“Menschen gegen das Moor” – Die Emslandfahrt der Industrie- und Handelskammer (Bericht 5 von 7)

 

 

Wir bringen heute einen ausführlichen Bericht unseres Mitarbeiters über die Informationsfahrt in das Emsland, an der neben vielen Vertretern der Presse unter anderem teilgenommen hatte:

Oberpräsident Roeske, Regierungspräsident Dr. Sonnenschein, Syndikus Dr. Manz, die Landräte Böninger Bentheim Fehmann Meppen, Pantenberg Lingen von Fürstenberg Hümmling und Behnes Aschendorf, der als einer der besten Kenner des Emslandes gilt, die Senatoren Hermann Schulte, Friedrichs, Verkehrsdirektor Dr. Hugle.

Soll dieser Bericht im Wesentlichen in großen Zügen die Eindrücke dieser Fahrt vermittel,n soll er an Hand von Einzelschicksalen einen Überblick über die Lage des Emslandes geben, so wird ein Morgen erscheinender Aufsatz sich auf den aufgeworfenen Problemen und Lebensbedingungen befassen und an Hand statistisches Materials vor unseren Lesern sämtliche Fragen aufrollen.

Ein Sarg aus Stroh

Regen schlug gegen die Fensterscheiben, als die lange Autokolonne die Straße entlang fuhr, eine Karawane, die ausfuhr, um Informationen im Moor zu graben um armer vergessener Bevölkerung ein Sprachrohr zu schaffen.

Roterthausen tauchte auf, wo die Siedler Ödland kultivieren mit dem Moor kämpfen und im Schritt für Schritt Boden anringen-Landrat Rothert aus Bersenbrück hat hier ein lebensfähiges Werk geschaffen, lebensfähig vor allem, weil die Siedler die Kraft für zähe Arbeit aufbringen, weil sie kämpfen und arbeiten im Aufbau ihrer Generation, weil sie den schöpferischen Willen haben, Leben aus toten Boden zu wecken.

Als der Kreis Lingen erreicht war, hielten wir in Wettrup.

Ein Heuerlingshaus an der Straße, eine Küche, in die der Regen sickert, fünf Kinder “Sind hier noch Butzen?”  Zwei quadratische Löcher aus der Wand, kein Licht, keine Luft, Stroh und buntes Leinen darüber  Plötzlich streckt sich eine Hand aus dem Halbdunkeln und da liegt die eine alte 80-Jährige Großmutter, sie kann nicht gehen, krank liegt sie Tag und Tag in diesem finsteren Loch, schläft dort, vegetiert und man hat nicht viel Zeit, um sich um sie zu kümmern.

Ein Grab über der Erde, ein Sarg aus Stroh.

Aber weiter, weiter über die miserable Straße, schmale Brücke – die Kreise haben kein Geld, um die Brücken in der Breite der Straße zu bauen, sie sind nur halb so breit und sämtlich aus Holz.

Herzlake wird durchfahren und plötzlich der Wagen des Landrats von Meppen indem ich fuhr, kam zum Schluss – trennt uns die Eisenbahnschrnake von der Kolonne und die Lokomotive hält ausgerechnet über der Straße.

Dann beginnt das Gebiet,

    wo Remarque  wohnte

im Kreis Hümmling. Ein hochgelegenes Moor, dünn besiedelt, auf Kilometer kein Mensch zu sehen, grundsätzlich grundlose Wege  kein Verkehr. Es ist der dünn besiedelste Landkreis des Regierungsbezirks Osnabrück.

Feuchte Wohnung, die Tuberkulose weit verbreitet. Wir fuhren nach Ostlähden, stiegen aus, wateten durch Schlamm und Matsch in die Häuser. Stroh bedeckt, Löcher in der Wand, eine Küche, zwei Räume, 8 Kühe, Hühner, verwahrloste Häuser. E sieht tatsächlich aus wie in ferner, ferner Gegend unkultivierte Völker.

(…)

Mensch oder Moor

Seit Jahrhunderten fehlt die planmäßige Unterstützung, die Kultivierung war stets nur Bruchstück. Die Verkehrsmöglichkeiten sind so jammervoll und Deutsche wohnten hier so wie heute schon immer, ein Kulturvolk, dass seine Angehörigen so leben lässt – wie muss uns ein Holländer sehen, der über die Grenze tritt und das Nachbarvolk, das seine Kultur stets preist, so leben sieht.

Wir lernen uns mit fremden Augen sehen, Schuld von Generationen, beginnt zu lasten und wir können nichts mehr sagen, als wir in Neudersum eine Butze sehen. In der Küche, neben dem offenen qualmenden Feuer auf dem Boden (keinen Herd), Schranktüren in der Wand insgesamt etwa 1,75 mal 1 Meter, eine Schlafbutze dahinter.

 

Deutsche Allgemeine Zeitung (1929): “Emslandnot!” – Bericht 4 von 7

Zeitungsbericht aus dem Jahre 1929 – Berliner Ausgabe der Deutschen Allgemeinen Zeitung: Emslandnot!

 

Ein Zeitungsbericht aus dem Jahre 1929, erschienen in der Berliner Ausgabe der Deutschen Allgemeinen Zeitung, beschreibt die damalige Situation in Teilen des Emslandes, wie der Reporter sie bei seiner Bereisung erlebt hatte.’

Dieser nachfolgende Zeitungsartikel kam zustande, weil in den Jahren 1927 und 1928 die deutsche Landwirtschaft eine tiefe Krise erschütterte. Da in der Grafschaft und im Emsland ohnehin eine große Rückständigkeit zum übrigen Deutschland bestand, steigerte sich diese Notsituation so, dass es zum Steuerstreik und zu Demonstrationen kam’. Daher entschloss sich der damalige Osnabrücker Regierungspräsident, überregionale Pressevertreter in das Emsland zur Bereisung einzuladen, um so auf die unhaltbaren Zustände auch in Regierungskreisen in Berlin aufmerksam zu machen und auf diesem Wege Fördergelder für die Emslanderschließung zu erhalten.

