Leinenproduktion im Tecklenburger Land – Beitrag von Dr. Christof Spannhoff

Die Verwaltung des 1816 neu eingerichteten Kreises Tecklenburg hatte mit vielfältigen Problemen fertig zu werden, die ihr als Erbe der Vormoderne überlassen worden waren. Eine dieser Schwierigkeiten war der Niedergang der Leinenproduktion im Tecklenburger Land, des bislang wichtigsten Erwerbszweiges.

Aus wirtschaftsgeschichtlicher Perspektive erscheint das „Tecklenburger Land” zu Beginn der 19. Jahrhunderts recht heterogen. Die Haupteinnahmen in den Gemeinden der vormaligen Grafschaft Tecklenburg wurden Mitte des 18. Jahrhunderts durch die Herstellung von Leinen erwirtschaftet. Somit stellte die Leinenproduktion im östlichen Teil des späteren Kreises Tecklenburg neben der Landwirtschaft die wichtigste Erwerbsquelle der Bevölkerung dar. Die Leinenproduktion konzentrierte sich vor allem auf die Erzeugung des „Löwendlinnens”, einer groben Hanfleinsorte, dessen Produktabsatz in die überregionalen und internationalen Märkte eingebunden war, indem die im Tecklenburger Land hergestellte Leinwand als Segeltuch, Verpackungsmaterial und Kleidung diente.      Hauptsächlich über Bremen gelangten die Stoffe nach England und von dort in die überseeischen Kolonien und nach Nordamerika.

Diese Leinenproduktion, die im 18. Jahrhundert einen wichtigen Nebenerwerb vor allem der klein- und unterbäuerlichen Schichten dargestellt hatte, geriet allerdings im 19. Jahrhundert in die Krise. Durch den Wegfall eines Großteils der landwirtschaftlichen Grundlage durch die Markenteilung, an der sie nicht beteiligt wurde, wurde diese Bevölkerungsgruppe nun aber von der Textilherstellung umso abhängiger. Zunächst ruinierte die napoleonische Kontinentalsperre (1806-1814) das Hauslei-nengewerbe, weil der wichtige Absatzmarkt in Großbritannien und Nordamerika wegfiel. In dieser Zeit eroberten schottische und irische Konkurrenten den nordamerikanischen Markt, so dass es nach Aufhebung der Handelssperre für das westfälische Leinen kaum mehr möglich war, hier wieder Fuß zu fassen. Zudem wurde der Kontinent nach 1814 von günstigeren englischen Maschinenstoffen überschwemmt und England erhob einen Einfuhrzoll von 30 Prozent auf den Tecklenburger Leinenexport, der ihn somit unrentabel werden ließ. Auch der Konkurrenz durch die aufkommenden Baumwollstoffe war das Tecklenburger Leinen nicht gewachsen. Im Jahr 1816 betrug der Produktionsrückgang gegenüber 1787 52 Prozent. Durch die Steigerung der Qualität sollte dem Niedergang entgegengewirkt werden. Dazu wurden neben der in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts eingerichteten alten Legge in Tecklenburg neue Leinenprüfanstalten in Ibbenbüren und Westerkappeln gegrün det. Als Segel- und Packtuch war das Tecklenburger Leinen weiterhin gefragt. Dennoch konnte auch eine neue Leggeordnung, die 1842 erlassen wurde und den Verkauf ungeprüften Leinens unter strenge Strafe stellte, nicht verhindern, dass auch der Export Teck-lenburger Leinens für Pack- und Segelstoffe in den 1830er Jahren stetig abnahm.

Die schweren Krisenjahre 1844/46 bewirkten dann den endgültigen Niedergang des Leinengewerbes. Alle Wiederbelebungsversuche seitens der Regierung fruchteten nicht. 1858 übergab der Tecklenburger Landrat die Leggestempel der Regierung, am 3. Mai 1859 erfolgte die gesetzliche Aufhebung der Leggeordnung. Allerdings wurde für den Eigenbedarf in den Haushalten bis um 1900 weiterhin Leinen hergestellt.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in: Wege in die Geschichte des Kreises Steinfurt, Steinfurt 2016, Seite 38/39