NDR zeichnet falsches Bild vom Landleben damals

25. September 2016                                  Seite 522

http://www.fernsehserien.de/100-jahre-landleben/folgen/unser-leben-auf-dem-hof-429302

In dem dreiteiligen Film

100 Jahre Landleben,

der erstmalig 2012 ausgestrahlt wurde, konnte man im 2. Teil diesen Text hören:

Drum prüfe sich, wer sich ewig bindet, damit auch Hektar zu Hektar findet.

Schönheit vergeht, Land besteht.

Nach dieser Bauernweisheit ging man lange Zeit auf dem Dorf bei der Partnerwahl vor.

Der älteste Sohn bekam den Hof, nach dem Höferecht erhielten die weiteren Kinder nur eine geringe Abfindung, da sonst der Hof nicht erhalten werden konnte.

Um 1900 liegt die durchschnittliche Lebenserwartung der Menschen bei 46 Jahren. Männer und Frauen ab 30 tragen Schwarz. Häufig haben sie dann auch keine Zähne mehr im Mund, was sie zusätzlich im äußeren Erscheinungsbild alt machte.

Zum Sterben ging man nicht ins Altersheim, das war undenkbar.

Bevor es eine staatliche geregelte Rente gab, sind alleine die Kinder für die Altersversorgung der Eltern verantwortlich. Ihre Bauernfamilien geraten dadurch häufig in existenzielle Not. Man konnte es sich oft gar nicht mehr leisten, dass Menschen auf dem Hof lebten, die nicht mehr richtig mitarbeiten konnten. Und das Problem wurde noch größer, wenn diese Menschen auch noch verpflegt werden mussten, weil sie alt und gebrechlich geworden waren.

Und da ist es geheimnisvolle Sitte geworden, dass eines Tages – wenn Vater und Mutter zur Last fielen – dann führte sie der Bauer oder die Bäuerin ins Moor um das Dorf herum, in das Jammerholz, erschlug die Eltern und versenkte sie im Moor.

Deshalb heißen diese Moorgebiete auch das Jammerholz. Da ist der Jammer groß, dann werden die Eltern begraben. Wahrheit oder Legende? Die Geschichten werden von Generation zu Generation weitergegeben.

Auf mittlerweile über 120 Vorträgen zum Heuerlingswesen habe ich diese Schilderung vom “Jammerholz” im gesamten Verbreitungsgebiet vorgetragen:

Nirgendwo kannte man diese Vorgehensweise gegenüber älteren Menschen auf dem Lande.

 

Die Heuerleute und der christliche Glaube

24. September 2016                       Seite 521

Gerade die Heuerleute hatten mit vielen Rückschlägen und sonstigen Widrigkeiten des Lebens zu kämpfen.

Da ist die hohe Kindersterblichkeit, das Geburts – oder Kindbettfieber, das viele junge Frauen dahingerafft hat.

Ein langes Siechtum wie etwa bei der weit verbreiteten Lungentuberkulose – weithin Schwindsucht genannt – musste ohne wirksame Behandlung ertragen werden.

Immer wieder taucht bei der Befragung älterer Zeitzeugen der Hinweis auf: Ohne unseren festen Glauben und die Kirche hätten wir das alles kaum ertragen können.

Fast alle Menschen im ländlichen Bereich waren damals nahezu täglich fest in den christlichen Glauben und das Kirchenleben vor Ort eingebunden. Schon wenige Stunden nach der Geburt eines Kindes musste es getauft werden, damit es bei einem frühen Tod nicht als Heidenkind starb. In den aufkommenden Schulen war der Religionsunterricht das wichtigste Fach. Viele Glaubenssätze mussten auswendig gelernt sein.

Der Pastor oder Pfarrer war im gesamten Dorf die höchste Respektsperson.

Nun war aber dieser Geistliche nicht selten der Sohn eines größeren Bauern, der das Geld für das Studium erübrigen konnte. Und so wird von etlichen ehemaligen Heuerleuten erzählt, dass der Pastor sich gerade in der Gruppe der Bauern besonders wohl gefühlt habe: Dort habe er in der Freizeit Karten gespielt, dort habe er seinen Schinken und einige zusätzliche Zigarren bekommen, dort sei er mit zur Jagd gegangen.