So berichteten zwei weitere überregionale Zeitungen fast deckungsgleich über die unmenschlichen damaligen Verhältnisse in unserer Region.

Durch die Emslanderschließung und das fast gleichzeitig einsetzende Wirtschaftswachstum (auch Wirtschaftswunder genannt) im Nachkriegsdeutschland änderten sich aus heutiger Sicht kaum vorstellbar schnell die Verhältnisse zum Besseren.

 

„Von einer „Emslandnot“ hatte die große Öffentlichkeit namentlich in der östlichen Hälfte des Reiches und ganz besonders in Berlin bisher noch kaum etwas vernommen. Daher horchte man überrascht und einigermaßen ungläubig auf, als vor wenigen Tagen im Reichstag Hilfe aus öffentlichen Mitteln für das kulturell vernachlässigte Emsland nachdrücklich gefordert wurde.

Ein großer Teil des Emslandes, und zwar 75.000 Hektar, sind heute noch mit Moor und Heide bedeckt. … Tatsächlich haben wohl nur die wenigsten Teilnehmer dieser Fahrt in dieser äußersten Nordwestecke des Reiches Zustände vermutet, wie man sie jenseits unserer Ostgrenze in verluderten polnischen Dörfern findet. Die Wohnungsverhältnisse der Kleinbauern und Heuerlinge spotten vielfach selbst den primitivsten hygienischen Anforderungen und können ohne Übertreibung nur als menschenunwürdig bezeichnet werden. Wie die Berichte der Ortspolizeibehörden melden, sind etliche Familien unzureichend untergebracht. Dieses „unzureichend“ ist ein sehr milde gewählter Ausdruck für diese jämmerlichen Hütten, deren besonders hervorstechendes Merkmal die so genannten Butzen sind, eingebaute niedrige Schlafschränke ohne Zugangsmöglichkeit für Luft und Licht, die gegebene Brutstätten sind für die im Emsland stark verbreitete Tuberkulose.

In einem Heuerhause, das besichtigt wurde, schlafen in zwei solchen Butzen die Eltern, zwei Söhne und Töchter im Alter von 21 Jahren bis herab zu einem drei Monate alten Säugling. Im Kreise Aschendorf zählt man noch heute 747 Häuser mit 1500 solcher Butzen, im Kreise Bentheim noch über 800. Für die Ersetzung durch Bettstellen werden von den Kreisen, von den Gemeinden und von der Landesversicherungsanstalt Prämien von 100 Mark ausgesetzt. Wie gerechtfertigt diese Notstandsmaßnahme ist, zeigen die Zahlen der tödlich verlaufenden Tuberkulosefälle: Allein im Kreise Meppen kamen 1925 auf 10.000 Einwohner 15 Tuberkulose -Tote, während die Durchschnittszahl in Preußen 10,93 auf 10.000 Einwohner beträgt. Die Ernährungsweise der ländlichen Bevölkerung ist außerordentlich armselig, das tägliche Gericht sind für weite Kreise Kartoffeln und Brei. Die in den engen Wohnräumen von den morschen Deckenbalken herabhängenden Speckseiten können darüber nicht hinwegtäuschen: Sie stellen den Fettnahrungsbedarf einer Familie für das ganze Jahr dar. Der Boden, soweit er nicht dem Moore abgerungen werden muss, besteht größtenteils aus stark sandigen oder lehmigen Grünländereien, ungünstigen Bodenverhältnisse die leistungsschwachen Gemeinden keine größeren Mittel für den Bau von Straßen aufwenden konnten, sind im Emsland heute noch 112 Gemeinden ohne befestigte Straße und können die nächste Landstraße nur auf Sand- und Moorwegen erreichen, die bei Regenwetter völlig unpassierbar sind, wovon sich die Teilnehmer an der Besichtigungsfahrt durch eigenen Augenschein überzeugen konnten.

Es ist vorgekommen, dass Verstorbene deren Anbauwert durch den seit Jahrhunderten immer wiederholten einseitigen Roggenanbau noch  verschlechtert worden ist und unter Aufwendung er-heblicher Arbeit und Geldmittel, besonders für künstliche Düngung, langsam behoben werden kann. Nicht weniger ungünstig sind die wasserwirtschaftlichen Verhältnisse des Emslandes. Nicht nur die Ems, sondern auch die übrigen kleineren Wasserläufe befinden sich zum großen Teil noch in ungeregeltem Zustande. Dadurch, dass die vorhandenen Entwässerungsgräben die großen Wassermengen aus dem regenreichen Gebiet nicht entfernt aufnehmen und ableiten können, ereignen sich im Frühjahr und Herbst häufig große Überschwemmungen, die oft den völligen Verlust der Grünfutterernte zur Folge haben.

 

Nun die Verkehrsverhältnisse: Da infolge der ungünstigen Bodenverhältnisse die leistungsschwachen Gemeinden keine größeren Mittel für den Bau von Straßen aufwenden konnten, sind im Emsland heute noch 112 Gemeinden ohne befestigte Straße und können die nächste Landstraße nur auf Sand- und Moorwegen erreichen, die bei Regenwetter völlig unpassierbar sind, wovon sich die Teilnehmer an der Besichtigungsfahrt durch eigenen Augenschein überzeugen konnten.

Es ist vorgekommen, dass Verstorbene wochenlang in ihrer Wohnung liegen bleiben mussten, da der Zustand der Wege es unmöglich machte, sie zu einem Friedhof zu bringen. Ganz besonders übel sieht es in dieser Beziehung im Kreise Hümmling aus, der weder eine Bahnstation noch auch nur einen Kilometer Provinzialstraße aufzuweisen hat. Im Kreise Meppen sind noch 46 Prozent aller Gemeinden ohne jeden Anschluss an eine befestigte Straße. Zu allen diesen Übeln tritt die Ungunst der an sich milden klimatischen Verhältnisse. Selbst in den wärmsten Sommermonaten begünstigen die Moor- und Sandböden das Auftreten von Nachtfrösten, so dass kaum ein Monat des Jahres vollkommen frostfrei bleibt.

