdem die harten Bedachungen allgemein üblich geworden waren, musste man aber feststellen, dass Ziegeldächer sturmanfälliger und weder bei Regen noch bei Schneetreiben so dicht wie Strohdächer waren. Diese Nachteile versuchte man durch sogenannte „Strohdocken“ auszugleichen. Dazu polsterte man die Tonziegel mit Püppchen aus Stroh, die den durchschlagenden Regen auf die untere Dachpfanne ableiteten. In geschlossenen Ortschaften durfte man wegen der Brandgefahr diese Docken aber wiederum nicht benutzen.

Strohgedecktes Heuerhaus Foto: Emslandmuseum Lingen

Text: Christof Spannhoff

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in: Wege in die Geschichte des Kreises Steinfurt, Steinfurt 2016, Seite 46/47

Hollandgänger ließen sich auch in der niederländischen Stadt Leeuwarden nieder

Bis zum 15. Dezember 2019 war im Fries Landbouwmuseum in Leeuwarden die Ausstellung Hannekemaaiers en Lapkepoepen zu sehen.

In Zusammenarbeit mit dem Emslandmuseum in Lingen war eine umfangreiche Ausstellung zur Geschichte der Saisonarbeiter und Arbeitseinwanderer aus dem Emsland entstanden, deren Zielgebiet die niederländische Provinz Friesland war. Die sog. Hannekemaaiers (Grasmäher) fanden Arbeit in der Landwirtschaft, die Lapkepoepen (Tödden als Tuchhändler) waren im Stoffverkauf aktiv.

https://www.fid-benelux.de/2019/09/13/ausstellung-hollandgaenger-in-leeuwarden/

https://www.friesland.nl/de/orte/2802230650/friesische-landwirtschaftsmuseum

Dazu wurde informatives Begleitmaterial erstellt:

 

Beispiele dazu:

  1. WIRDUMERDIJK 2-4

Hermann Rohling, später Roling, kam 1860 aus dem Münsterland nach Leeuwarden.

Er arbeitete zunächst als Verkäufer bei Bahlmann Textile neben  Winkel van Sinkel. Er hatte dort ein Zimmer. Rohling heiratete Cisca Drontmann und gründete 1870 zusammen mit Wreesman aus Frankfurt ein Textil- und Deckengeschäft. Das Geschäft bestand fast ein Jahrhundert lang weiter, zuerst in der Voorstreek 21 und ab 1889 in Wirdumerdijk. Frau Roling führte als Witwe das Geschäft zwischen 1905 und 1943. 1966 wurde die Firma Roling geschlossen.

In der Karte sind 19 deutschstämmige Kaufleute aufgeführt:

Dieser Kaufmann Hermann Rohling zeichnete diese Stadtansicht im Jahre 1865:

  1. WIRDUMERDIJK 10

Im März 1898 eröffneten Peek und Cloppenburg ihr Modelager in Wirdumerdijk 10. Das Unternehmen befand sich zuvor in Nieuwestad 38. ‚P & C‘ waren ursprünglich auch westfälischer Herkunft. Im Gegensatz zu C & A beispielsweise hatte das Unternehmen Peek & Cloppenburg keine Wurzeln in Friesland. Das Unternehmen hatte bereits Niederlassungen an anderer Stelle. In Leeuwarden wurden einst Maßnahmen gegen Peek und Cloppenburg ergriffen, da nur katholische Mitarbeiter eingestellt wurden. Die Niederlassung wurde zu Beginn dieses Jahrhunderts geschlossen. Der Name steht nicht auf der Fassade.

