Bei dem Versuch, die Auswirkungen baurechtlicher Vorschriften auf die Ansiedlung von (Heuer-)Häusern im Außenbereich und auf ihre konkrete Ausgestaltung im Laufe der Jahrhunderte darzustellen, ist darauf hinzuweisen, dass sich das Baurecht in Deutschland zunächst in den Städten entwickelt hat. Das Bauen auf dem platten Land erfährt erst im Absolutismus vor allem unter dem Gesichtspunkt des Feuerschutzes eine Reglementierung. Der heute allgegenwärtige Versuch, den Außenbereich von Bebauung freizuhalten, entwickelt sich erst nach und nach. Schließlich muss man sich vergegenwärtigen, dass das Recht zu Bauen herkömmlich Ausfluss des Eigentumsrechts am Grund und Boden ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat dies nach Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes im Jahre 1960 wie folgt prägnant umschrieben: „Heuerlingswohnungen sind auf dem Grundbesitz des bäuerlichen Arbeitgebers (…) in eigentumsmäßiger Verbindung (…) mit dem Hof“ errichtete Wohnungen (Bundesverwaltungsgericht I C 74.59). Dieser nüchterne Befund bestätigt auch im Baurecht die dominierende Stellung des Bauern als Grundeigentümer und die nur reflexartig durch die Bauvorschriften betroffenen Nutzer der Heuerlingswohnungen.
Vom Sachsenspiegel zur „Bauordnung“
Für die Zeit, bevor sich das Heuerlingswesen insbesondere im nordwestdeutschen Raum ausgebildet hat, soll auf folgende baurechtliche Quellen zur Siedlungsform und Regelungen hingewiesen werden, die auch für das flache Land Bedeutung hatten:
Der römische Schriftsteller Tacitus beschreibt im 16. Kapitel der Germania ca. 100 Jahre nach Christi Geburt die Siedlungsform der Germanen wie folgt: „Sie wohnen abgelegen und vereinzelt [colunt discreti ac diversi], gerade wie eine Quelle, ein Flurstück, eine Waldung ihnen zusagt. Die Dörfer legen sie nicht in unserer Art und Weise an, dass die Gebäude verbunden sind und zusammenhängen: Jeder umgibt sein Haus mit einem Zwischenraum, sei es zum Schutz gegen Feuersgefahr, sei es aus Unkenntnis im Bauen [inscientia aedificandi].“ Baurechtlicher Regelungen bedurfte eine solche Siedlungsform außerhalb der Städte auf dem flachen Lande nicht. Der Vorhalt der „inscientia aedificandi“ hallt auch nach zweitausend Jahren noch nach.
Das wichtigste deutsche Rechtsbuch des Mittelalters ist der Sachsenspiegel Eike von Repgows (1221 – 1224), der in Ost- und Norddeutschland eine große Verbreitung fand. Dieses regelt zwei Kardinalprobleme des Baurechts, nämlich die Baufreiheit und den Baukonsens (Baugenehmigung) und reglementierte den Nachbarschutz vor Traufwasser, Geruch und Feuer. Dort heißt es in § 1: „Ofen und gang“ (d. h. Backofen und Abtritt) „und schweinekoben sollen drei fuß von dem zaune stehen. § 2: Jeder soll beschützen seinen ofen und dessen mauern, dass die funken nicht fahren in eines anderen mannes hof ihm zum schaden. § 3: Gänge“ (d. h. Abtritte) „soll man ferner einhegen und bis auf die Erde, die nach eines anderen Mannes Hof zustehen“, ähnliche Regelungen finden sich im Schwabenspiegel (1275).