Wenn man den Fuß über die holländische Grenze setzt, dann offenbart sich erst in geradezu beschämender Weise die Vernachlässigung des deutschen Emslandes. Das Bourtanger Moor, das sich vom Emsland aus weit in holländisches Gebiet erstreckt, ist jenseits der deutschen Grenze restlos kultiviert, während es auf deutscher Seite eine melancholisch stimmende, düstere Einöde ist, der nur hier und dort menschliche Unternehmungslust Ackerland abgerungen hat.“

An der Grenze nach Holland: Deutscher Sandweg und holländische Teerstraße

Foto: Archiv Robben

Nach dem Zweiten Weltkrieg ist etwas mehr als ein Drittel des Emslandes Ödland, es teilt sich auf in Heide und Moor. Da abgehende Bauernsöhne und –töchter und Kinder von Heuerleuten sich eine Existenz suchen mussten,  wurden dann auch diese Gebiete besiedelt, was – wie wir im Weiteren noch sehen werden – mit Armut und unmenschlichen Verhältnissen gleichgesetzt werden können.

 

“Menschen gegen das Moor” – Die Emslandfahrt der Industrie- und Handelskammer Bericht 3 von 7

 

Aus: Osnabrücker Zeitung vom 2. Mai 1929

Wir bringen heute einen ausführlichen Bericht unseres Mitarbeiters über die Informationsfahrt in das Emsland, an der neben vielen Vertretern der Presse unter anderem teilgenommen hatte:

Oberpräsident Roeske, Regierungspräsident Dr. Sonnenschein, Syndikus Dr. Manz, die Landräte Böninger Bentheim Fehmann Meppen, Pantenberg Lingen von Fürstenberg Hümmling und Behnes Aschendorf, der als einer der besten Kenner des Emslandes gilt, die Senatoren Hermann Schulte, Friedrichs, Verkehrsdirektor Dr. Hugle.

Soll dieser Bericht im Wesentlichen in großen Zügen die Eindrücke dieser Fahrt vermittel,n soll er an Hand von Einzelschicksalen einen Überblick über die Lage des Emslandes geben, so wird ein Morgen erscheinender Aufsatz sich auf den aufgeworfenen Problemen und Lebensbedingungen befassen und an Hand statistisches Materials vor unseren Lesern sämtliche Fragen aufrollen.

Ein Sarg aus Stroh

Regen schlug gegen die Fensterscheiben, als die lange Autokolonne die Straße entlang fuhr, eine Karawane, die ausfuhr, um Informationen im Moor zu graben um armer vergessener Bevölkerung ein Sprachrohr zu schaffen.

Roterthausen tauchte auf, wo die Siedler Ödland kultivieren mit dem Moor kämpfen und im Schritt für Schritt Boden anringen-

Landrat Rothert aus Bersenbrück hat hier ein lebensfähiges Werk geschaffen, lebensfähig vor allem, weil die Siedler die Kraft für zähe Arbeit aufbringen, weil sie kämpfen und arbeiten im Aufbau ihrer Generation, weil sie den schöpferischen Willen haben, Leben aus toten Boden zu wecken.

Als der Kreis Lingen erreicht war, hielten wir in Wettrup.

Ein Heuerlingshaus an der Straße, eine Küche, in die der Regen sickert, fünf Kinder “Sind hier noch Butzen?”  Zwei quadratische Löcher aus der Wand, kein Licht, keine Luft, Stroh und buntes Leinen darüber  Plötzlich streckt sich eine Hand aus dem Halbdunkeln und da liegt die eine alte 80-Jährige Großmutter, sie kann nicht gehen, krank liegt sie Tag und Tag in diesem finsteren Loch, schläft dort, vegetiert und man hat nicht viel Zeit, um sich um sie zu kümmern.

Ein Grab über der Erde, ein Sarg aus Stroh.

Aber weiter, weiter über die miserable Straße, schmale Brücke – die Kreise haben kein Geld, um die Brücken in der Breite der Straße zu bauen, sie sind nur halb so breit und sämtlich aus Holz.

Herzlake wird durchfahren und plötzlich der Wagen des Landrats von Meppen indem ich fuhr, kam zum Schluss – trennt uns die Eisenbahnschranke von der Kolonne und die Lokomotive hält ausgerechnet über der Straße.

Dann beginnt das Gebiet,

    wo Remarque  wohnte

im Kreis Hümmling. Ein hochgelegenes Moor, dünn besiedelt, auf Kilometer kein Mensch zu sehen, grundsätzlich grundlose Wege  kein Verkehr. Es ist der dünn besiedelste Landkreis des Regierungsbezirks Osnabrück.

 

Feuchte Wohnung, die Tuberkulose weit verbreitet. Wir fuhren nach Ostlähden, stiegen aus, wateten durch Schlamm und Matsch in die Häuser. Stroh bedeckt, Löcher in der Wand, eine Küche, zwei Räume, 8 Kühe, Hühner, verwahrloste Häuser. E sieht tatsächlich aus wie in ferner, ferner Gegend unkultivierte Völker.

(…)

Mensch oder Moor

Seit Jahrhunderten fehlt die planmäßige Unterstützung, die Kultivierung war stets nur Bruchstück. Die Verkehrsmöglichkeiten sind so jammervoll und Deutsche wohnten hier so wie heute schon immer, ein Kulturvolk, dass seine Angehörigen so leben lässt – wie muss uns ein Holländer sehen, der über die Grenze tritt und das Nachbarvolk, das seine Kultur stets preist, so leben sieht.