In der Karte unter Hermann Rohling 

Wie das Tecklenburger Land auf das Bevölkerungswachstum reagierte

 Versorgungprobleme stehen am Anfang

Ein Beitrag von Dr. Christof Spannhoff

Als Westfalen preußisch wurde und 1816 zwecks einer besseren verwaltungsmäßigen Durchdringung des Staatsgebietes die Einteilung in Kreise vollzogen worden war, standen die neuen Landräte vor einem Problem, das sich bereits seit dem 18. Jahrhundert abgezeichnet hatte. Die Bevölkerung wuchs! Was sich zunächst einmal positiv anhört, bereitete zu Beginn des 19. Jahrhunderts Schwierigkeiten, denn die vielen Menschen mussten versorgt werden, ein Auskommen haben. Diesem Anspruch standen allerdings die gesellschaftlichen Strukturen, vor allem aber in einem ländlich geprägten Gebiet wie dem Kreis Steinfurt auch die Grenzen der damaligen Landwirtschaft entgegen.

Die Landwirtschaft stellte im Kreis Steinfurt den Haupterwerbszweig dar. Handel und Gewerbe spielten eine eher untergeordnete Rolle. Allerdings waren die drei ökonomischen Bereiche eng miteinander verwoben, denn einerseits war der überwiegende Teil der ländlichen Bevölkerung als Kleinbauern und Heuerleute darauf angewiesen, einen Nebenerwerb zu ihrer landwirtschaftlichen Tätigkeit im textilen Hausgewerbe oder in der saisonalen Wanderarbeit („Hollandgang“) bzw. im Wanderhandel („Töddenwesen“ ) zu betreiben. Auf der anderen Seite verzichteten die Gewerbetreibenden und Händler in den wenigen Städten als sogenannte „Ackerbürger“ nicht auf ein landwirtschaftliches Standbein.

 

Ausschlaggebend für die landwirtschaftliche Produktion war die Bodenqualität und -nutzung. Noch 1831 bestand ein hoher Anteil der potentiellen Agrarnutzfläche aus Heide und Wald. Die agrarwirtschaftlichen Möglichkeiten waren also begrenzt und waren Grundlagen für eine gemischte Acker- und Viehwirtschaft, durch die jedoch die Bevölkerung nicht ausreichend versorgt werden konnte. Verschärfend hinzu kam die schlechte Bodenqualität. Die Böden waren entweder zu nass oder zu trocken. Diese Bodenverhältnisse wirkten sich auf die Ernte aus. Vor allem Getreide musste in großen Mengen einführt werden. Deshalb wurde versucht, den Ertrag der Ackerflächen durch Düngung zu verbessern. Da der Anfall von Stalldung relativ gering war, wurde verstärkt die Düngung mit sogenannten Plaggen (Gras-, Heide- oder Torfsoden), die mit dem Stalldung vermischt wurden, betrieben. Die Plaggen wurden in den Gemeinheitsgründen und in schlechten Wiesen oder Weiden gewonnen. Diese Flächen dienten aber auch als Grundlage der Viehwirtschaft, die zur Ergänzung der Nahrung, zur Düngerproduktion und Bereitstellung von Zugvieh unerlässlich war. Hinzu kam das Beweiden der abgeernteten Felder.

Aus diesen natürlichen Voraussetzungen ergab sich ein sehr begrenzter Nahrungsspielraum der ländlichen Bevölkerung, der indes einigermaßen mit Wanderarbeit, Wanderhandel und Heimgewerbe ausgeglichen werden konnte. Allerdings macht diese schmale Existenzgrundlage die Krisenanfälligkeit des wirtschaftlichen Systems deutlich.

Erschwert wurden die landwirtschaftliche Produktion und die agrarwirtschaftliche Entwicklung zudem durch die Zersplitterung des bäuerlichen Grundbesitzes und die Parzellierung der Grundstücke und ihrer Entfernung vom Hof sowie durch die geringe technische Ausstattung.