Mit seiner 1564 in Frankfurt am Main erschienenen „BauwOrdnung“ hat Leonhard Frönsperger aus Ulm ein Anleitungsbuch zum Erlass einer Bauordnung, wenn man so will, einer Art Musterbauordnung für seine Zeit, herausgegeben. Nach wohl gemeinten Ratschlägen an den Bauherrn, nicht durch Fehlkalkulation der Baukosten ins Unglück gestoßen zu werden, folgen allgemeine Vorschriften zum Verfahren, zum Eigentum und dessen Entzug, zur Baufreiheit und zum Abstand von Nachbargebäuden, bevor dann der Bau und seine Teile im Einzelnen abgehandelt wurden. Die Kernfrage des öffentlichen Baurechts, ob und in welchem Umfang das Eigentum am Grund und Boden eine persönliche Baufreiheit mit umfasst, beantwortet Frönsperger zwar sehr weitgehend: „Auff frey eigenthum an grund und boden mag einer ein haus oder anders wol darauf bauwen/und aufrichten/so hoch einer will/bis an den Himmel/denn solches ist dessen eigen (…).“ Diese vermeintlich grenzenlose Baufreiheit erfährt aber außer durch private Dienstbarkeiten durch Gewohnheits- und Ortsrecht wesentliche Einschränkungen, die insbesondere das Bauen in Städten und Ortschaften betrifft. Auch die Interessen des Nachbarn sind zu berücksichtigen. Grundsätzlich besteht im Außenbereich ein Bauverbot: „Außerhalb einer Stadt sollen weder Bürger noch Einwohner etwas bauen, es sei denn, dass Feldgeschworene nach einer Ortsbesichtigung die Erlaubnis erteilen.“
Die Zeit des Absolutismus – Baurecht auch für das „platte Land“
War die Macht der Landesfürsten bereits im ausgehenden 16. Jahrhundert erstarkt, setzen sich diese nach den Verwüstungen der Städte im dreißigjährigen Krieg im Kampf zwischen Stadt- und Staatsgewalt endgültig durch. Im Zeitalter des Absolutismus beginnt auch für das Baurecht eine neue Epoche. Als Ausfluss seiner Souveränität nahm der Landesherr im monarchischen Absolutismus das „ius politiae“ in Anspruch, d. h. alles zu fordern und zwangsweise durchzusetzen, was nach seiner Auffassung das „gemeine Wohl“ und der öffentliche Nutzen verlangten, und dabei auch beliebig in die Rechte der Untertanen einzugreifen (Wohlfahrtpflege). So wurde auch das Baurecht in die staatspolitische Zielsetzung integriert, die „allgemeine Glückseligkeit“ zu fördern. Aus dem Baurecht wurde das Baupolizeirecht. Die Bauordnungen des 17. und 18. Jahrhunderts knüpfen abgesehen von dem landesfürstlichen Städtebau an den materiellen Grundbestand des überkommenen Baurechts an. War das Baurecht des Mittelalters im Wesentlichen auf die Städte konzentriert, wurde die landesherrliche Gesetzgebung nunmehr auf das platte Land ausgedehnt. Waren bereits im Mittelalter an die Obrigkeit gerichtete Bauanzeigen und Genehmigungen des Landesherrn oder der Städte erforderlich, entwickelten sich im Absolutismus das formelle Baugesuch und die Erteilung des schriftlichen Baukonsenses. Eine Weiterentwicklung erfolgte auf dem Gebiet des Feuerschutzes. Neben oder anstelle entsprechender Regelungen in den Bauordnungen treten gesonderte Feuerordnungen oder Feuerlöschordnungen für Stadt und Land.
1748 erlässt Friedrich der I., König von Preussen, die „Erneuerte und geschärfte Feuerordnung für die Dorfschaften des Fürstentums Minden und der Grafschaft Ravensberg, Tecklenburg und Lingen“. Im § 1 wird dort die Pflicht aller begründet, welche von nun an neue Gebäude und insbesondere Wohnhäuser bauen wollen, dass dies dem Orts Land-Rat anzuzeigen ist. § 3 bestimmt: „In denen alten und gegenwärtig schlechten Häusern aber, worinnen nie Schornsteine gewesen, noch selbige angelegt werden können, sollen nicht nur tüchtige Schwipbögen so drey Fuß tief sind angefertigt, mithin die Feuerstellen mit steinernen Mauern und Wänden an den Seiten wohl verwahret, sondern auch die bisher üblich gewesene, so genannte Oefen, oder Feuerrrahmen in- und auswändig mit Leimen beworfen und diese wenigstens wöchentlich einmal tüchtig abgefeget und von dem, so sich angesetztet, gereinigt werden.“ Geregelt wird die Anlage von Aschengruben. Backöfen werden auf den Höfen nicht mehr geduldet und dürfen nur noch 30 Schritt von übrigen Gebäuden errichtet werden. Das Flachs- und Hanftrocknen in Gebäuden wird ebenso verboten wie das Viehfüttern mit offenem Licht.