So werden es viele Heuerleute als gottgegebenes Schicksal ertragen haben, dass sie in ihrem Pastor nicht den idealen Anwalt für ihre Nöte und Sorgen gegenüber den Bauern hatten.

Es gibt aber durchaus auch Beispiele dafür, dass die Pastöre aus ihrer herausgehobenen gesellschaftlichen Funktion auch ganz objektiv die schwierige Lage der Heuerleute nach oben weiter meldeten.

Ein ganz besonderer Anwalt der Heuerleute war Pastor Funke aus Menslage.

fronleichnamsprozession

Viele Heuerleute  – so die Ergebnisse etlicher Befragungen – fanden im kirchlichen Leben einen Halt für ihr Leben.

Hier bei einer Fronleichnamsprozession

Foto: Archiv Kirchenbote in Osnabrück

Die Heuerleute wollten gutes Eschland nicht wieder abgeben

24.September 2016                                                 Seite 520

Den Fall gab es auch:
Ein älterer Bauer aus dem südlichen Emsland berichtete in einem Interview

(Tonträger liegt im Archiv Robben):

Als ich 1965 den Hof von meinem Vater übernommen habe, waren dort immer noch fünf (eigentlich schon ehemalige) Heuerleute zu unserem Hof gehörig, die zwar durchweg schon ihr eigenes Haus gebaut hatten, die aber auf die Ackerflächen nicht verzichten wollten. Das hatte folgenden Hintergrund: Mein Urgroßvater besaß ursprünglich einen kleinen Kötterbetrieb. Durch besonders günstige Umstände, Fleiß und Umsicht war es ihm möglich gewesen, diesen kleinen ländlichen Besitz Gewinn bringend so zu verkaufen, dass er schließlich unseren jetzigen Hof mit einem passenden Kredit damals kaufen konnte. Mit dieser Erfahrung des “kleinen Mannes“ hatte er seinerzeit schon den Heuerleuten – im Gegensatz zu der sonst üblichen Praxis – jeweils zwischen 2 und 3 Hektar guten Eschboden zur Pacht gegeben. Da ich mich entschlossen hatte, unseren mittelgroßen Hof weiterhin als Vollerwerbsbetrieb zu führen, war ich nun auf alle Flächen im Eigenbesitz angewiesen. Das sah schließlich auch mein Vater ein, wir sind dann gemeinsam zu unseren ehemaligen Heuerleuten gegangen, die mittlerweile ja nur noch Pächter waren, aber das „Landwirten“ unter diesen Umständen noch gerne betrieben als Nebenerwerb. Sie waren allerdings alle durchweg in guten Beschäftigungsverhältnissen. Auf unsere landwirtschaftlichen Flächen waren sie somit erheblich weniger angewiesen als ich. Das konnten wir dann auch in sachlichen und fairen Gesprächen abklären und ich bekam die Eschflächen im Einvernehmen zurück. Allerdings war mir schon klar, dass unsere ehemaligen Heuerleute ungern darauf verzichtet haben.

Drei von ihnen hatten sich schon einen kleinen Trecker gekauft, um  nun endlich unbeschwert ihre eigene kleine Landwirtschaft zu betreiben. Wir haben heute auch in der dritten Generation noch ein gutes Verhältnis. Allerdings hätte die nun jüngere Generation keine Lust mehr, auf den Urlaub zu verzichten, um ein paar Schweine zu züchten…

 

Lieske: 80% der Vorfahren waren Heuerleute

24. September 2016                         Seite 519                               

Wenn man beide Werte zusammen zieht (siehe vorige Seite, Anm. Bernd Robben), kann man statistisch davon ausgehen, daß unsere jetzige Bevölkerung ca. 80% seiner Vorfahren (vor 1850) in dieser Gruppe finden wird.

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Dagegen ist leider in den uns erhalten gebliebenen Kirchenbüchern die Gruppe der Heuerleute vielfach sehr unvollständig dokumentiert worden; es gibt z.B. von einer Geburt Daten, aber keinen vollständigen Namen, oft nicht einmal den Hinweis auf einen Elternteil. Lediglich die Bezeichnung eines Nebengebäudes, daß einem Bauern gehörte.