Nach der Aufteilung der Gemeinheitsflächen kam es zwar zu einem Anstieg des Rindviehbestands, doch mussten die bäuerlichen Kleinbetriebe und Heuerlingswirtschaften ihre Viehstückzahl reduzieren, weil ihnen nun die Weide- bzw. Futteranbauflächen fehlten. Die größeren Betriebe hingegen konnten durch Einführung der Stallhaltung und -fütterung sowie verstärkten Futteranbau ihre Viehhaltung intensivieren. Begünstigt wurde diese Produktionsumstellung durch eine erhöhte Nachfrage nach Milchprodukten und Fleisch. Die Schafzucht ging mit der Aufteilung der Gemeinheitsflächen, die zuvor zur Weide dienten, zurück. Indessen stieg die Zahl der gehaltenen Ziegen bei den unteren Sozialschichten an, da diese anspruchslose und robuste Tierart nun die Kuh als Milchlieferant ersetzen musste. Die Hauptzweige der landwirtschaftlichen Produktion im Kreis Steinfurt beeinflussten sich wechselseitig und waren von den sozialen Verhältnissen stark mitbestimmt. Insgesamt befand sich die Landwirtschaft im Kreis Steinfurt Anfang des 19. Jahrhunderts in einer schwierigen Lage, da sie in der Vielzahl der Fälle nicht als Existenzgrundlage ausreichte und somit durch Nebenerwerb ergänzt werden musste. Mit der verstärkten Aufteilung der gemeinen Marken seit 1821 wurde dann einem Großteil der ländlichen Bevölkerung, den unterbäuerlichen Schichten, noch zusätzlich die Existenzgrundlage stark geschmälert. Als zudem die Nebenerwerbsquellen des textilen Heimgewerbes und der saisonalen Wanderarbeit versiegten, verarmten große Teile der Bevölkerung.

http://www.heuerleute.de/leinenproduktion-im-tecklenburger-land-beitrag-von-dr-christof-spannhoff/

http://www.heuerleute.de/heuerleute-im-suedlichen-muensterland-beitrag-von-dr-christof-spannhoff/

http://www.heuerleute.de/viehzucht-vor-200-jahren-beitrag-von-dr-christof-spannhoff/

Zeichnung Hans Pape "Packenträger um 1850" Quelle: Kracht, August, Von Tödden, Kiepenkerlen und Heringsfischern. Illustriert von Hans Pape, Münster 1955, S. 8

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in: Wege in die Geschichte des Kreises Steinfurt, Steinfurt 2016, Seite 22/23

Die schlimmen Verkehrswege damals

Verkehrswege früher: Schlamm oder Staub

Da im gesamten Verbreitungsgebiet des Heuerlingswesens etwa ein Drittel der Fläche mit Mooren bedeckt war, hatte sich auch die Entwicklung des Straßen- und Wegenetzes danach gerichtet.

Fast durchweg gab es nur unbefestigte Feldwege zwischen den einzelnen Bauerschaften und Höfen. Aber auch in die Marken hinein waren im Laufe der Zeit Wege nach einem natürlichen Verlauf entstanden.

Der Zustand dieser „Straßen“ war insbesondere abhängig von der jeweiligen Witterung: Einen Idealzustand gab es eigentlich zu keiner Jahreszeit:

  • im Herbst und Frühjahr wurden die Wege häufig unbefahrbar wegen der besonderen Regenfälle in dieser Zeit. Es kam bei weichem Untergrund vor, dass die Ackerwagen bis zur Achse einsanken und stecken blieben. So konnten die Zugpferde die Last nicht mehr ziehen. Dadurch wurden die Wege immer breiter, weil man sich zu den Seiten flüchtete, wo man zunächst noch bessere – unverbrauchte  – Verkehrsverhältnisse vorfand.
  • Im Sommer trockneten diese Wege aus und aus den tiefen Matsch – und Wasserlöchern wurde nun feiner loser Sand, der ebenfalls einen unkomplizierten Lastentransport erschwerte. Im Gegensatz zu einer glatten, befestigten Straße sanken die Eisenräder in den weichen Untergrund ein und die Pferde hatten so auch bei wenig Nutzlast schwer zu ziehen.
  • Im Winter waren über Monate viele Wege nahezu unpassierbar durch die fest gefrorenen Unebenheiten aus den Matschtagen des Herbstes.
  • So kam es vor, dass manche Dörfer während der Wintermonate von der übrigen Welt abgeschnitten waren und Verstorbene von abgelegenen Gehöften erst im Frühjahr beerdigt werden konnten.

