“Grüner” Wasserstoff in der BP Lingen

Viele ehemalige Heuerleute fanden in den fünfziger Jahren mit dem
Auslaufen des Heuerlingswesens – auch ungelernt – einen auskömmlichen Arbeitsplatz bei “Ölwerk” in Lingen-Holthausen.

Etliche Nachkommen arbeiten dort heute – teilweise als studierte Fachkräfte. Sie bauen an vorderster Front an der Energiewende mit.

Eine eindrucksvolle Fallstudie zum Heuerlingswesen

Der emsländische Autor Anton Wiechmann bereichert das bisher vernachlässigte Thema “Heuerlingswesen” mit einer Fallstudie:

 

Vorwort von Bernd Robben

Nebenan lebten „unsere“ Heuerleute, die Familie Schütte. In dieser Hofgemeinschaft gestaltete sich das Leben in den jeweiligen Großfamilien weitgehend noch wie um die Jahrhundertwende. Die Nahrung für Menschen und Tier wurde noch bis zu 90% in Eigenleistung produziert.

Auch die Eigenversorgung mit Brennmaterial war gesichert durch eigene Waldungen, die Zugkraft unserer beiden Pferde reichte aus für die Ackerbearbeitung und den Transport. Die geschlossene Kutsche war das Statussymbol nach außen. Damit fuhr man sonntags stolz zur Kirche und eher selten in die Stadt. Mit diesen Sätzen habe ich fast durchweg meine 130 Vorträge in ganz Nordwestdeutschland begonnen: Erstaunte Blicke und nicht selten die spontane Frage: Warum haben Sie denn dann das Buch „Wenn der Bauer pfeift, dann müssen die Heuerleute kommen!“ geschrieben?

Der wohl entscheidende Grund dafür wurde bei mir schon in jungen Jahren von August Schütte in der direkten Nachbarschaft gelegt. Dieser Mann war – noch als Hüürmann – ein Pionier der Landwirtschaft in unserer Region. Er ahnte die enormen Veränderungen und deren Möglichkeiten im Bereich der Mechanisierung der Landwirtschaft voraus. So kaufte er sich schon kurz nach dem 2. Weltkrieg einen Lanz-Bulldog und eine große Dreschmaschine für den überbetrieblichen Einsatz. Damit hatte er eine echte und lukrative Marktlücke entdeckt und sein Betrieb entwickelte sich schnell. Meine Kindheit und Jugend war direkt und indirekt stark durch diesen Mann geprägt, der mit seiner Familie noch bis 1958 in der „Hüre“ bei uns wohnte und dann ganz in der Nähe siedeln konnte, so dass wir Nachbarn blieben.

Beeindruckend für mein Leben waren die beiden Kernsätze von ihm: Wenn die Heuerleute Bauern gewesen wären, hätten sie sich genauso verhalten wie die Landwirte! und Heuerleute wird es immer geben – auch wenn das letzte „Hüürhus“ schon hundert Jahre abgerissen ist!

Schütten August war einer der ersten in der Generation, die das enge Band der Heuerlingssituation wirtschaftlich und sozial sprengen konnte. Sein Sohn Hermann überwand auch die bisherigen engen Bildungsgrenzen: Er wurde ein führender Entwickler der neu aufkommenden Landmaschinentechnik bei Krone in Spelle.

Das allzu enge Korsett der durchgehenden Bildungsferne im Heuerlingswesen konnte nun zumindest in der nachfolgenden Generation abgestreift werden.

Und genau hier liegt uns nun mit dieser Veröffentlichung von Anton Wiechmann eine interessante Fallstudie vor über die bisher noch völlig vernachlässigte Zeit der Ablösung aus dieser weitgehend als minder empfundenen Sozialisationsform mit den Kernfragen:

  • Wohin wanderten sie ab?
  • Wo fanden sie als „Ungelernte“ (zumeist keine offizielle Berufsausbildung) eine lohnende Arbeitsstelle?
  • Konnten sie nun endlich Eigentum erwerben (und sich ein Haus bauen)?
  • Reichten die damaligen Bildungsmöglichkeiten schon aus, dass der nachwachsenden Generation nun auch qualifiziertere Berufsabschlüsse ermöglicht wurden?