Besonders instruktiv für unseren Raum ist die (preußische) „Dorfordnung für das Fürstentum Minden, Grafschaft Rabensberg, Tecklenburg und Lingen“ vom 07.02.1755. Hierbei handelt es sich um eine Art Gemeindeordnung, die aber über unser heutiges Verständnis weit hinaus geht. Nach § 1 soll „der Sabbath gefeyert und die Kirche fleißig besuchet werden.“ Nach § 2 soll sich „ein jeder des Fluchens enthalten.“ Es finden sich Regelungen über Kirche, Kirchhöfe, Schulhäuser, die Instandhaltung von Zäunen, Brücken und Gräben und die Einrichtung von Armenkassen. § 10 regelt, dass beim Läuten der „Bauer-Glocke“ sich alle Einwohner einzufinden haben. Die Regelungen der Feuer-Ordnung vom 05.06.1748 werden wiederholt und bekräftigt. Nunmehr wird auch das Tabakrauchen in Stallungen, im Wald und auf der Heide unter strenge Strafe gestellt.
- 20 der Dorfordnung regelt, „Wie sich die Untertanen bei Aufnehmung der Heuer-Leute zu betragen haben.
Finden sich Leute aus denen benachbarten Landen ein, welche sich nur zur Heuer niederlassen wollen, sind solche, daferne sie sonsten eines guten Rufes sind, williglich aufzunehmen, derjenige aber, welcher solche aufnimmt, muß es dem Orts Vorsteher anzeigen, damit es derselbe dem Beamten und Receptori melden könne. Ein solcher Heuerling soll zwei Jahr von der Kontribution, oder dem Schutz-Gelde befreiet bleiben, daferne er aber sodann wieder außer Landes ziehen wollte, soll er die gewöhnlichen Steuern, oder Schutz- und Marken-Gelder, nachzahlen, und der haussitzende Wirth, welcher dieselbe zur Heuer aufgenommen hat, dafür einstehen.“
Diese Vorschrift belegt, dass der König die Existenz der Heuerleute kennt und für deren Wohlergehen Sorge tragen will.
Baupolizeirecht in Preußen
Friedrich der II. von Preußen (1712 – 1786) hat als bedeutendster Vertreter des aufgeklärten Absolutismus die Gesetzgebung mit einer umfassenden Kodifikation erneuert. Als „Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten“ wurde das Gesetzeswerk am 05.02.1794 verkündet und trat im Juni desselben Jahres in Kraft.
„Vom Eigenthum“ handelt der Achte Titel des Ersten Teils. Die §§ 65 bis 82 I 8 ALR sind mit der Überschrift „Einschränkungen des Eigenthümers bey dem Bauen“ überschrieben. §§ 65 I 8 ALR bestimmt: „In der Regel ist jeder Eigenthümer seinen Grund und Boden mit Gebäuden zu besetzen und sein Gebäude zu verändern wohl befugt.“ Aus dieser Vorschrift ist später auf dem Gebiet des Bau- und Bodenrechts der Grundsatz der Freiheit des Eigentums mit der darin enthaltenen Baufreiheit abgeleitet worden. „Vorzüglich“ ist nach § 69 I 8 ALR eine „besondere obrigkeitliche Erlaubnis nothwendig“, wenn in Stadt oder Land eine neue Feuerstätte errichtet oder eine alte an einen anderen Ort verlegt werden soll. Das ALR teilt die Tätigkeit des Staats ausdrücklich in Gefahrenabwehr und Wohlfahrtspflege ein. Zum Organ der Gefahrenabwehr bestimmt es in § 10 II 17 die Polizei mit den Worten: „Die nöthigen Anstalten zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung und zur Abwendung der dem Publico oder einzelnen Mitgliedern derselben, bevorstehenden Gefahr zu treffen, ist das Amt der Polizey.“ Die Einschränkung der Polizeygewalt im Sinne des § 10 II 17 ALR wurde in der Praxis erst mehr als 80 Jahre nach Inkrafttreten des ALR anhand von zwei baurechtlichen Entscheidungen des Preußischen Oberverwaltungsgerichts – den sog. Kreuzberg-Urteilen – durchgesetzt, als die Rechtmäßigkeitskontrolle polizeylicher Verfügungen einer in der Spitze unabhängigen Verwaltungsgerichtsbarkeit übertragen worden war.