So konnten etliche Wege immer wieder nur notdürftig repariert werden. Das geschah im so genannten Herrendienst. Wie es schon der Name sagt, ordnete der jeweilige „Herr“ diesen Einsatz zu Hand- und Spanndiensten an. Die Bauern hatten dabei angespannt – also mit Pferd und Wagen – zu erscheinen, die Heuerleute mit einem Handgerät, das war in der Regel eine Schaufel oder eine Hacke. Nun verfüllte man die tiefen Spuren und Löcher mit Plaggen und Sand, mit Steinen, zusammengebundenem Buschwerk und Holz. Das in den Löchern stehende Wasser versuchte man durch kleine Gräben abzuleiten. Bei größeren Sanierungen holte man Plaggenmaterial aus der gemeinsamen Mark.

Allerdings schnitten die scharfkantigen eisenbeschlagenen  Wagenräder die Plaggen schnell wieder klein und bei der nächsten Matschperiode war wieder der schlimme Zustand da, der einen regelmäßigen Durchgangverkehr erst gar nicht erlaubte.

Selbst die wenigen Überlandstraßen waren in ähnlich schlechtem Zustand. Über den Hellweg, der das spätere Ruhrgebiet mit Münster verband, werden auf heutigen Hinweisschildern die schlimmen Wegeverhältnisse entsprechend geschildert und durch Fotos dokumentiert.

Häufig war es so, dass nur in den Dörfern die Hauptstraße mit so genannten Katzenköpfen gepflastert war. Mancherorts waren auch Findlinge die einzige Pflasterung. Da dieser Untergrund weder für die Zugpferde noch für Ackerwagen und Kutschen angenehm war, lag daneben in aller Regel auch ein Sandweg, der dann bei normaler Witterung bevorzugt wurde.

So sah das Wegenetz im Emsland zunächst vor dem 2. Weltkrieg aus. Dann wurde nach dem Kriege im Rahmen des Emslandplanes dieses Gebiet erschlossen.

Was bedeutete das für die Heuerleute?

Die waren grundsätzlich zu Fuß unterwegs, so wie dieser Zimmermann, der sein gesamtes Handwerkszeug am Körper trug

Da die Futtergrundlage für das Vieh der Heuerleute durchweg sehr schmal war, konnte in aller Regel kein Pferd gehalten werden.

Auch wenn der Bauer nach den meisten – mehr mündlichen – Verträgen sich verpflichtete, seinem Heuermann bei der Einsaat und der Ernte mit den Pferden des Hofes auszuhelfen, so war diese Unterstützung nicht für den Transport von Gütern oder kurz Kutschfahrten etwa zur Kirche oder in die benachbarte Stadt vorgesehen. Das beschränkte sich – so  Umfragen dazu – auch äußerste Notfälle.

Außerdem musste die Heuerlingsfamilie für den Pferdeeinsatz mit Menschenkraft bezahlen. Der Umrechnungsfaktor war dort regional verschieden, das pendelte zwischen dem dreifachen und dem sechsfachen Satz. So konnte sich der Heuermann besser zu Fuß auf dem Weg zur Kirche machen und hin und zurück etwa 90 min laufen als sich die Kutsche des Bauern dafür auszuleihen, um anschließend 5 Stunden auf dem Hof dafür arbeiten zu müssen. Es wäre natürlich auch völlig ungehörig gewesen: Ein Heuerling mit der Kutsche des Bauern zur Kirche, das wäre unvorstellbar gewesen und hätte selbst bei den anderen Heuerleuten Kopfschütteln erzeugt.