Am 3. Juli 1945 vollendete Bernd Jansen sein vierzehntes Lebensjahr. Seine nachfolgenden Zeitzeugnisse sind in mehrfacher Hinsicht auf der einen Seite einmalig, andererseits aber auch wirklich gelungene exemplarische Zeitfenster, die hier weit geöffnet werden und authentische Einblicke geben in ein bisheriges Tabuthema Nordwestdeutschlands.

Auch hier kann man – wenn man über den Tellerrand etwa nach Ostfriesland oder Niederbayern schaut – feststellen: Das Heuerlingswesen war offensichtlich nicht die schlechteste Sozialisationsform der besitzlosen Landbevölkerung im deutschsprachigen Raum!

Ich habe diese Abhandlung in einem Rutsch gelesen – das könnte auch Ihnen passieren!

Das Emsland einmal auf links gepflügt

 

Nachfolgend ein gelungenes Beispiel dafür, wie ein  komplexer wirtschaftshistorischer Ablauf dargestellt werden kann.

Autor: Dr. Andreas Eiynck, Leiter des Emslandmuseums in Lingen

Durch diese umfangreichen Kultivierungsmaßnahmen im Bourtanger Moor im Rahmen des Emslandplanes ab 1950 erhielten zahlreiche ehemalige Heuerleute und abgehende Bauernsöhne eigenes Siedlungsland und günstige Darlehen für eine Hofstelle.

Die damaligen Flächenzuweisungen von etwa 15 Hektar erwiesen sich aber in der rasant sich entwickelnden ökonomischen Agrarwelt der Nachkriegszeit als zu gering für einen Vollerwerb.

Foto: Kreisbildstelle Lingen

 

Das Emsland einmal auf links gepflügt

Hütekinder im Westmünsterland

Fast im gesamten Gebiet Nordwestdeutschlands waren die Heuerleute auf das Beweiden der Wegeränder angewiesen. Diese Aufgaben mussten die Kinder übernehmen.

Windkraft – Grüne Revolution oder schmutziges Geschäft? Tagesanbruch von t-online

Beitrag Tagesanbruch von t-online am 05.02.2923

Windkraft ist eine der wichtigsten Säulen, um die Energiewende in Deutschland zu schaffen. Damit der Ausbau schneller vorankommt, wurden diese Woche die gesetzlichen Regelungen vereinfacht. Doch für die Herstellung von Windrädern braucht es Rohstoffe, die wir in Europa nicht in ausreichender Menge haben, z.B. Kupfer. Beim Abbau von Kupfer entstehen giftige Substanzen und umweltschädliche Abfälle. Außerdem sind wir abhängig von Ländern wie Chile oder Bolivien, die große Vorkommen der benötigten Rohstoffe haben. Vor Ort konkurrieren wir auch noch mit China. Ist Windkraft daher eine Grüne Revolution oder ein schmutziges Geschäft? Und wie können wir trotzdem weiterhin mit guten Gewissen Windräder bauen?

https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/id_100123324/energiewende-mit-windkraft-gruene-revolution-oder-schmutziges-geschaeft-.html

Emslandnot! Zur Lage der Heuerleute im Jahre 1929 in der Deutschen Allgemeinen Zeitung

 

Ein Zeitungsbericht aus dem Jahre 1929, erschienen in der Berliner Ausgabe der Deutschen Allgemeinen Zeitung, beschreibt die damalige Situation in Teilen des Emslandes, wie der Reporter sie bei seiner Bereisung erlebt hatte.