  1. Beispiel: 1.5.1709 “En een kint uijt Pöstis Schüüre van ‘t Hanken e”
  2. Beispiel: 1.2.1782 “Hildering Huurmans Kind, Gebbe”
  3. Beispiel: 3.9.1752 “Berend van Brink Schot kint Harm”

Dies gilt auch in vielen Fällen für andere Bereiche der kirchlichen Eintragungen.

Alle relevanten verwertbaren Daten habe ich gesammelt. geordnet und zu überschaubaren, stimmigen Familienverbänden verbunden.

Ergebnis für das 3. Beispiel:

Kind : Harm Harmensen geb. 3.9.1752

Vater : Berent Harmensen, Brink Huurman r 67 Heirat

Mutter: Aale Lampen                                                                 etwa 1745

Das Beispiel Nr. 1 war nicht verwertbar.

Dieser zweiten, berichtigten und vervollständigten Ausgabe habe ich alte Handschriften aus den Jahren 1486 und 1634/35 beigefügt. die Namen von Bauern enthalten, die dem Fürsten zu Bentheim eigenhörig waren; Zins und Abgabepflichtig – im weitesten Sinne – auch Heuerleute.

Mein Dank dafür gilt Prinz Oskar, Fürst zu Bentheim und Burgsteinfurt. der einer Veröffentlichung zugestimmt hat.

Sowie Herrn Dr. Voort, Bentheim, für die Übersetzung derselben.

Ebenso Karten aus dem Jahr 1895 der Kirchspiele Nordhorns.

Die Namen der Hofstellen wurden von Herrn Gerhard Plasger ermittelt und deren Koordinaten festgelegt.

Es wird sicher einige Heuerfamilien gegeben haben. die so mit der Hofstelle verknüpft waren, daß über Jahrhunderte auch Heuerhäuser vom Vater auf den Sohn übergegangen sind; wie ich es bei dem Heuermann Balders auf dem Hofe Lödden selbst recherchiert habe.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei der genealogischen Suche.

Danken möchte ich an dieser Stelle Herrn Theodor Davina für alle geleisteten Vorarbeiten und Hilfen, Herrn Gerhard Plasger für Übersetzungen und Korrekturen und Jörg für Gestaltung der Karten, Covers und Einiges mehr.

Werner Lieske          Im Februar 1998

Untersuchungen zu Heuerleuten von Werner Lieske (NOH)

24. September2016                                    Seite 518

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Es soll hier kurz die umfangreiche Dokumentation von Werner Lieske vorgestellt werden.

Er hat im Kirchspiel Nordhorn in der Zeit von 1692 bis 1850 735 Heuerlingsfamilien dokumentiert.

Dazu gehören 2100 Personen!

In seiner Einleitung schreibt er:

Das genealogische Forschen ist eine Suche nach den Anfingen; der Wunsch, immer tiefer in die Vergangenheit vorzudringen, hinter den Vorhang zu schauen, den Jahrhunderte gewoben haben.

Den Vorfahren einen Namen zu geben, damit sie uns deutlicher werden. Sie aus der Anonymität herauszuholen, ihr Leben in Grenzen transparenter zu machen und zwischen den Zeilen von ihren Freuden. Sorgen, und Nöten zu erfahren – ihrem Leben nachzuspüren.

Das hier vorliegende Buch befasst sich mit Heuerleuten, einer Bevölkerungsschicht, die in ihrer Zeit den untersten sozialen Rang einnahm; keinen Grund und Boden ihr Eigen nannte; nicht einmal ein Haus besaß; und doch machte sie den Großteil der Landbevölkerung aus, wie wir den Statistiken aus den Jahren 1812 und 1809 entnehmen können:

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Fotoband entwickelt sich

24. September 2016                                      Seite 517

Halbzeit beim Buchprojekt Heuerhäuser im Wandel.

 

Vor etwas mehr als einem Jahr begannen die ersten Recherchen dazu. Mittlerweile sind über 70 „Objekte“ im Programm.

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Im nächsten Jahr etwa um diese Zeit soll das Buch in den Druck gehen, damit es zum Weihnachtsgeschäft in den Buchhandlungen zeitgerecht angeboten werden kann. In den letzten 12 Monaten wurden insgesamt 35 Hausbesitzer  besucht, es wurden Fotos gemacht und Gespräche geführt. Dazu liegen die bearbeiteten Bilder schon im Vorlayout vor und ein entsprechender Begleittext ist formuliert.