 

Im Emsland und den angrenzenden Landkreisen im Osten konnten erst ab Mai 1950 mit größeren Finanzmitteln aus dem Emslandplan mit dem Bau von befestigten Straßen begonnen werden.

 

So konnten dann auch Autos abgelegenere Orte unproblematischer erreichen.

 

Fotos: Archiv Kreisbildstelle Kreis Lingen

 

Was macht ein ehemaliges Heuerhaus im Nordhorner Tierpark?

Der bis weit in die Niederlande hinein bekannte Nordhorner Tierpark baute in den letzten Jahren auf einer Anhöhe entlang der Vechte Stück für Stück ein Ensemble Grafschafter landwirtschaftlich-dörflicher Gebäude auf – alte Höfe mit Scheunen und Ställen, bevölkert von alten Nutztierrassen, dazu ein kleiner Dorfplatz mit einer Dorfgaststätte samt Kolonialwarenladen.

 

Natürlich durfte auch ein Heuerhaus nicht fehlen. Dabei handelt es sich um ein besonderes Heuerhaus, nämlich um das vermutlich älteste erhaltene der Grafschaft. Dieses Niederdeutsche Hallenhaus wurde um 1670 als Leibzucht, also Altenteilerhaus, auf dem Hof Elsmann, heute Klüsener, in Wietmarschen mit vier Fachen in der Länge errichtet. Ursprünglich war die Diele nicht befahrbar; das Haus wies im Vordergiebel nur ein schmales Tor auf. Als es im 19. Jahrhundert als Heuerhaus vermietet wurde, baute man eine „Niendeure“ ein, um mit dem Wagen auf die Diele fahren zu können. Außerdem kam ein Pferdestall hinzu. Nachdem das Heuerhaus ab 1960 kaum noch genutzt wurde, verfiel es langsam. Die Familie Klüsener schenkte es 1977 dem Heimatverein der Grafschaft Bentheim.

Unter fachkundiger Leitung von Dr. Dietrich Maschmeyer ließ dieser es durch das Technische Hilfswerk abbauen, um ein Beispiel der Wohnkultur dieser seinerzeit wenig beachteten Bevölkerungsschicht für die Nachwelt zu erhalten. Aber über 30 Jahre blieb das Heuerhaus eingelagert, bis endlich eine neue Verwendung gefunden wurde. Heute ist das Heuerhaus Klüsener gefragt für Hochzeiten in romantischer Umgebung. Darüber hinaus beherbergt es wechselnde Ausstellungen des Tierparks.

Fotos: Archiv Martin Skibicki

Buchprojekt „Watt,de kann Platt?“ entsteht

Da entwickelt sich seit einigen Wochen ein neues Buch mit dem Titel Watt, de kann Platt?

Zur Vorstellung des Projekts ist nachfolgender Pressetext erstellt worden:

 

Platt-Sprecher als Autoren gesucht

Spannendes Buchprojekt zur Lage des Plattdeutschen in der Region

Früher war sie eine von Westfalen bis Ostpreußen reichende Amts- und Kultursprache, heute steht sie nahezu vor dem Aussterben: das Platt- oder Niederdeutsche. Doch das Plattdeutsche stirbt anscheinend einen sehr langsamen Tod, der mittlerweile bereits gut 500 Jahre andauert. Denn immer noch gibt es Menschen, die das Plattdeutsche sprechen und die sich für den Erhalt dieses Kulturguts einsetzen. Das Problem dieser Sprache war es seit dem 19. Jahrhundert, dass ihr der Makel des Minderwertigen anhaftete. Gegenüber dem Hochdeutschen galt der Gebrauch des Plattdeutschen als ungebildet. Dennoch wurde und wird Plattdeutsch bis heute in allen gesellschaftlichen Schichten gesprochen, wird es auch von Personen des öffentlichen Lebens geschätzt und gebraucht.