Dieser nachfolgende Zeitungsartikel kam zustande, weil in den Jahren 1927 und 1928 die deutsche Landwirtschaft eine tiefe Krise erschütterte. Da in der Grafschaft Bentheim und im Emsland ohnehin eine große Rückständigkeit zum übrigen Deutschland bestand, steigerte sich diese Notsituation so, dass es zum Steuerstreik und zu Demonstrationen kam. Daher entschloss sich der damalige Osnabrücker Regierungspräsident, überregionale Pressevertreter in das Emsland zur Bereisung einzuladen, um so auf die unhaltbaren Zustände auch in Regierungskreisen in Berlin aufmerksam zu machen und auf diesem Wege Fördergelder für die Emslanderschließung zu erhalten.

So berichteten zwei weitere überregionale Zeitungen fast deckungsgleich über die unmenschlichen damaligen Verhältnisse in unserer Region.

Durch die Emslanderschließung und das fast gleichzeitig einsetzende Wirtschaftswachstum (auch Wirtschaftswunder genannt) im Nachkriegsdeutschland änderten sich aus heutiger Sicht kaum vorstellbar schnell die Verhältnisse zum Besseren.

 

„Von einer „Emslandnot“ hatte die große Öffentlichkeit namentlich in der östlichen Hälfte des Reiches und ganz besonders in Berlin bisher noch kaum etwas vernommen. Daher horchte man überrascht und einigermaßen ungläubig auf, als vor wenigen Tagen im Reichstag Hilfe aus öffentlichen Mitteln für das kulturell vernachlässigte Emsland nachdrücklich gefordert wurde.

Ein großer Teil des Emslandes, und zwar 75.000 Hektar, sind heute noch mit Moor und Heide bedeckt. … Tatsächlich haben wohl nur die wenigsten Teilnehmer dieser Fahrt in dieser äußersten Nordwestecke des Reiches Zustände vermutet, wie man sie jenseits unserer Ostgrenze in verluderten polnischen Dörfern findet. Die Wohnungsverhältnisse der Kleinbauern und Heuerlinge spotten vielfach selbst den primitivsten hygienischen Anforderungen und können ohne Übertreibung nur als menschenunwürdig bezeichnet werden. Wie die Berichte der Ortspolizeibehörden melden, sind etliche Familien unzureichend untergebracht. Dieses „unzureichend“ ist ein sehr milde gewählter Ausdruck für diese jämmerlichen Hütten, deren besonders hervorstechendes Merkmal die so genannten Butzen sind, eingebaute niedrige Schlafschränke ohne Zugangsmöglichkeit für Luft und Licht, die gegebene Brutstätten sind für die im Emsland stark verbreitete Tuberkulose.

In einem Heuerhause, das besichtigt wurde, schlafen in zwei solchen Butzen die Eltern, zwei Söhne und Töchter im Alter von 21 Jahren bis herab zu einem drei Monate alten Säugling. Im Kreise Aschendorf zählt man noch heute 747 Häuser mit 1500 solcher Butzen, im Kreise Bentheim noch über 800. Für die Ersetzung durch Bettstellen werden von den Kreisen, von den Gemeinden und von der Landesversicherungsanstalt Prämien von 100 Mark ausgesetzt. Wie gerechtfertigt diese Notstandsmaßnahme ist, zeigen die Zahlen der tödlich verlaufenden Tuberkulosefälle: Allein im Kreise Meppen kamen 1925 auf 10.000 Einwohner 15 Tuberkulose -Tote, während die Durchschnittszahl in Preußen 10,93 auf 10.000 Einwohner beträgt. Die Ernährungsweise der ländlichen Bevölkerung ist außerordentlich armselig, das tägliche Gericht sind für weite Kreise Kartoffeln und Brei. Die in den engen Wohnräumen von den morschen Deckenbalken herabhängenden Speckseiten können darüber nicht hinwegtäuschen: Sie stellen den Fettnahrungsbedarf einer Familie für das ganze Jahr dar. Der Boden, soweit er nicht dem Moore abgerungen werden muss, besteht größtenteils aus stark sandigen oder lehmigen Grünländereien, ungünstigen Bodenverhältnisse die leistungsschwachen Gemeinden keine größeren Mittel für den Bau von Straßen aufwenden