Wir lernen uns mit fremden Augen sehen, Schuld von Generationen, beginnt zu lasten und wir können nichts mehr sagen, als wir in Neudersum eine Butze sehen. In der Küche, neben dem offenen qualmenden Feuer auf dem Boden (keinen Herd), Schranktüren in der Wand insgesamt etwa 1,75 mal 1 Meter, eine Schlafbutze dahinter.

 

“Wohnungselend auf dem Lande” – Ostlähden im Kreise Hümmling Bericht 3 von 7 aus dem Jahre 1929

Osnabrücker Tageblatt 12. April 1929

 

Durch  einige Zeitungen wurde die Notiz gebracht, dass Oberpräsident Roschke in Begleitung des Regierungspräsidenten von Osnabrück am 24. Januar 1929 das Dorf Ostlähden im Hümmling besichtigt hat als ein besonders krasses Beispiel des Wohnungselendes in den westlichen Bezirken der Provinz. Wir sind heute in der Lage von berufener Seite einiges über dieses Kapitel zu bringen.

Von der Wohnungsnot in den Städten weiß fast jeder. Es ist viel hierüber geschrieben und verbreitet worden. Bilder von schlechten Behausungen sind fast jedem bekannt. In seiner eigenen Stadt lehrt die Anschauung von engen Hinterhöfen und alten, kaum bewohnbaren Behausung, welches Elend der Städte in ihren Altvierteln bieten.

Den meisten unbekannt ist jedoch, dass unser plattes Land in ähnlicher Weise die Frage der Wohnungsnot kennt. Häufig wachsen sich die Wohnungsverhältnisse hier gar noch viel schwerer Form aus, weil überhaupt kein Wohnraum in der Umgebung bereitgestellt werden kann oder die vorhandenen Behausungen sich in einem erschreckenden Zustand befinden.

So malerisch die alten Häuser mit ihren schiefen Wänden und den zerfallenden bewussten Strohdach bei flüchtiger Betrachtung und beim durch einen der Dörfer mit Kraftwagen auf dem Beschauer wirken, so erschreckend ist das Bild, dass sich uns bietet.

Wenn wir einige dieser Wohnungen betreten und mit den Bewohnern in Fühlung geraten, da hören wir dann, das häufig fünf oder noch mehr Familien sich ein kleines Häuschen teilen, dass die Wände so dünn sind, dass die Stuben im Winter nicht warm werden und der alte gebeugte Vater zeigt uns einen winzigen Raum, wo er erwähnt, dass ihm in dieser Butze bereits vier oder gar mehr seiner Kinder gestorben sind an der Tuberkulose.

Die Gründe hierfür erkennen wir bald: Die dünne Wand ist bei jedem Regen durchfeuchtet, der Lehmschlag des Bodens liegt etwas tiefer als das umgebende Terrain, alles was sich in dem Raum befindet, ist fast dauernd feucht und kalt.

Solche Wohnungen gibt es in großer Anzahl in diesem Gebiet des Emslandes und des Kreises Hümmling. Aber ein ganzes Dorf nur aus derartigen sich in sich zerfallenen Altwohnungen, die Umgebung der Wohnung ohne genügendes Abwässerungsmöglichkeiten und daher der ganze Ort bei Regenwasser ein Bild des Schmutzes und des Elends – in dieser ausgeprägten Form dürfte das kürzlich durch den Oberpräsidenten besichtigten Dorfes Ostlähden (Kreis Hümmling) wohl das traurigste Bild diese Art darstellen.

Foto. Böckenhoff Greving

Einige Bauernhöfe und ein Dutzend Heuerlingswohnungen wild und planlos wie zufällig

zwischen den zwischen einige Eichenbäume gesetzt, in der Mitte ein winziges Kirchlein, der Backsteinturm mit einer Bedeckung aus Stülpschalung so wie man es sonst wohl von provisorischen Buden kennt. Der anschließende Kirche Raum aus Fachwerk mit Lehmstakungen, eigentlich wie ein Stallgebäude primitiv dürftig, ärmlich und zerfallen ist ein großer Misthaufen mit einer Jauchegruppe direkt neben dem Gotteshaus. Die ringsum liegenden Hütten sind etwa 150 Jahre alt und zerfallen langsam in sich, beschleunigt durch die Einflüsse der Witterung. Die Bewohner – Bauern sowohl wie Heuterleute – sind arm,der Verdienst ist gering und kärglich. Die Bevölkerung macht einen primitiven Eindruck. Man ist erstaunt, im Westen Deutschlands derartige Verhältnisse anzutreffen.

(…)

„Muffrika” – Das Emsland – Deutschlands finsterste Ecke! Bericht 2 von 7 aus dem Jahr 1929

Das Emsland – Das am dünnsten bevölkerte Gebiet

 

Wer den elendsten Winkel Deutschlands sehen will, der darf ihn nicht im verlästerten Osten suchen. Das allertrübseligste, das man auf allen Fahrten durch das weite Reich finden kann, liegt im äußersten Westen, dicht an der holländischen Grenze. Dort dehnt sich das neuerdings zu einer gewissen traurigen Berühmtheit gelangende Emsland aus, bestehend aus den fünf zur Provinz Hannover gehörenden Kreisen Aschendorf, Hümmling, Lingen, Bentheim und Meppen. Von der Heimatprovinz und von allem übrigen Verkehr fast abgeschnitten, breitet sich über das ganze Gebiet ein endloses Moor, unterbrochen nur von dem unfruchtbaren, aus Steingeröll zusammengeschütteten Hügelzuge des Hümmlings. Nicht viele Deutsche, die sonst in der Heimatkunde gut Bescheid wissen, haben eine Ahnung davon, daß wir uns hier in dem am dünnsten bevölkerten Gebiete des Reiches befinden. Während im Reich im Durchschnitt 133 Menschen auf den Quadratkilometer wohnen, sind es im Emslande auf derselben Fläche nur 43 Einwohner und im Hümmling sogar nur 26! Die Menschen haben hier also Platz und in der Tat finden wir ganz arme Bauernhöfe, zu denen 200 Morgen Land oder sogar noch mehr gehören.