Genau um diese Menschen geht es bei der zweiten Auflage eines spannenden Buchprojektes: „Watt, de kann Platt?“ Bereits 1998 gaben Bernd Robben und Theo Mönch-Tegeder ein Buch unter diesem Titel heraus, in dem viele bekannte und unbekannte Persönlichkeiten aus dem Emsland und der Grafschaft Bentheim ein Bekenntnis zu ihrer plattdeutschen Sprache verfassten. Nun, über zwanzig Jahre später, soll eine neue und erweiterte Auflage des Buches entstehen. Zum einen werden das Osnabrücker und Münsterland der neue geographische Rahmen werden. Daher sind die Kreisheimatbünde Osnabrück, Bersenbrück und Steinfurt mit ins Redaktions-Boot geholt worden. Zum anderen sollen insbesondere – aber nicht nur – junge und weibliche Autoren angesprochen werden. Die Beiträge über die individuellen positiven (oder auch negativen) Erfahrungen mit der plattdeutschen Sprache, über Erlebnisse oder Erkenntnisse dürfen bis rund drei Textseiten umfassen. Dabei können die Texte sowohl auf Nieder- oder/und Hochdeutsch verfasst werden. Prosa- wie Lyriktexte sind gleichermaßen willkommen. Das Redaktionsteam behält sich allerdings die Auswahl der Texte vor. Ein Anspruch auf Veröffentlichung besteht nicht.

Wer sich an diesem interessanten Projekt beteiligen möchte, der kann seinen Beitrag an folgende E-Mail-Adresse senden: info@kreisheimatbund-steinfurt.de. Weitere Informationen gibt es auch auf der Projekthomepage unter: http://www.watt-up-platt.de  unter Aktuelles.

Weitere Informationen zum Vorhaben werden hier folgen.Anhänge_20200727

Kindheit und Jugendzeit in einem Heuerhaus

 

„Das waren harte Arbeit und Entbehrungen – aber auch wichtige Erfahrungen für das Leben!“

 

Interview mit Rektor a.D. Franz Buitmann, Bersenbrück

 

Vorsitzender des Kreisheimatbundes Bersenbrück

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Umbau 1959

 

 

 

 

 

 

 

 

Ehemaliges Heuerhaus heute

Fotos: Archiv Buitmann

 

 

 

 

 

 

Nachruf auf Theresia Brüning (1928-2020) als wichtige Zeitzeugin

 Theresia Brüning  war eine besondere Zeitzeugin!

Als gebürtige Heuerlingstochter und spätere Magd erlebte sie in den ersten drei Jahrzehnten ihres Lebens noch die vorgegebene typische Biographie einer Landlosen in Nordwestdeutschland.

Als langjährige Heimatvereinsvorsitzende im Lingener Ortsteil Bramsche wagte sie es schon sehr früh, das Heuerlingswesen in geeigneter Weise zur Sprache zu bringen.

In vielen Gesprächen und auch gemeinsamen Besuchen in Archiven konnten wir über drei Jahrzehnte  das Thema Tabuthema Heuerlingswesen weiter aufarbeiten.

In einem beeindruckenden Aufsatz beschrieb sie in dem Buch „Uns gab es auch“ das Leben ihrer Mutter als Heuerlingsfrau.

Am 12. August 2020 wurde sie im Kreise ihrer großen Nachkommenschaft in ihrem Heimatort zu Grabe getragen. Sie wäre an diesem Tage 83 Jahre alt geworden.

 

 

Foto: Archiv Robben

Aus dem Leben einer Heuerlingsfrau

Leinenproduktion im Tecklenburger Land – Beitrag von Dr. Christof Spannhoff

Die Verwaltung des 1816 neu eingerichteten Kreises Tecklenburg hatte mit vielfältigen Problemen fertig zu werden, die ihr als Erbe der Vormoderne überlassen worden waren. Eine dieser Schwierigkeiten war der Niedergang der Leinenproduktion im Tecklenburger Land, des bislang wichtigsten Erwerbszweiges.