Die Rechtsquellen des preußischen Baupolizeirechts bilden – trotz der Regelungen des ALR – weiterhin eine Vielzahl von örtlichen Bauordnungen. Die „Bau-Ordnung für den Anbau in der Feldmark der Stadt Lingen“, die der Magistrat unter dem 03.09.1859 erlassen hat, hat folgenden Vorspruch: „Da die Vermehrung der Bauten vor den Thoren der Stadt die Nothwendigkeit zeigt, feste Regeln aufzustellen, nach denen in Ansehung der Bauten in der Feldmark zu verfahren ist: so wird nach vorgängiger Zustimmung der Bürgervorsteher und mit Genehmigung Königlicher Landdrosten die nachfolgende Bauordnung für die Feldmark der Stadt Lingen bekanntgemacht.“ In der Bauordnung wird zwischen dem Anbau an städtische und an ländliche Straßen unterschieden. „Bei den städtischen Straßen sind die Vorschriften der Bau-Ordnung mit größerer Strenge zu behandeln, bei den ländlichen können dieselben mit größerer Nachsicht angewandt werden.“ Unter dem 02.06.1869 hat der Magistrat der Stadt Lingen eine neue aus 47 Paragraphen bestehende Feuerpolizeiordnung erlassen, die am 01.01.1870 in Kraft getreten ist.
Steuerung durch Planung: Ansiedlung anstatt Zersiedlung
Das liberale Eigentumsverständnis, mangelnde Planungs- und Bodenordnungsvorschriften, gepaart mit örtlicher Rechtszersplitterung der Bauvorschriften führten im Zeitalter der Industrialisierung, des Bevölkerungswachstums und der Zusammenballung der Menschen in den Großstädten zu Bodenspekulation, zu planlosem Ausufern der Städte sowie teilweise zu unhygienischen und engen Wohnverhältnissen. Das heute noch durch die Darstellungen von Zille bekannte Berliner Milieu hat zur Forderung nach Licht und Luft und die Schaffung gesunder Wohnverhältnisse geführt. Dies hat, soweit ersichtlich, keine Entsprechung für das Milieu der Heuerleute gefunden.
Mit dem Fluchtliniengesetz von 1875 versuchte der preußische Gesetzgeber, durch die Festsetzungen von Straßen- und Baufluchtlinien Ordnung in die Bautätigkeit zu bringen. Durch das Preußische Ansiedlungsgesetz von 1876 sollte der Zersiedlung der Landschaft Einhalt geboten werden. § 13 Abs. 1 des Preußischen Ansiedlungsgesetzes bestimmt, dass derjenige, der „außerhalb einer im Zusammenhang gebauten Ortschaft ein Wohnhaus errichten oder ein schon vorhandenes Gebäude zum Wohnhaus einrichten will (…)“, einer von der Ortspolizei zu erteilenden Ansiedlungsgenehmigung“ bedarf. „Vor deren Aushändigung darf nach § 13 Satz 2 dieses Gesetzes die polizeiliche Bauerlaubnis nicht erteilt werden.“ Das Gesetz war zum Schutz der Gemeinden vor unwirtschaftlichen Aufwendungen und infolge dessen zur Ergänzung des Fluchtliniengesetzes erlassen worden; es diente dazu, die Wohnbebauung im Wesentlichen außerhalb der Siedlungskerne der Städte und der ländlichen Ortschaften soweit zu beschränken, als dies zur Wahrung berechtigter privater und öffentlicher Interessen erforderlich war.