Aber der weitaus größte Teil dieses Bodens ist nicht in Kultur, sondern liegt als unzugängliches Moor oder als dürre Heide brach.

Trotz ihres verhältnismäßig großen Landbesitzes leiden die Leute buchstäblich Hunger und die Abwanderung nach den Industriegegenden nimmt immer mehr zu. Auch das Vieh ist meist in recht elendem Zustande, außerdem viel zu gering an Zahl. Für viele kleine Landwirte ist, so unglaublich das scheinen mag, die Haltung von einigen Hühnern die Haupteinnahmequelle, die eine solche Bedeutung hat, daß die Familien keines der kostbaren Eier, die allein einige Pfennige ins Haus bringen, selbst zu genießen wagen.

Das allerschlimmste sind aber die Wohnungen, in denen Mensch und Vieh beisammen hausen. Es gibt Dörfer, in denen jedes Haus so baufällig ist, daß es nur mit daran geklemmten Streben aus Baumpfählen notdürftig aufrechterhalten werden kann, und daß die Polizei erklärt, eigentlich müsse sie sämtliche Wohnungen wegen Einsturzgefahr schließen.

Vielfach enthalten diese Häuser nur einen einzigen Raum, in dem an Stelle des Herdes eine Pflasterung aus Backsteinen auf dem Fußboden das offene Feuer aufnimmt, über dem an einer Kette der Kessel hängt, in welchem für Menschen und Vieh gekocht wird. Der Rauch zieht durch einen aus Brettern gezimmerten Schornstein und sonst durch die Löcher im Dache und in den Wänden ab. Nirgends sieht man Betten, und fragt man, wo denn die Bewohner schlafen, so werden die sogenannten „Butzen” geöffnet, enge Wandschränke, in den sich nachts alles auf Stroh eng zusammenpfercht. An einer Stelle schlafen in zwei solchen „Butzen” die Eltern und acht Kinder, Söhne und Töchter im Alter von 21 Jahren bis drei Monaten! Die Folge dieser Schlafhöhlen ist eine ungeheure Verbreitung der Schwindsucht bei dieser ganz ländlichen Bevölkerung, eine Tuberkulosesterblichkeit, wie sie ebenfalls nirgends sonst im Reiche vorkommt.

Foto: Kreismuseum Bersenbrück

Das Gebiet, um welches es sich hier handelt, ist einst reich und glücklich gewesen. Einzelne Städte in seiner Mitte, so Meppen, zeigen noch die Spuren besserer Zeiten, wo hier die Baukunst blühte. Dann aber hat die unglückliche politische Lage, die Einklemmung zwischen Holland, Oldenburg und das Münsterland, und haben die Schulden, welche die Landesfürsten, die Grafen von Bentheim, durch den Dreißigjährigen Krieg aufgebürdet erhielten, das Gebiet immer mehr in Verfall gebracht, ohne die Schuld der Einwohner, die nicht immer so zurückgeblieben waren, wie sie heute auf jeden Besucher wirken.

Vor allem ist versäumt worden, das Gebiet durch Straßen aufzuschließen.

Foto: Kreisbildstelle Lingen

112 Ortschaften des Emslandes sind ohne jede Verbindung mit der Außenwelt durch eine befestigte Straße, von den 63 Gemeinden des Kreises Meppen liegen nur 18 ganz an Straßen und nur 16 berühren wenigstens teilweise befestigte Wege.

Bis vor kurzem ist es hier noch vorgekommen, daß im Winter die Verstorbenen drei und vier Wochen über der Erde liegen mußten, ehe man sie zur Beerdigung abholen konnte. Die vorhandenen Straßen aber sind zeitweilig unbenutzbar, weil sich das Grundwasser ganz unberechenbar staut. Am schlimmsten ist nämlich wasserwirtschaftlich an dem Gebiete gesündigt worden.

Jedes Jahr ersäuft ein großer Teil der Ernte infolge von Überschwemmungen, das Heu kann vielfach überhaupt nicht hereingebracht werden und eine weitere Folge des hohen Grundwasserstandes ist, daß in fast jedem Monat des Jahres Bodenfröste eintreten; manchmal ist der August der einzige frostfreie Monat und manchmal selbst dieser nicht.

Die Holländer nennen dieses Gebiet „Muffrika” und haben das böse Wort geprägt: „Wo die Kultur aufhört, fängt Deutschland an.”

Das ist nun leider, so sehr uns diese Erkenntnis schmerzen muß, von holländischer Seite aus betrachtet, die Wahrheit. Mitten durch diese Moore geht nämlich die Grenze, gerade wie ein Linealstrich.

Beiderseits ist derselbe Boden, beiderseits hat noch vor kaum einem Jahrhundert dasselbe Klima geherrscht und haben dieselben Menschen gewohnt.

Inzwischen aber haben die Holländer durch ihre berühmte „Fehnkultur” jedes Quadratmeter des ihnen gehörenden Teiles aufgeschlossen und zu unerhörter Blüte gebracht.

Während auf deutscher Seite nur Verfall und Trübseligkeit herrschen, ist das holländische Grenzgebiet dicht besiedelt, so daß es ein einziges Dorf ohne Ende zu bilden scheint.

Die Häuser sind sauber und in lachenden Farben bemalt, die Menschen sehen behäbig und zufrieden drein, und sie können es wohl sein. Denn während die deutschen Landwirte auf ihren großen Flächen hungern, zieht der Holländer aus wenigen Morgen, die als musterhaft bestellter Garten um sein Haus herum liegen, riesige Einnahmen durch Frühgemüse-kulturen, die er auf denselben Boden betreibt, der in dem verwilderten deutschen Teile bis in den Hochsommer hinein Fröste behält; und dieses Frühgemüse verkauft der Holländer für teures Geld ¬nach Deutschland.