konnten, sind im Emsland heute noch 112 Gemeinden ohne befestigte Straße und können die nächste Landstraße nur auf Sand- und Moorwegen erreichen, die bei Regenwetter völlig unpassierbar sind, wovon sich die Teilnehmer an der Besichtigungsfahrt durch eigenen Augenschein überzeugen konnten.

Es ist vorgekommen, dass Verstorbene deren Anbauwert durch den seit Jahrhunderten immer wiederholten einseitigen Roggenanbau noch  verschlechtert worden ist und unter Aufwendung er-heblicher Arbeit und Geldmittel, besonders für künstliche Düngung, langsam behoben werden kann. Nicht weniger ungünstig sind die wasserwirtschaftlichen Verhältnisse des Emslandes. Nicht nur die Ems, sondern auch die übrigen kleineren Wasserläufe befinden sich zum großen Teil noch in ungeregeltem Zustande. Dadurch, dass die vorhandenen Entwässerungsgräben die großen Wassermengen aus dem regenreichen Gebiet nicht entfernt aufnehmen und ableiten können, ereignen sich im Frühjahr und Herbst häufig große Überschwemmungen, die oft den völligen Verlust der Grünfutterernte zur Folge haben.

Nun die Verkehrsverhältnisse: Da infolge der ungünstigen Bodenverhältnisse die leistungsschwachen Gemeinden keine größeren Mittel für den Bau von Straßen aufwenden konnten, sind im Emsland heute noch 112 Gemeinden ohne befestigte Straße und können die nächste Landstraße nur auf Sand- und Moorwegen erreichen, die bei Regenwetter völlig unpassierbar sind, wovon sich die Teilnehmer an der Besichtigungsfahrt durch eigenen Augenschein überzeugen konnten.

Es ist vorgekommen, dass Verstorbene wochenlang in ihrer Wohnung liegen bleiben mussten, da der Zustand der Wege es unmöglich machte, sie zu einem Friedhof zu bringen. Ganz besonders übel sieht es in dieser Beziehung im Kreise Hümmling aus, der weder eine Bahnstation noch auch nur einen Kilometer Provinzialstraße aufzuweisen hat. Im Kreise Meppen sind noch 46 Prozent aller Gemeinden ohne jeden Anschluss an eine befestigte Straße. Zu allen diesen Übeln tritt die Ungunst der an sich milden klimatischen Verhältnisse. Selbst in den wärmsten Sommermonaten begünstigen die Moor- und Sandböden das Auftreten von Nachtfrösten, so dass kaum ein Monat des Jahres vollkommen frostfrei bleibt.

Wenn man den Fuß über die holländische Grenze setzt, dann offenbart sich erst in geradezu beschämender Weise die Vernachlässigung des deutschen Emslandes. Das Bourtanger Moor, das sich vom Emsland aus weit in holländisches Gebiet erstreckt, ist jenseits der deutschen Grenze restlos kultiviert, während es auf deutscher Seite eine melancholisch stimmende, düstere Einöde ist, der nur hier und dort menschliche Unternehmungslust Ackerland abgerungen hat.“

Nach dem Zweiten Weltkrieg war etwas mehr als ein Drittel des Emslandes Ödland, es teilte sich auf in Heide und Moor. Da abgehende Bauernsöhne und –töchter und Kinder von Heuerleuten sich eine Existenz suchen mussten,  wurden dann auch diese Gebiete besiedelt.

Foto oben: Archiv Redeker

Fotos Mitte und unten: Kreisbildstelle Lingen