Anders als Preußen gelang es in anderen deutschen Bundesstaaten moderne Baugesetze zu schaffen. Insbesondere das Allgemeine Baugesetz für das Königreich Sachsen vom 01.07.1900 gilt als Bespiel einer modernen Baurechtskodifikation. Bauplanungs- und Bauordnungsrecht wurden mustergültig in einem Gesetz vereinigt. Erstaunlich hoch waren die Anforderungen an den Wohnungsstandard. Aufenthaltsräume sollten eine lichte Höhe von 2,85 m haben. In ländlichen Verhältnissen waren 2,25 m vorgeschrieben. Auch Wasch- und andere Nebenanlagen gehörten zur Mindestausstattung. Die Sicherheit und Gesundheit der Bewohner durfte nicht gefährdet werden. Wohnungen und Arbeitsräume mussten in ausreichendem Maße Trockenheit, Licht, Luft, Raum und Zugängigkeit haben.
Gesundes Wohnen als Ziel der Weimarer Verfassung
Die Weimarer Reichsverfassung (WRV) vom 11.08.1919 machte – zumindest auf dem Papier – auch den in den Heuerlingsstellen wohnenden Leuten Hoffnung auf Besserung. Nach Art. 155 Abs. 1 S. 1 WRV hatte der Staat die Verteilung und Nutzung des Bodens mit dem Ziele zu überwachen, „jedem Deutschen eine gesunde Wohnung und allen deutschen Familien, besonders den kinderreichen, eine ihren Bedürfnissen entsprechende Wohn- und Wirtschaftsstätte zu sichern.“ Die Intention des Art. 155 WRV war entscheidend durch die sog. „Bodenreformer“ beeinflusst worden und zielte grundsätzlich auf die Ermöglichung des eigenen, kleinen Hausbesitzes. Art. 155 Abs. 1 S. 1 WRV wurde aber lediglich als Programmsatz und als „Richtlinie für den Gesetzgeber“ qualifiziert. Er bestimmte nur die allgemeine Richtung, in die der Gesetzgeber zu gehen hatte. An eine Erreichung der Ziele durch einen entsprechenden Einsatz des Baupolizeirechts wurde nicht gedacht. Um der großen Wohnungsnot nach dem 1. Weltkrieg entgegen zu wirken und um die Eigenversorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln zu fördern, wurden vom Reich die Verordnung zur Behebung der dringendsten Wohnungsnot vom 15.01.1919, das Reichssiedlungsgesetz vom 11.08.1919 und das Reichsheimstättengesetz vom 10.05.1920 erlassen. Der Zugang an Wohnungen betrug im Zeitraum von 1925 bis 1932 im Mittel 248.000. Von diesen Gesetzen haben sicherlich auch Heuerleute profitiert, allerdings nicht in den bestehenden Heuerlingswohnungen, sondern nur, wenn sie es schafften, die Heuer zu verlassen.
Mit dem preußischen Wohnungsgesetz vom 28.03.1918 wurde die Ermächtigung zum Erlass von Bauordnungen geschaffen, die im Sinne einer Wohnungsfürsorge ein gesundes Wohnen mit ausreichender Licht- und Luftzufuhr gewährleisten sollten. Um eine gewisse Einheitlichkeit und Übersichtlichkeit der zahlreichen Baupolizeiverordnungen zu erreichen, erließ Preußen am 25.04.1919 die „Einheitsbauordnung für die Städte und Landgemeinden mit stadtartiger Entwicklung“ und am 23.03.1931 die „Einheitsbauordnung für das platte Land“. Diese dienten als verbindliche Regelungsmuster für die Städte und Gemeindebezirke. Entsprechende Baupolizeiverordnungen sind auch im Regierungsbezirk Osnabrück erst mit Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes 1960 und mit der Niedersächsischen Bauordnung vom 23.07.1973 endgültig außer Kraft getreten.