Nicht weniger als 75.000 Hektar konnten im Emslande nach holländischem Muster in blühende Siedlungen verwandelt werden. Es ist bei der Enge unseres Raumes die höchste Zeit, daß da etwas geschieht. Darum haben die zuständigen Regierungsstellen in diesen Tagen zuerst eine Pressefahrt veranstaltet, damit man im großen Deutschland endlich erfährt, wie es in diesem Gebiete aussieht, das von hoher Regierungsstelle aus mit Recht schon früher als ein „Schandfleck Preußens” bezeichnet worden ist. Demnächst soll auch eine Anzahl von Abgeordneten aller Parteien „Muffrika” entdecken. Und dann soll mit allen Kräften des Staates und des Reiches darangegangen werden, um aus dem Emslande denselben blühenden Garten hervorzuzaubern, den uns durch tüchtige und überlegte Arbeit die Holländer auf ihrem Teil als Muster hingestellt haben. Ein Menschenalter Zeit wird das freilich kosten, darum darf nicht lange mit dem Anfang gewartet werden.

“Armes Emsland” – Bericht 1 (von 7) über die Besichtigungsfahrt durch deutsche Pressevertreter 1929

Osnabrücker Zeitung vom 1. Mai 1929

Am Montagmorgen um 8 Uhr fand – wie schon berichtet – die Abfahrt der von der Handelskammer geladenen Gäste zur Besichtigung des Emslandes von Osnabrück aus statt.

Leider setzte gleich zu Beginn der Fahrt Landregen ein, der sich im Laufe des Tages immer mehr verstärkte und die Durchführung des Programmes außerordentlich erschwerte.

Von Osnabrück aus ging die Fahrt über Westerkappeln in den Kreis Bersenbrück, wo von Ferne als erstes Sinnbild des Kampfes zwischen Moor und Acker die nach dem Landrat benannte Siedlung Rotherthausen sichtbar wurde.

In Wettrup, Landkreis Lingen, wurde das erste Heuerlingshaus besichtigt. Die schlechte Beschaffenheit der Wohnhäuser, ihre ungesunde Bauart und die Notlage wurde selbst bei diesem ersten kurzen Einblick erschreckend sichtbar. Auch armselige Schlafbutzen wurden gezeigt.

Von da aus ging es – es regnete noch immer – über Herzlake in den Kreis Hümmling, wo sich in Ost -Läden das ergreifendste Bild dieser Fahrt darbot. Baufällige mit durchlöcherten Strohdächern gedeckte Hütten, in denen Menschen wohnten. Schwindsuchtstätten, viele Arbeit und ein minimales Einkommen. Dazu eine Beschaffenheit der Wege, wie sie schlechter und jämmerlicher nicht zu denken sind. Auf Kilometer Strecke, kein Mensch– kein Verkehr die geringe Verkehrsmöglichkeit. Ein eingeengtes Land, wirtschaftlich zurückgebliebene Bevölkerung, geringe Absatzmöglichkeiten, ein vergessenes Land.

Von Lähden aus ging es hinauf zur Fürsorgeanstalt Johannesburg bei Papenburg, wo zu Mittag gegessen wurde. Es regnete immer noch, als wir aufbrachen und über Börger, Wippingen und Neudersum im Kreise Aschendorf fuhren. Auch hier schlechte Häuser mit Schlafbutzen neben neu geschaffenen Siedlungshäusern.

Dann hörte die kümmerliche Landstraße auf und durch tiefen Sand und Matsch rutschten die Wagen nach Holland hinein.

Archiv: van der Ahe

Durch das Entgegenkommen der holländischen Behörden blieben uns alle Passschwierigkeiten erspart. Und plötzlich wurde das Bild ganz anders, obwohl hier teilweise noch größere Arbeitslosigkeit als in Deutschland herrscht – überall eine Jahrhunderte alte Moorkultur, den Boden fruchtbar gemacht, Kanäle gezogen, freundliche Häuser gebaut, Wohlstand verbreitet. Welch gewaltiger Unterschied gegen das angrenzende Deutschland! Hier gepflegte Straßen, glatte Häuser, Frucht tragende Felder – bei uns aber wahre Schandwege, baufällige Hütten, in denen Menschen wohnen und – wenn überhaupt verwahrloste Kanalufer. Arme Landschaft, arme Kreise, arme Einwohner. Die Rückfahrt vom Nord-Süd-Kanal entlang musste leider ausfallen, da hier nur Sandwege entlang laufen und die Gefahr des Hineinrutschens in den Kanal zu groß war bei diesem Matsch und grundlosen Wegen.

So ging es über Meppen, Lingen nach Nordhorn. Schöningsdorf, wo sich die traurigsten Verhältnisse des Emslandes zusammenfinden, bekommen wir daher am Montag nicht zu sehen.

Weitere Zeitungsberichte zu der Besichtigungsfahrt deutscher Pressevertreter im Jahr 1929 auf Einladung des damaligen Regierungspräsidenten von Osnabrück, Dr. Sonnenschein:

cof

Ausgebeutet und ausgegrenzt – Buch schildert den Weg des letzten Heuermanns im Emsland

Begegnung mit Uropa Bernd

Ein Bericht von Sebastian Hamel in der Lingener Tagespost vom 26. April 2023

Das Ende des Heuerlingswesens im Emsland erlebte Bernd Jansen hautnah. Denn der heute 91-Jährige war selbst einer der oft ausgebeuteten und ausgegrenzten Heuerleute. Seine Lebensgeschichte hat Anton Wiechmann aus Thuine im Buch „Uropa Bernd“ aufgeschrieben.