Aus wirtschaftsgeschichtlicher Perspektive erscheint das „Tecklenburger Land“ zu Beginn der 19. Jahrhunderts recht heterogen. Die Haupteinnahmen in den Gemeinden der vormaligen Grafschaft Tecklenburg wurden Mitte des 18. Jahrhunderts durch die Herstellung von Leinen erwirtschaftet. Somit stellte die Leinenproduktion im östlichen Teil des späteren Kreises Tecklenburg neben der Landwirtschaft die wichtigste Erwerbsquelle der Bevölkerung dar. Die Leinenproduktion konzentrierte sich vor allem auf die Erzeugung des „Löwendlinnens“, einer groben Hanfleinsorte, dessen Produktabsatz in die überregionalen und internationalen Märkte eingebunden war, indem die im Tecklenburger Land hergestellte Leinwand als Segeltuch, Verpackungsmaterial und Kleidung diente.      Hauptsächlich über Bremen gelangten die Stoffe nach England und von dort in die überseeischen Kolonien und nach Nordamerika.

Diese Leinenproduktion, die im 18. Jahrhundert einen wichtigen Nebenerwerb vor allem der klein- und unterbäuerlichen Schichten dargestellt hatte, geriet allerdings im 19. Jahrhundert in die Krise. Durch den Wegfall eines Großteils der landwirtschaftlichen Grundlage durch die Markenteilung, an der sie nicht beteiligt wurde, wurde diese Bevölkerungsgruppe nun aber von der Textilherstellung umso abhängiger. Zunächst ruinierte die napoleonische Kontinentalsperre (1806-1814) das Hauslei-nengewerbe, weil der wichtige Absatzmarkt in Großbritannien und Nordamerika wegfiel. In dieser Zeit eroberten schottische und irische Konkurrenten den nordamerikanischen Markt, so dass es nach Aufhebung der Handelssperre für das westfälische Leinen kaum mehr möglich war, hier wieder Fuß zu fassen. Zudem wurde der Kontinent nach 1814 von günstigeren englischen Maschinenstoffen überschwemmt und England erhob einen Einfuhrzoll von 30 Prozent auf den Tecklenburger Leinenexport, der ihn somit unrentabel werden ließ. Auch der Konkurrenz durch die aufkommenden Baumwollstoffe war das Tecklenburger Leinen nicht gewachsen. Im Jahr 1816 betrug der Produktionsrückgang gegenüber 1787 52 Prozent. Durch die Steigerung der Qualität sollte dem Niedergang entgegengewirkt werden. Dazu wurden neben der in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts eingerichteten alten Legge in Tecklenburg neue Leinenprüfanstalten in Ibbenbüren und Westerkappeln gegrün det. Als Segel- und Packtuch war das Tecklenburger Leinen weiterhin gefragt. Dennoch konnte auch eine neue Leggeordnung, die 1842 erlassen wurde und den Verkauf ungeprüften Leinens unter strenge Strafe stellte, nicht verhindern, dass auch der Export Teck-lenburger Leinens für Pack- und Segelstoffe in den 1830er Jahren stetig abnahm.

Die schweren Krisenjahre 1844/46 bewirkten dann den endgültigen Niedergang des Leinengewerbes. Alle Wiederbelebungsversuche seitens der Regierung fruchteten nicht. 1858 übergab der Tecklenburger Landrat die Leggestempel der Regierung, am 3. Mai 1859 erfolgte die gesetzliche Aufhebung der Leggeordnung. Allerdings wurde für den Eigenbedarf in den Haushalten bis um 1900 weiterhin Leinen hergestellt.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in: Wege in die Geschichte des Kreises Steinfurt, Steinfurt 2016, Seite 38/39