Baurecht in der NS-Zeit
Während des dritten Reiches wurde durch § 1 des Gesetzes über einstweilige Maßnahmen zur Ordnung des deutschen Siedlungswesens vom 03.07.1934 der Reichsarbeitsminister ermächtigt, „bis zur reichsgesetzlichen Regelung des Planungs-, Siedlungs- und öffentlichen Baurechts diejenigen Maßnahmen zu treffen, die erforderlich sind, um das deutsche Siedlungswesen zu überwachten und zu ordnen.“ Aufgrund dieser Ermächtigung sind u. a. folgende Verordnungen erlassen worden: Die Durchführungsverordnung zu dem Gesetz über einstweilige Maßnahmen zur Ordnung des deutschen Siedlungswesens vom 05.07.1934, die Verordnung über die Regelung der Bebauung vom 15.02.1936, die Verordnung über die Landbeschaffung für Kleinsiedlungen vom 07.10.1936 und die Verordnung über Lehmbauten vom 04.10.1944.
Besondere Bedeutung hat die Bauregelungsverordnung erlangt, die ebenfalls erst 1960 durch das Bundesbaugesetz aufgehoben worden ist. § 3 der Bauregelungsverordnung enthält
Bestimmungen, die heute § 35 BauGB trifft. Danach war die baupolizeiliche Genehmigung für die baulichen Anlagen zu versagen, „die außerhalb von Baugebieten“ oder „außerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils“ ausgeführt werden sollten, wenn ihre Ausführung „der geordneten Entwicklung des Gemeindegebietes oder einer geordneten Bebauung zuwiderliefen.“
Nach dem 2. Weltkrieg: Bauplanungsrecht des Bundes – Bauordnungen der Länder
Nach Erlass des Grundgesetzes im Jahre 1949 kam es zwischen Bund und Ländern zum Kompetenzstreit über die Zuständigkeit für den Erlass eines Baugesetzes für die Bundesrepublik Deutschland. Das Baurechtsgutachten des Bundesverfassungsgerichts vom 16.06.1954 wies dem Bund die Zuständigkeit für das Bodenrecht und somit für das Bauplanungsrecht zu und den Ländern die Kompetenz für das „Baupolizeirecht im bisherigen Sinne“. Dies führte im Ergebnis zum Erlass des Bundesbaugesetzes in der Fassung vom 23.06.1960 und der inzwischen 17 Bauordnungen der Länder.
Für die große Zahl der in unserem Raum noch vorhandenen Heuerhäuser erlangte § 35 Bundesbaugesetz besondere Bedeutung. § 35 BBauGB bestimmte:
(1) „Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es
- einem landwirtschaftlichen (…) Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt (…),
- einer Landarbeiterstelle dient.
(2) Sonstige Vorhaben können im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt.“
Nach Absatz 3 dieser Vorschrift liegt eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange insbesondere vor, wenn „das Ortsbild verunstaltet oder die natürliche Art der Landschaft beeinträchtigt oder wenn die Entstehung einer Splittersiedlung zu befürchten ist.“
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Heuerlingswohnungen als Vorhaben im Außenbereich nach Maßgabe des § 35 Abs. 1 BauGB privilegiert zulässig. Wie bei der Wohnung oder dem Wohnhaus des Betriebsinhabers müssen die allgemeinen Voraussetzungen der Privilegierung erfüllt sein. Dazu gehört vor allem die dauerhaft dienende, funktionale Zuordnung der Heuerlingswohnung zum Betrieb. Wichtige Merkmale sind die räumliche Nähe zur Hofstelle sowie das Eigentum des Betriebs an der Wohnung. Kennzeichnend für die Heuerlingsstelle ist im Gegensatz zur bloßen Landarbeiterwohnung, dass der Heuerling auf von dem Betriebsinhaber überlassenem Grund und Boden eine eigene Bodenertragsnutzung im Sinne der Landwirtschaft betreibt.