„Geboren bin ich in der Weimarer Republik.“ Als der heute 91-jährige Bernd Jansen auf einer Familienfeier diesen Satz fallen lässt, weckt er damit unmittelbar das Interesse des Thuiner Buchautors Anton Wiechmann. Verschiedene Werke hat Wiechmann in der Vergangenheit schon publiziert – die Begegnung mit „Uropa Bernd“, mit dem er über Enkel beziehungsweise Urenkel familiär verbunden ist, sollte den Grundstein legen für seine neueste Arbeit, die jüngst erschienen ist.

Das Ende des Heuerlingswesens 

Das Buch „Uropa Bernd – Zeitzeuge einer Generation, die den Zusammenbruch erleiden und den Wiederaufbau leisten musste“ schildert das Leben des oben genannten Bernd Jansen, der am 3. Juli 1931 zur Welt kommt und in Drope, einem Ortsteil der heutigen Gemeinde Gersten, auf dem elterlichen Heuerlingsgehöft aufwächst.

Versehen ist das Buch mit dem Alternativtitel „Wie die deutsche Revolution von 1918/19 ihre Vollendung fand“. Denn berichtet wird darin auch, wie das jahrhundertealte Heuerlingswesen in der Nachkriegs- und Wirtschaftswunderzeit zu einem abrupten Ende kommt.

Das Vorwort verfasst hat Bernd Robben, Co-Autor des viel beachteten Buches „Wenn der Bauer pfeift, dann müssen die Heuerleute kommen!“.

„Uropa Bernd“ zählt zur letzten Generation, die das Heuerlingswesen noch aktiv miterlebt hat. Heuerleute waren „Besitzlose“, die von Bauern ein Dach über dem Kopf und etwas Land zur Verfügung gestellt bekamen und diese im Gegenzug bei der Arbeit – insbesondere während der Erntezeit – unterstützen mussten.

Das nun verschriftlichte Leben von Bernd Jansen steht mithin, so schreibt es Verfasser Wiechmann in seiner Einleitung, „exemplarisch für die Lebensgeschichte unzähliger anderer Familien, die sich so weit aus den Zwängen von Armut, feudaler Hierarchie und sozialer Schichtung befreien konnten“.

Beim Schützenfest streng getrennt Geprägt war das Heuerlingswesen nicht selten von Ausbeutung und Abgrenzung, wenngleich es der Familie Jansen verhältnismäßig gut ging: „Wir hatten immer zu essen“, sagt Bernd Jansen. Gleichzeitig berichtet er aber auch davon, wie Bauern und Heuerleute beim Schützenfest an getrennten Tischen saßen.

Bis 1958 arbeitet Bernd Jansen als Heuermann in der Landwirtschaft, ehe er zunächst bei der Firma August Mainka und kurz darauf bei der Werksbahn der Erdölraffinerie in Altenlingen eine Anstellung findet – und somit im Alter von 28 Jahren den Sprung aus dem Heuerlingsdasein in die gewerbliche Wirtschaft meistert. Erst mit dieser Sicherheit der Festanstellung heiratet er im November 1959 seine Verlobte Thea, gründet mit ihr eine Familie – die Kinder Rita, Bernd und Karin werden in den 1960er-Jahren geboren – und bezieht ein Eigenheim in Lingen-Brögbern.

Anton Wiechmann, Jahrgang 1949 und bis zu seiner Pensionierung als Lehrer in Thuine tätig gewesen, hatte nach den ersten Gesprächen mit „Uropa Bernd“ gleich das Gefühl, dass sich da etwas Spannendes verbirgt, das beispielhaft für die Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg steht – und bot an, die Geschichte aufzuschreiben.

„Es waren erst ein paar DIN-A4-Seiten, doch dann kam immer mehr dazu“, sagt Wiechmann. Das Ergebnis ist nun ein rund 140 Seiten starkes Werk, das neben der Lebensgeschichte von Bernd Jansen und dem Ende des Heuerlingswesens auch verschiedene andere historische Gegebenheiten als Einschübe in die Erzählung einwebt, wie etwa die Einnahme Lingens durch alliierte Kräfte 1945 oder die Begegnungen mit Salomon Fromm, dem letzten Vorsteher der Synagogengemeinde Freren.

Sein „Outfit“ bekommen hat das Buch durch Bernd Jansens Tochter Dr. Karin Hellerhoff, die heute als Radiologin in München lebt und arbeitet und zahlreiche Fotos aus dem Familienalbum beisteuerte. Das nun vollendete Werk sieht sie als großen Gewinn: „In begüterten Familien gibt es Stammbäume, die Jahrhunderte zurückreichen – ein Generationengedächtnis, das Landlosen im Prekariat nicht vorbehalten war. Die Erinnerungen verblassen also nach wenigen Generationen. Ich habe es insofern als Chance begriffen, dies in unserer Familie anders zu machen, und habe das Angebot von Anton Wiechmann sehr dankbar angenommen. Ich empfinde es als Riesengeschenk, denn das Buch ist etwas Bleibendes.“
Das Buch „Uropa Bernd“ ist erschienen im Verlag „Edition Winterwork“ und trägt die ISBN 978-3-96014-973-6. Wer Interesse hat, kann sich auch direkt per E-Mail an AntonWiechmann@t-online.de mit dem Autor in Verbindung setzen

Facharbeit “Vom Heuerlingssohn zum Firmengründer” Der soziale und wirtschaftliche Aufstieg von Bernhard kl. Sandermann/ gr. Austing (1871-1939)

 

Vom Heuerlingssohn zum Firmengründer.
Der soziale und wirtschaftliche Aufstieg von Bernhard kl.
Sandermann/ gr. Austing (1871-1939)

Facharbeit
im Seminarfach „Firmengründer und Firmengeschichte in Lohne und
Dinklage früher und heute“

Gymnasium Lohne
vorgelegt am 20. 03. 2020 von
Lisa Marie große Austing

https://www.heimatbund-om.de/images/schuelerpreis/Arbeiten_2020/Facharbeit_Lisa_groe_Austing_GY_Lohne.pdf

Der und tierischen Kraft “einen Dreh geben” – der Göpel

 

 

Die frühen Belege zur Entwicklung im Ackerbau bezeugen, dass der menschliche und tierische Einsatz sich auf die Zugkraft konzentrierte.