In den nächsten zwölf Monaten werden auch die übrigen ehemaligen Heuerhäuser besucht. Dabei geht es auch über das Verbreitungsgebiet des Heuerlingswesens in Nordwestdeutschland hinaus. So ist ein Landarbeiterhaus in den Niederlanden nahe der Grenze ins Programm aufgenommen worden,  auch ein solches Doppelhaus in der Nähe von Emden wird ebenfalls vorgestellt werden.

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Die Fotos (Bockholt) zeigen das Haus zu Beginn der Umbauphase und heute…

Geschichte des Heuerhauses Rohde in Rieste

24. September 2016                                              Seite 516

Das ehemalige Doppelheuerhaus von Frau Rohde gehörte früher zum großen Hof zu Oeveste in Rieste.

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Dazu gibt es eine interessante Geschichte, die ein ganzes Buch füllt.

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In der Einleitung dazu heißt es:

Warum ist Johann Heinrich zur Oeveste, geboren am 19. Oktober 1801, im März 1834 von Rieste im Kirchspiel Bramsche »nach Amerika gegangen«?

H. zur Oeveste war der älteste Sohn eines eigenbehörigen Großbauern, d.h. eines Colonen, der in einem Rechte und Pflichten umfassenden Abhängigkeitsverhältnis zur Grund­herrschaft des Johanniter-Klosters Kommende Lage in Rieste stand. 121 Höfe gehörten dazu, 76 davon im Kirchspiel Bramsche. Die Familie hatte Naturalien zu liefern, Hand- und Spanndienste zu leisten und Geld zu zahlen. Colonen waren Erbpächter ihrer Höfe. (Dobelmann 55-74; B. Holtmann 50­111; St. Martin, Bramsche: Lange).

Das war ein beschwerliches, aber weitgehend abgesichertes Leben für die Familie Kessen zur Oeveste. Sie wird erstmals um 1350 im Abgabenverzeichnis der Kommende Lage erwähnt. Sie hatte am 1. März 1834 die Ablösung, d.h. den Erwerb des vollen Eigentums, beantragt, wenige Tage, bevor J. H. zur Oeveste »nach Amerika gegangen« ist.

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Dazu wird noch mehr zu berichten sein….

 

Flößen auf der Ems

24. 09. 2016                                               Seite 515

Im Münsterland stehen heute noch prächtige Eichen – so in den Baumbergen bei Gerleve.

Der insbesondere schon im 18. Jahrhundert aufblühende Schiffbau in Papenburg brauchte Mengen an gutem Holz dafür.

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Insbesondere in der Winterszeit konnten beim Flößen etliche Heuerleute aus dem Münsterland dringend benötigte Nebeneinkünfte erzielen.

Im Raume Lingen wird von älteren Emsnachbarn erzählt, dass der Familienname Greve, der dort gehäuft auftritt, etwas mit spontaner Zuneigung zu jungen Emsländerinnen zu tun habe.

Dort sind also einige Flößer offenbar “gestrandet”.

Fundsachen auf den Recherchetouren…

23. September 2016                                                                 Seite 513

 

…. hier im Artland

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… und im Emsland

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Das hat folgenden Hintergrund:

Wollten die Heuerleute einen kleinen Schuppen anbauen, dann bekamen sie in aller Regel dafür vom Bauern nur die Erlaubnis, ein Provisorium zu errichten, das nach Abzug oder Kündigung durch die Heuerleute schnell wieder zu beseitigen sein sollte.

Bestehende Eichenbäume durften deshalb dafür nicht gefällt werden,  diese wurden dann umbaut…

Fotos: Archiv Robben

 

 

 

Vom Papst geadelt

23. September 2016                                                          Seite 512

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Erfolgreiche Einwanderer aus Nordwestdeutschland waren vornehmlich  in den ansonsten überwiegend protestantischen Niederlanden.

Die Kaufmannsfamilien Dreesmann (früher Haselünne) und Brenninkmeyer (ehemals Mettingen)

haben u. a. der katholischen Kirche mit ihren Einrichtungen immer wieder größere Geldbeträge zukommen lassen.

Auch dafür wurden Besitzer vom päpstlichen Stuhl geadelt.

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