Von der Wohnung für Landarbeiter zu unterscheiden ist die Landarbeiterstelle. Darunter ist ein im Eigentum eines Landarbeiters stehendes Grundstück mit einem von ihm selbst genutzten Wohnhaus zu verstehen. Sie ist daher nicht wie die Wohnung für Heuerleute und Landarbeiter Teil eines landwirtschaftlichen Betriebes. Mangels eigener landwirtschaftlicher Betätigung stellt sie auch keinen landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb dar. Die Landarbeiterstelle war bis zum Ablauf des 31.12.1997 privilegiert zulässig. Diese privilegierte Zulässigkeit wurde aufgrund des Bau- und Raumordnungsgesetzes 1998 unter Hinweis auf die geringe praktische Relevanz und festgestellte Missbrauchsmöglichkeiten aufgehoben.
Aus der Gesetzeslage folgt, dass, so lange die Heuerlingsfamilie das Heuerhaus bewohnt und der Heuerling für den Bauern als Arbeitgeber tätig ist, es sich bei dem Heuerlingshaus um ein im Außenbereich privilegiert zulässiges Vorhaben handelt, das der Landwirtschaft des Hauptbetriebes dient.
Folgen des Strukturwandels: Heuerhäuser ohne Heuerlinge
Der Strukturwandel nach dem 2. Weltkrieg führte spätestens in den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts zum Ende des Heuerlingswesens. Die Heuerleute suchten sich Arbeitsplätze außerhalb der Landwirtschaft und zogen häufig heimatsnah in neu entstandene Wohnsiedlungen.
Dies führte in vielen Fällen zum Leerstand der Heuerlingshäuser und zum stetigen Verfall und zur Ruinenbildung im Außenbereich. So verwundert es nicht, dass in die Niedersächsische Bauordnung als eine der ersten im Bundesgebiet eine Rechtsgrundlage zum Abbruch verfallender baulicher Anlagen aufgenommen wurde (§ 79 Abs. 3 NBauO). Teilweise erfolgte auch eine Umnutzung der Heuerhäuser in Stallungen und Scheunen für den landwirtschaftlichen Betrieb.
Selbst, wenn die Heuerleute weiterhin in den Heuerhäusern wohnten, aber nicht mehr für den Bauern arbeiteten, wurde dadurch die privilegierte Nutzung beendet. Genau genommen war bereits für eine solche Nutzungsänderung des Heuerlingshauses in ein Mietshaus eine Baugenehmigung erforderlich. Eine solche schleichende Nutzungsänderung im Bestand blieb den Bauaufsichtsbehörden häufig zwar verborgen.
Wurden die abseits gelegenen Heuerhäuser aber zu Wohn- und Freizeitzwecken an Städter vermietet, rief dies nicht selten die Bauaufsicht auf den Plan. Insbesondere wenn es dem Landwirt gelang, eine ausparzellierte Heuerlingsstelle – trotz der grundsätzlich erforderlichen Bodenverkehrsgenehmigung – für gutes Geld als Ferien- oder gar als Hauptwohnsitz zu veräußern, war der Konflikt mit den (Bau-)Behörden oder benachbarten Landwirten vorprogrammiert. Gerne wurden nämlich die Heuerstellen veräußert, die – aus welchen Gründen auch immer – nicht am eigenen Hof, sondern an der Hofstelle eines benachbarten Landwirtes lagen. Häufig konnten sich die neuen Landbewohner nicht mit den – in der Stadt unbekannten – landwirtschaftlichen Tierhaltungs-, Silage- und Güllegerüchen und dem frühen beginnenden Arbeitstag des Landwirts anfreunden. Beschwerden und Immissionsabwehransprüche wurden erhoben. Die ehemaligen Heuerstellen waren Anlass für unzählige Verwaltungs- und Gerichtsverfahren, wenn die Bauaufsicht mit Nutzungsuntersagungs- oder Abrissverfügungen sowie im Rahmen von Nachbarbeschwerden einschritt oder ein Einschreiten verweigerte.