Entscheidend wichtig für die Fortentwicklung der Mechanisierung war es diese Kraft in eine Drehbewegung umzuwandeln, um Maschinen anzutreiben, die zeitraubende und beschwerliche Handarbeiten bei der Nahrungsaufbereitung (etwa den Handrusch) ersetzen konnten.

   Dreschen mit dem Göpel

Vor der Erfindung der Dampfkraft waren tierische und menschliche Muskelkraft die einzigen Quellen, die in der Landwirtschaft zum Antrieb von Geräten zur Verfügung standen. Etwa ab 1850  wurden mit zunehmender Industrialisierung immer mehr Maschinen der Landwirtschaft erfunden, die eine größere Kraftquelle benötigten. Dabei der sogenannte Göpel, der schon in früheren Jahrhunderten insbesondere aus der Bergwerkstechnik bekannt war, eingesetzt. Dabei konnte erstmals tierische Zugkraft in eine Drehbewegung umgesetzt werden, mit der man Maschinen verschiedener Art antreiben konnte. Dazu wurden Zugtiere vor einen Balken gespannt, die im Kreis laufend diese Kraftmaschine antrieben. Der Göpel  versetzte dabei eine mechanische Welle in Drehung. Dadurch wurde über ein Getriebe diese Kraft der Pferde oder Rinder genutzt, um  Dreschmaschine anzutreiben. So konnten einige Arbeitskräfte auf den Höfen eingespart werden.

Foto und Bearbeitung Archiv Bernd Robben

Die Kraft aus dem Kreis

So drehten sich auf vielen Höfen im 19. Jahrhundert die Göpel. Der größte Hersteller war der Mannheimer Landmaschinenhersteller Heinrich Lanz, der später den legendären Lanz Bulldog als Schlepper in den Markt brachte. Gerade in dieser Fertigungsstätte wurde ein leistungsstarkes Gerät auf den Markt gebracht und auf die Höfe  geliefert. Dabei übersetzte ein Zahnradgetriebe  die gezogene Kraft in eine Drehkraft, die auf dem obigen Foto eine sehr früh entwickelte Dreschmaschine antreibt.

So soll es um 1900 in Deutschland mehr als 200 Firmen gegeben haben, die Göpel herstellen konnten. Für mehrere  Jahrzehnte war der Göpel der Ausgangspunkt der Technisierung in der Landwirtschaft, denn er zog oftmals die Anschaffung weitere Geräte mit sich brachte. Recherchen in verschiedenen Werken zur Agrartechnik ergaben, dass mit einem

  • Dreschflegel etwa 20 bis 30 kg Getreide pro Stunde ausgedroschen werden konnte,
  • eine einfache Dreschmaschine, die per Handkurbel angetrieben wurde, schaffte etwa 50 Kilo pro Stunde. Dagegen schaffte ein per Göbel angetriebener Drescher bis zu 250 kg Getreide pro Stunde.
Vorlage:Gisbert Strohdrees in Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben, 30. März 2023 Seite 82

Es entwickelte sich zunehmend eine vergleichsweise intensive Werbeaktion für diese neuen “revolutionären” Antriebsmaschinen. Erstmals konnten nun arbeitsparende Geräte in der Landwirtschaft eingesetzt werden. Aufkommende  Landwirtschaftausstellungen – verbunden mit Tierschauen der neu entstehenden Züchterverbände – sorgten für einen stark ansteigenden Bekanntheitsgrad dieser ersten Landmaschinengeneration.



Foto: Schaubild Museum Universität Hohenheim  Archiv Bernd Robben

Diese größere und überdachte Göpelanlage befindet sich auf dem Gelände des Museums Am Kiekeberg in Harburg, direkt an der südlichen Stadtgrenze zu Hamburg.

Hier können bis zu acht Zugtiere eingesetzt werden – da wird schon Energie erzeugt…


Bei dieser Vorführung ist nur ein Pferd angespannt, das aber die Dreschmaschine im Hintergrund schon antreiben kann.

2 Fotos: Museum Kiekeberg    Archiv Bernd Robben

Diese Göpelanlage befindet sich auf dem Gelände des Freilichtmuseums in niedersächsischen Cloppenburg. Hier können zwei Maschinen gleichzweitig angeschlossen werden, da jeweis nach unten und oben Kardanwellen angeschlossen sind.

Foto: Museumsdorf Cloppenburg  Archiv Bernd Robben

Der nachfolgende Videobeitrag zeigt eine Göpelanlage mit Transmissionsriemen, die eine Getreidemühle antreibt. Erstmals konnten Landwirte nun eigenständig ihr Getreide mahlen.

Inhalt des Videos:

Ein ruhiges, mit einer Leine im Kreis geführtes Pferd zieht die Stangendeichsel eines Göpels. Dabei wird die Kreisbewegung des Drehkranzes über ein Getrieberad in eine Drehbewegung umgewandelt, die über eine Kardanwelle Submissionsriemen bewegt. Diese treiben eine Dreschmaschine an, die durch reine Menschenkraft nicht in Gang gesetzt werden könnte.

 

“Grüner” Wasserstoff in der BP Lingen

Viele ehemalige Heuerleute fanden in den fünfziger Jahren mit dem
Auslaufen des Heuerlingswesens – auch ungelernt – einen auskömmlichen Arbeitsplatz bei “Ölwerk” in Lingen-Holthausen.

Etliche Nachkommen arbeiten dort heute – teilweise als studierte Fachkräfte. Sie bauen an vorderster Front an der Energiewende mit.