Der Versuch einer baurechtlichen Bewältigung: Verfassungsunmittelbarer Bestandsschutz
Die Befugnis der Bauaufsichtsbehörde zum Einschreiten mittels bauaufsichtlicher Verfügungen hängt davon ab, ob ein Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften vorliegt. Dabei wird zwischen formeller und materieller Illegalität unterschieden. Die Frage nach der formellen Legalität zielt darauf, ob ein baugenehmigungsbedürftiges Vorhaben genehmigt worden ist oder jedenfalls die Voraussetzungen für einen Bestandsschutz gegeben sind. Die Beweislast hierfür trägt herkömmlich derjenige, der sich auf die Existenz einer Baugenehmigung oder die Voraussetzungen eines Bestandsschutzes beruft. In der Rechtsprechung ist insbesondere auch mit Blick auf Gebäude im Außenbereich anerkannt, dass eine Vermutung dafür spricht, dass bauliche Anlagen, die seit unvordenklichen Zeiten unter den Augen der Baupolizei bestanden haben und von diesen fortdauernd als zu Recht bestehend behandelt worden sind, seinerzeit auch ordnungsgemäß und in Übereinstimmung mit den bestehenden Gesetzen zustande gekommen sind.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegt ein durch Art. 14 Abs. 1 GG bewirkter Bestandsschutz nur dann vor, wenn der Bestand zu irgendeinem Zeitpunkt genehmigt worden oder jedenfalls genehmigungsfähig gewesen ist. Hieraus folgt, dass jedenfalls bei der überwiegenden Anzahl der nach dem 2. Weltkrieg verbliebenen Heuerhäuser von einem Bestandsschutz auszugehen war. Der baurechtliche Bestandsschutz gewährt das Recht, eine rechtmäßig errichtete bauliche Anlage in ihrem Bestand zu erhalten und sie wie bisher zu nutzen, auch wenn neue Vorschriften dem entgegenstehen; der Bestandsschutz erweist sich seinem Wesen nach einmal als ein Schutz gegenüber einem behördlichen Beseitigungsverlangen (sog. passiver Bestandsschutz) und berechtigt dazu, die zur Erhaltung und zeitgemäßen Nutzung der baulichen Anlagen notwendigen Maßnahmen durchzuführen. Darüber hinaus hat das Bundesverwaltungsgericht bis Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts im Rahmen eines sog. aktiven Bestandsschutzes auch einen Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung für gewisse begrenzte Änderungen anerkannt.
So verwundert es nicht, dass alte und neue Eigentümer von Heuerhäusern den Begriff des Bestandsschutzes für ein Allheilmittel ihrer Probleme mit den Bauämtern und den darüber bei der Bezirksregierung angesiedelten Aufsichtsbehörden hielten. Dies erwies sich jedoch häufig als Trugschluss. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erstreckt sich der Bestandsschutz für bauliche Anlagen gegenüber Änderungen der Baurechtsordnung aus der verfassungsrechtlichen Sicht des Artikel 14 Abs. 1 S. 1 GG nämlich nur auf ihren genehmigten oder genehmigungsfähigen Bestand und ihre genehmigte oder genehmigungsfähige Funktion. Er erfasst grundsätzlich nicht Bestands- oder Funktionsänderungen, weil diese über den genehmigten Zustand hinausgreifen würden und ein solches Hinausgreifen von der die Eigentümerstellung regelnden Bauvorschriften nicht gedeckt wäre. Von der Variationsbreite der als Heuerlingswohnung genehmigten oder genehmigungsfähigen Funktion mit der Bindung an die Hofstelle des Bauern war – bei genauem Hinsehen – bereits eine bloße Vermietung und schon gar nicht eine entprivilegierte Nutzung nach dem Verkauf des Heuerhauses gedeckt. Eine Genehmigung konnte nur über § 35 Abs. 2 Bundesbaugesetz/BBauGB erfolgen mit der nur schwer zu überwindbaren Hürde der Nichtbeeinträchtigung öffentlicher Belange.